Russland schloss sich erstmals dem internationalen Druck auf Gaddafi an.
US-Präsident Barack Obama und sein französischer Kollege Nicolas Sarkozy beharren auf einem Rückzug des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi von der Macht. "Gaddafi muss gehen", meinte Gastgeber Sarkozy am Freitag am Rande des G8-Gipfel im Seebad Deauville. "Die Libyer haben ein Recht auf Demokratie." Solange Gaddafi die Macht habe und auf Zivilisten schießen lasse, könne die NATO-Militäraktion in Libyen nicht beendet werden, pflichtete ihm Obama bei. Selbst Moskau schwenkte auf diese Linie ein: Falls ein Rücktritt Gaddafis zur Beilegung des Konflikts beitrage, werde Russland dabei helfen, erklärte Vize-Außenminister Sergej Rjabkow nach Angaben der Agentur Interfax beim Gipfel. Der russische Präsident Dmitri Medwedew sagte, er sei bereit zu vermitteln.
Tripolis bombardiert
Die NATO bombardierte in der Nacht auf Freitag erneut die libysche Hauptstadt Tripolis. Wie der arabische Nachrichtensender Al Jazeera berichtete, seien fünf starke Explosionen registriert worden. Es sei auch ein Areal getroffen worden, das von Gaddafi genutzt werde. Großbritannien entschied indes, Kampfhubschrauber bei der Bekämpfung der Truppen Gaddafis einzusetzen. "Damit soll der Druck auf Gaddafi erhöht werden", sagte der britische Premier David Cameron. Auch Frankreich plant, wie schon früher angekündigt, die Entsendung von Kampfhubschraubern. Damit soll die Treffgenauigkeit der Angriffe gegen die Gaddafi-Truppen erhöht werden.
Libyen und die seit mehr als zwei Monaten laufende NATO-Kampagne waren eines der wichtigeren Themen beim Treffen der großen westlichen Industriestaaten und Russlands im französischen Deauville. "Wir sind entschlossen, die Arbeit zu Ende zu bringen", sagte US-Präsident Obama nach einem Gespräch mit Sarkozy. Auch die - von Russland mitgetragene - Abschlusserklärung des G-8-Treffens hält unmissverständlich fest: "Gaddafi (....) hat keine Zukunft in einem freien, demokratischen Libyen. Er muss gehen."
Russland macht Druck
Russland schloss sich damit erstmals dem internationalen Druck auf Gaddafi an. Das ergab sich auch aus den Äußerungen von Vize-Außenminister Rjabkow. Trage der Abgang Gaddafis zur Lösung des Konflikts bei, wolle Moskau dabei helfen, zitierte ihn die Agentur Interfax. Erst Stunden zuvor hatte der libysche Ministerpräsident Al-Baghdadi Al-Mahmudi in einem Telefongespräch mit Außenminister Sergej Lawrow um Hilfe bei der Vermittlung eines Waffenstillstandes gebeten, verlautete am späten Donnerstagabend aus dem Kreml.
Moskau möge bei "Verhandlungen ohne Vorbedingungen" vermitteln, habe der libysche Regierungschef vorgeschlagen. Einem russischen Zeitungsbericht zufolge soll nun Moskau Gaddafi zum Gang ins sichere Exil überreden. Im Gegenzug werde dem Diktator freies Geleit zugesichert, schrieb die Zeitung "Kommersant". Moskau pflegt gute Beziehungen zum Gaddafi-Regime, das einer der wichtigsten Käufer russischer Waffen ist. Dennoch hatte die UNO-Vetomacht Russland die Resolution des Weltsicherheitsrates gegen Gaddafi durch Enthaltung ermöglicht.
Medwedew will vermitteln
Medwedew bot sich beim G-8-Gipfel als Vermittler an. "Wir sind bereit zu vermitteln und stehen in Kontakt mit beiden Konfliktparteien", sagte er in Deauville. Moskau werde unverzüglich einen Emissär in die Rebellenhauptstadt Benghazi entsenden, sagte Medwedew, der zugleich betonte, "dass Libyen als Staat erhalten beliben muss". Auf die Frage, ob er sich der Rücktrittsanforderung an Gaddafi anschließe, verwies der russische Präsident auf die gemeinsame Erklärung der G-8-Führer.
Cameron und Sarkozy äußerten sich skeptisch zu Vermittlungsversuchen. "Die Botschaft ist: Gaddafi muss gehen", betonte der britische Premier. Dies habe auch Russland beim G-8-Gipfel mitgetragen. Medwedew habe kein Vermittlungsangebot gemacht. Ähnlich äußerte sich der französische Präsident. "Es gibt keine mögliche Vermittlung mit Herrn Gaddafi", sagte er. Allerdings könnte Medwedew Hilfe leisten, fügte er hinzu, ohne Einzelheiten zu nennen.
Die Situation erinnert Beobachter an die Rolle, die Moskau bei der Beendigung des NATO-Luftkriegs gegen das damalige Jugoslawien im Jahr 1999 spielte. Das nordatlantische Bündnis hatte damals sogar ohne Mandat des Weltsicherheitsrates und gegen den ausdrücklichen Willen Russlands Serbien und seine Truppen im Kosovo angegriffen. Schließlich war es Moskau, das den damaligen serbischen Machthaber Slobodan Milosevic zum Abzug aller Truppen aus dem mehrheitlich albanisch bevölkerten Kosovo überredete.
Für einen reinen Waffenstillstand und Truppenentflechtungen dürfte es aber in Gaddafis Libyen längst zu spät sein. Auf die diplomatischen Bemühungen Al-Mahmudis reagierte die NATO-Sprecherin Oana Lungescu am Freitag kühl. "Das (Gaddafi-)Regime hat früher ähnliche Erklärungen veröffentlicht und dann mit dem Beschuss von Zivilisten weitergemacht", sagte sie vor Journalisten in Brüssel. Die NATO habe darüber hinaus Erkenntnisse, dass die Gaddafi-Truppen in der Nähe der Aufständischen-Enklave Misrata international geächtete Landminen ausgelegt hätten.