Moderne Seeräuberei
Piraten sind ehemalige somalische Soldaten
20.11.2008
Die internationale Schiffahrt ist im Golf von Aden in Gefahr. Piraten kapern immer größere Schiffe. Die Seeräuber sind ehemalige Soldaten.
Die Piraten, die den Golf von Aden zum weltweit gefährlichsten Seegebiet gemacht haben, sind zum Teil ehemalige Soldaten der somalischen Marine. Das sagte Schadschallah al-Mahdi, ein Kommandeur der jemenitischen Küstenwache, der arabischen Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat".
Die Zunahme der Überfälle im Golf von Aden führt Al-Mahdi darauf zurück, dass die Piraten einen Teil der zuvor erpressten Lösegelder für den Kauf moderner Schnellboote und Waffen verwendet haben, mit denen sie auch größere Schiffe angreifen können.
Er berichtete auch weitere Details über das Vorgehen der Seeräuber: So werfen sie jedes Mal, wenn sie ein Schiff geentert haben, ihre Satellitentelefone ins Meer, damit sie auf ihrem Weg zur somalischen Küste nicht so leicht geortet werden können.
Villen, Handys, Frauen
Wenn sie nicht gerade "arbeiten",
leben Somalias Piraten in Saus und Braus. Dicke Autos, rauschende Feste in
üppigen Villen, die neuesten Handys und die schönsten Frauen gehören zum
festen Lebensstandard der Männer, die dank ihrer Beutezüge auf dem Meer
inzwischen zu den Neureichen am Horn von Afrika zählen. "Sie
lassen es so richtig krachen", sagt Dahir Salaad Musse, Geschäftsmann
in der Hafenstadt Bosasso in der halbautonomen Region Puntland.
Geschäft blüht
Die Piraterie ist in der Region ein
florierender Wirtschaftszweig. Um Nachwuchs brauchen sich die älteren
Piraten keine Sorgen zu machen, ihr üppiger Lebensstil wirkt wie ein Magnet
auf junge Männer. Die Zahlen des Ostafrikanischen Seefahrerhilfsprogramms
belegen dies nur zu deutlich: Gab es vor knapp drei Jahren noch rund 100
Seeräuber an der somalischen Küste, so sind es inzwischen schon gut über
1.000.
"Gute Kunden"
Die Region profitiert von dem "Geschäft".
Inzwischen sind Piraten-Schlupfwinkel wie Eyl, Harardhere oder Garowe
richtige "Boomtowns" geworden. Im Vergleich zu dem Rest von
Somalia, das nach der blutigen Herrschaft der Islamisten wirtschaftlich am
Boden liegt, herrscht dort der pure Luxus. Entsprechend betrachten die
dortigen Bewohner die Seeräuber durch eine rosarote Brille. "Sie
sind meine besten Kunden, sie machen sich nicht die Mühe, beim Einkaufen zu
handeln", sagt Mohamed Ali Yarow, Besitzer eines Geschäfts für
Herrenmode in Garowe. "Und die Mädchen gehen gerne mit den Piraten aus,
da diese immer Geld haben."
Der wirtschaftliche Einfluss der Seeräuber in der Region wird ihnen sogar von höchster Stelle bescheinigt. "Sie (die Piraten) sind zwar in den großen Städten nicht so populär, aber in einigen Ortschaften und Siedlungen haben sie richtigen wirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Einfluss", sagt Bile Mohamoud Qabowsade, Berater von Puntland-Präsident Adde Muse.
Und das Geschäft der Piraten scheint immer besser zu laufen. Hatten sie bisher noch pro gekapertem Schiff "mickrige" zwei Millionen Dollar Lösegeld von den Eignern erhalten, so scheint jetzt mit dem saudischen Supertanker eine neue finanzielle Dimension erreicht zu sein. Fast 25 Millionen Dollar sind im Gespräch.
Und damit das Geld weiter fließt, kümmern sich die Piraten bestens um ihre Geiseln. Für die ausländischen Schiffsbesatzungen werden unter anderem an Land spezielle Küchen eingerichtet, in denen Mahlzeiten nach dem Geschmack der "Gäste" hergerichtet werden. "Wir müssen die Geiseln nach unseren besten Möglichkeiten behandeln, denn schließlich wollen wir für sie gutes Geld einnehmen", sagt der Seeräuber Ali Jamaal. Diese Geschäftsstrategie zahlt sich aus - allein in diesem Jahr haben die Schiffseigner bisher schon fast 30 Millionen Dollar Lösegeld auf den Tisch gelegt.
Klarer Schlüssel für Verteilung
Die Beute wird nach
einem festgelegten Schlüssel verteilt. "Es gibt da eine feste
Abmachung über die Verteilung des Geldes", sagt Jamaal. "Ein
Teil geht an die Männer, die das Schiff gekapert haben, ein anderer Teil
geht an die Helfer an Land." Streit über die Beute wie in Piratenfilmen
gebe es nicht.
Als gute Geschäftsleute investieren die Seeräuber einen Teil ihrer Einnahmen in das eigene "Unternehmen". Sie legen sich die neuesten Waffen zu, ebenso wie die modernsten GPS-Navigationssysteme, mit deren Hilfe sie sich an ihre nächsten Opfer heranmachen. Auch für die schönen Seiten des Lebens - Autos, Frauen, Luxus-Villen - bleibt noch mehr als genug Geld übrig. Angesichts dieser Gewinnspannen lassen sich die Piraten auch nicht von den Kriegsschiffen verschiedener Staaten einschüchtern.