Übergangsrat
Libyen nun offiziell "befreit"
23.10.2011
Meer von rot-schwarz-grünen Trikolore-Fahnen des "neuen Libyen" in Tripolis.
Feierstimmung in Libyen: Drei Tage nach dem Tod von Muammar al-Gaddafi blickt Libyen in die Zukunft. Zehntausende Menschen versammelten sich am Sonntag zu einem Festakt in Bengasi (Benghazi). Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil, verkündete offiziell den Sieg über das Gaddafi-Regime und versprach, die Basis für das neue Libyen werde die islamische Rechtsprechung (Sharia, Anm.).
Jalil rief zur Versöhnung und Toleranz auf. Die Libyer sollten das Recht nicht in die eigene Hand nehmen. Zugleich machte er sich stark für eine islamische Orientierung Libyens: "Bei uns ist das islamische Recht die Grundlage der Rechtsordnung", erklärte Jalil. "Ein Gesetz, das dem islamischen Recht widerspricht, ist null und nichtig."
In diesem Sinne sei auch das geltende libysche Eherecht zurückzuweisen, das die Zahl der Frauen für einen Muslim begrenzt. Man werde auch islamische Banken gründen, die keine Zinsen verlangen. Er warnte vor einer Spaltung des Landes. "Wir sind alle Brüder geworden, was wir lange Zeit nicht waren."
Auf dem Festplatz in Bengasi, wo der Aufstand gegen Gaddafi vor acht Monaten begonnen hatte, schwenkten begeisterte Menschen Fahnen. Viele tanzten auf den Straßen, wie auf Fernsehbildern zu erkennen war.
Nun soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese solle dann bis Juni 2012 Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten, kündigte Jalil an. Dieses Gremium soll eine Verfassung ausarbeiten, auf deren Grundlage innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden.
Noch vor den Feiern wurde der Streit um die Leiche des Ex-Diktators vorerst beigelegt. Die Leichen Gaddafis und seines Sohnes Mutassim sollen nun an Angehörige übergeben werden, statt wie ursprünglich geplant an einem unbekannten Ort vergraben zu werden.
Der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Jibril, sagte in einem BBC-Interview, er hätte den Ex-Diktator lieber lebend gefasst und vor Gericht gebracht. "Ich will wissen, warum er dem libyschen Volk das angetan hat. Ich wünschte, ich wäre sein Ankläger in seinem Prozess", sagte Jibril. Er begrüße eine gründliche Untersuchung der Vorfälle um Gaddafis Tod durch die Vereinten Nationen.
Auch US-Außenministerin Hillary Clinton unterstützt die Forderung nach einer Untersuchung der genauen Todesumstände. In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC sagte Clinton am Sonntag, diese Aufklärung sei Teil des Übergangs von einer Diktatur zu einer Demokratie. Sie rief auch zur Versöhnung auf: "Jeder, der Teil des alten Regimes war und an dessen Händen kein Blut haftet, sollte sicher und in ein neues Libyen miteinbezogen sein."