Hoffnung und Rätsel
Jahrestag des Verschwindens von Madeleine
02.05.2008
Am Samstag jährt sich das Verschwinden der kleinen Madeleine aus Liverpool zum ersten Mal.
Das Poster der kleinen Madeleine im Fenster eines Londoner Pubs ist verblasst. Der Besitzer will es trotzdem hängen lassen. "Die Eltern tun mir leid", sagt er, "ich bringe es nicht übers Herz, das Bild abzunehmen". Allerdings frage er sich, ob Maddie heute noch so aussehe. "Kinder verändern sich schnell", meint er schulterzuckend. Am 12. Mai ist Madeleines fünfter Geburtstag. Ein Jahr nach ihrem Verschwinden hoffen Kate und Gerry McCann, dass ihre Tochter doch noch gefunden wird. "Ich denke, dass sie wahrscheinlich noch lebt", sagte Gerry McCann in der vergangenen Woche in einem BBC-Interview. Es gebe keinerlei Beweise für ihren Tod.
Noch immer keine Spur
Von Madeleine fehlt seit ihrem Verschwinden
aus einer Ferienwohnung im portugiesischen Praia da Luz jede Spur. Immer
wieder gab es Hoffnungsschimmer, Madeleine sei in Marokko, Belgien oder
Mexiko gesehen worden. Aber keiner der Hinweise brachte einen Durchbruch.
Über den Stand der Ermittlungen können selbst die McCanns nur rätseln. "Wir
wissen nicht einmal, ob die portugiesische Polizei überhaupt noch nach
Maddie sucht", sagte Gerry McCann in dem BBC-Interview. Die Freunde der
McCanns, mit denen das Ehepaar in der Nacht von Madeleines Verschwinden zu
Abend aß, wurden im April im Beisein portugiesischer Ermittler erneut
verhört. "Die Ermittlungen gehen voran", so der knappe Kommentar eines
portugiesischen Polizisten.
Interesse der Öffentlichkeit wird wachgehalten
Die McCanns
tun alles, damit das Interesse der Öffentlichkeit am Schicksal ihrer Tochter
nicht einschläft. Nach Maddies Verschwinden am 3. Mai vergangenen Jahres
brachten sie eine internationale Suchkampagne von nie dagewesenem Ausmaß in
Gang. Sie nutzten die Medien und das Internet, und zwei Wochen später hatten
bereits mehr als 50 Millionen Menschen weltweit die Internetseite
findmadeleine.com besucht. Es folgte eine Audienz beim Papst und ein
Auftritt vor dem Europaparlament, wo sich die McCanns für ein
grenzübergreifendes Alarmsystem für vermisste Kinder einsetzten. "Die Eltern
sind gut aussehend, können gut reden, und Madeleine ist ein sehr hübsches
Kind", erklärte die Psychologin Kate Morris die Faszination der
Öffentlichkeit für den Fall.
In Portugal gelten die Eltern noch als Beschuldigte
Den Jahrestag
des Verschwindens von Madeleine hätten die McCanns gerne in Portugal
verbracht. Sie hatten gehofft, dass ihr Status als "Arguidos", Verdächtige,
bis dahin aufgehoben sei. Doch die Fronten zwischen den Eltern und der
portugiesischen Polizei erhärteten sich erneut: Weil die Kinder der McCanns
in der Nacht von Madeleines Verschwinden unbeaufsichtigt in der
Ferienwohnung waren, solle Kate McCann wegen Vernachlässigung angeklagt
werden, berichteten portugiesische und britische Medien. "Warum reden wir
ein Jahr später eigentlich über Vernachlässigung?", wunderte sich Gerry
McCann. Rechtsexperten halten eine Anklage für unwahrscheinlich, aber die
McCanns wollen nicht nach Portugal zurück, bis alle Anschuldigungen fallen
gelassen werden.
Verdächtiger Immobilienhändler
Neben den McCanns gilt
der in Portugal lebende Brite Robert Murat noch immer als verdächtig. Zwei
Augenzeugen hatten ausgesagt, er habe kurz vor Madeleines Verschwinden in
der Nähe der Ferienwohnung eine Zigarette geraucht. Der Immobilienhändler
hat dies immer bestritten, und seine Mutter behauptet, er habe den Abend bei
ihr verbracht. Für die Presse wurde Murat jedoch zu "Freiwild", erklärte der
Medienexperte John Hawksley. Die Londoner Anwaltskanzlei Simons Muirhead hat
bestätigt, dass sie im Auftrag von Murat eine Verleumdungsklage gegen elf
britische Zeitungen vorbereitet hat. Sollte sie Erfolg haben, könnte Murat
eine Rekordsumme von umgerechnet 2,5 Millionen Euro erhalten.
Alltag für die Eltern noch nicht zurückgekehrt
Der
Alltag der McCanns, ihr gesamtes Familienleben, wird noch immer von
Madeleines Verschwinden dominiert. "Kate und Gerry haben das alles noch
nicht verkraftet", sagte Gerrys älterer Bruder John der "Daily Mail". "Gerry
geht wieder arbeiten, aber wenn er nach Hause kommt, kümmert er sich noch
stundenlang um die Suchkampagne", erklärte der Bruder. Sie hätten im Februar
den dritten Geburtstag der Zwillinge Sean und Amelie, Madeleines Geschwister
gefeiert, aber ansonsten sei niemandem nach Feiern zumute. "Kate ist vor
kurzem 40 geworden, aber der Geburtstag war ein Tag wie jeder andere."