Geheime Flugeinsätze
Kleinstadt als CIA-Drehscheibe
01.02.2007
Die US-Kleinstadt Smithfield in der Nähe von Washington soll der Ausgangspunkt für die geheimen CIA-Flugeinsätze sein.
Wenn ein Krimi-Regisseur seinem Film knisternde Spannung verleihen will, lässt er hinter einer Fassade der Normalität die unfassbarsten Dinge geschehen. Insofern mag es nicht überraschen, dass einige der Fäden in dem realen Agenten-Krimi um die Entführung des in Bremen geborenen Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri durch den US-Geheimdienst CIA ausgerechnet in einem Städtchen wie Smithfield im Bundesstaat North Carolina zusammenzulaufen scheinen. Bescheidene Backsteinfassaden säumen die Hauptstraße, ein Schinken- und Kartoffel-Festival würdigt alljährlich die Erzeugnisse der örtlichen Landwirtschaft, und ein Museum ehrt die Hollywood-Diva Ava Gardner, die aus dieser Gegend stammt.
CIA-Tarnung
Kleinstadt-Idylle als Tarnkulisse für geheime
CIA-Einsätze? Glaubt man etwa den Untersuchungen im Europaparlament, könnte
ausgerechnet hier die Reise jenes Flugzeugs begonnen haben, das el-Masri am
24. Jänner 2004 in der mazedonischen Hauptstadt Skopje aufnahm und heimlich
in ein US-Gefangenenlager in Afghanistan transportierte. Laut europäischer
Flugsicherung Eurocontrol wurde der Flug von einer Firma namens Stevens
Express durchgeführt. Diese operiert nach Erkenntnis des Abgeordneten
Giovanni Claudio Fava, der den Fall für das EU-Parlament untersucht hat, für
die in Smithfield ansässige Airline Aero Contractors. Für Fava ist Aero
Contractors nichts anderes als eine CIA-Tarnfirma.
Geheime Flugeinsätze
Die US-Journalisten Trevor Paglen und
A. C. Thompson haben sich in Smithfield auf die Suche gemacht und über ihre
Befunde kürzlich das Buch "Torture Taxi" ("Folter-Taxi")
veröffentlicht. Smithfield sei der "perfekte Ort für geheime
Flugeinsätze, weil er klein und abgelegen ist und die Leute sich nicht darum
scheren, was hier los ist", urteilen sie. In der Tat: Auf ihrer
Internetseite listet die Stadtverwaltung als größte Steuerzahler ein
Einkaufszentrum, ein Immobilienunternehmen und eine Fabrik für
Satelliten-TV-Schüsseln auf. Kein Wort von Aero Contractors, das laut Fava
immerhin 80 Angestellte hat. Gegen mindestens drei von ihnen erließ die
Münchner Staatsanwaltschaft laut NDR-Magazin "Panorama"
Haftbefehl wegen der Entführung von el-Masri, insgesamt gegen 13 mutmaßliche
CIA-Agenten.
Air America
Eine zivile Tarnfassade hat für den US-Geheimdienst
Vorteile. Während etwa Luftwaffenmaschinen spezielle Überflugrechte für den
Luftraum anderer Länder brauchen, können Zivilmaschinen mit viel geringerem
Aufwand um den Globus fliegen. Die CIA kann dadurch das vermeiden, was
Geheimdienste generell gerne vermeiden: Aufmerksamkeit. Bereits in den 50er
Jahren gründete die CIA die Tarnfirma Air America, die während des
Vietnam-Kriegs für Geheimeinsätze zuständig war. Nach Recherchen des
Historikers William Leary von der University of Georgia unterstützte die
Airline heimlich verbündete Kämpfer in Laos, rettete Bruchpiloten aus
Feindesland und führte Spionageflüge aus.
Laut Leary beschäftigte Air America bis zu 300 Piloten, von denen Dutzende beim Einsatz starben. Als unverdächtige Drehscheibe diente Thailand. Gerüchte, wonach die Airline auch in Heroin-Schmuggel verwickelt war, wurden 1990 in dem Film "Air America" mit Mel Gibson aufgegriffen. Nach dem Fall Saigons im April 1975 zum Ende des Vietnam-Kriegs löste die CIA ihre paramilitärische Tarnfirma formal auf. Die Story war damit aber nicht zu Ende: Laut Bericht von EU-Ermittler Fava gründete der frühere Air-America-Pilot Jim Rhyne 1979 eine neue Firma: Aero Contractors in Smithfield. "Alle Ressourcen stammen von der CIA, der US-Armee und anderen Teilen der Regierung", urteilt Fava.
Standort Smithfield
Paglen und Thompson berichten unter Berufung
auf einen früheren Piloten von Aero Contractors, die CIA habe Rhyne zu der
Gründung veranlasst, wollte anders als bei Air America aber nicht mehr
selbst die Geschäfte führen. Bedingung sei gewesen, dass er die Firma in der
Nähe von Washington ansiedelt - der Drehscheibe für CIA-Einsätze. Dies hat
der Standort Smithfield wohl gewährt: Washington war laut den von Fava
gesammelten Eurocontrol-Daten am 16. Jänner 2004 Startpunkt der Maschine,
die el-Masri eine Woche später von Skopje nach Afghanistan gebracht haben
soll. Am 28. Jänner 2004 flog sie von Palma de Mallorca nach erledigter
Mission aus zurück in die US-Hauptstadt.