Die Haitianer nehmen das Gesetzt jetzt selbst in die Hand.
Die Polizei in Port-au-Prince hat am Sonntag das Feuer auf eine Gruppe von Plünderern eröffnet und mindestens einen von ihnen getötet. Der etwa 30 Jahre alte Mann wurde durch Schüsse in den Kopf getötet, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Hunderte Menschen hatten zuvor einen Supermarkt in der haitianischen Hauptstadt gestürmt. Die Zusammenstöße mit der Polizei dauerten an, während bewaffnete Verstärkung für die Sicherheitskräfte anrückte.
Lynchmorde nehmen zu
In den vergangenen Tagen war es immer wieder zu Plünderungen in dem Erdbebengebiet gekommen, auch weil die Hilfslieferungen für die hunderttausenden Opfer nur langsam anliefen. Bei dem Erdbeben am Dienstag kamen nach jüngsten Schätzungen der haitianischen Regierung bis zu 50.000 Menschen ums Leben. Rund 250.000 wurden demnach verletzt, etwa 1,5 Millionen Menschen sind obdachlos.
Angesichts der chaotischen Zuständen in den Erdbebengebieten in Haiti nehmen die Überlebenden das Gesetz vielerorts selbst in die Hand. Korrespondenten berichteten am Sonntag von mehreren Lynchmorden in der Hauptstadt Port-au-Prince.
"Kriminelle laufen frei herum"
In einem Fall setzten wütende Anwohner einen Mann in Brand, der nach ihrer Schilderung beim Stehlen erwischt worden war. In einer anderen Straße lagen die Leichen zweier junger Haitianer, deren Arme auf den Rücken gefesselt waren. Ihre Körper wiesen mehrere Schusswunden auf. Auch hier soll es sich um Selbstjustiz gehandelt haben. "Die Haitianer nehmen die Dinge nun teilweise selbst in die Hand", sagte der Anwohner Eddy Toussaint. "Es gibt keine Gefängnisse, die Kriminellen laufen frei herum. Und von der Polizei fehlt jede Spur."
Um die schlechte Sicherheitslage in den Straßen der Hauptstadt zu verbessern, würden nun 3500 US-Soldaten die UN-Friedenstruppe sowie die örtliche Polizei verstärken, erklärte Haitis Präsident Rene Preval. "Wir haben 2000 Polizisten in Port-au-Prince, die nur begrenzt einsatzbereit sind. Und aus dem Gefängnis sind während des Erdbebens 3000 Verbrecher geflohen", erklärte Preval vor Journalisten. "Das gibt Ihnen eine Vorstellung, wie ernst die Lage ist."