Im Katastrophengebiet eskaliert die Gewalt, Plünderer schießen in den Straßen. Bis zu 70.000 Leichen sind geborgen worden.
Um 17.30 Uhr senkt sich die Sonne über Haitis Hauptstadt Port-au-Prince. Kurz später gellen Schüsse durch die Nacht. Das Morden und Plündern beginnt. In der Zwei-Millionen-Metropole herrscht totale Anarchie. Die lokale Polizei hat die Kontrolle verloren, US-Truppen und UN-Blauhelme können nur zentrale Punkte der völlig zerstörten Stadt bewachen.
Regierung von Haiti ruft Ausnahmezustand aus
Die Regierung von Haiti
ruft den Ausnahmezustand aus, 12.000 US-Soldaten werden zur Hilfe
erwartet. Vom Hotel La Villa Creole, von dem aus ich operiere, sind die
Schüsse gut zu hören. Sie beginnen kurz nach acht Uhr, enden irgendwann vor
dem Mor-gengrauen. Öfter schrecke ich hoch. An Schlaf ist kaum zu denken.
Doch dabei sind wir in diesem „Reporter-Hotel“ noch in einer fast
glücklichen Lage: Zwei mit Schrotflinten bewaffnete Guards stehen vor den
verschlossenen Eisentoren. Dass die Gangs die Anlage bei der Suche nach
Essen stürmen könnten, wird derzeit noch für unwahrscheinlich gehalten.
Bis zu 200.000 Menschen sind nach Katastrophe tot
Dramatisch die
Lage jedoch draußen, in den mit Menschen und Müll gefüllten Straßen. „Ich
habe furchtbare Angst“, sagt Ines Chery (54). Sie sieht nach dem harten
Leben in Haiti und dem Horror des Bebens eher aus wie 65. Sie setzt fort:
„Ich muss stark bleiben – für meine Tochter.“ Die Achtjährige sitzt hinter
ihr am Boden. Ihr Körper ist von verkrusteten Wunden übersät. Sie lag
stundenlang unter den Trümmern, ihre Mutter hat sie gerettet. Das Mädchen
hatte Glück, sie überlebte. Insgesamt wird von bis zu 200.000 Toten
ausgegangen, 70.000 Leichen wurden bereits geborgen.
Überlebender: „Die Welt muss uns nun helfen“
„Sie
sollten das nicht machen“, zürnt Andreus Fleurimond: „Das sind doch unsere
Brüder.“ Der zerschundene Mann überlebte in einem Haus. Er hofft, dass die
Gewalt in Kürze aufhört und der Wiederaufbau seines Heimatlandes beginnen
kann. „Die Welt muss uns dabei helfen, lange kann die Bevölkerung hier nicht
mehr durchhalten“. Fakt ist: Es wird nicht einfach, denn am Montag wurde der
Flughafen 48 Stunden lang gesperrt.
ÖSTERREICH-Reporter Herbert Bauernebel aus dem Krisengebiet: Alle Storys zum Nachlesen
Größte
Hilfsaktion aller Zeiten läuft an
Jetzt
herrscht Lynch-Justiz
Meine
24 Stunden in der Hölle
Plünderungen
gehen los
Linzerin:
Ich habe Glück - ich lebe
Überall
nur Schutt und Zerstörung