Kinderhandel

Polizei sprengte ''Babyfabrik'' in Nigeria

17.11.2008

In der "Klinik" wurden Frauen gefangen gehalten und vergewaltigt um Babys zu "züchten", es ist nicht der erste Fall von Kinderhandel dieser Art in Nigeria.

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Schon seit geraumer Zeit beobachteten Nachbarn die Frauenklinik im nigerianischen Enugu mit Argwohn: Während des Tages herrschte gespenstische Stille, erst nachts erwachte das Krankenhaus zum Leben. Niemand war jedoch auf das vorbereitet, was eine Polizeirazzia ans Tageslicht brachte: In Enugu wurden Kinder "gezüchtet", um sie zu verkaufen. In den vergangenen Monaten deckte die Polizei ein ganzes Netzwerk solcher Kliniken in Nigeria auf - von der örtlichen Presse "Babyfarmen" oder "Babyfabriken" genannt. Die Entdeckungen werfen ein Schlaglicht auf den Menschenhandel im bevölkerungsreichsten Land Afrikas.

Frauen wurden gefangen gehalten um Babys zu "züchten"
20 junge Frauen wurden bei der Razzia im Mai im Krankenhaus von Enugu im Südosten des Landes befreit. Die Polizeiaktion zielte auf einen der größten Kinderhandel-Ringe Nigerias. "Als wir das Krankenhaus durchsucht haben, fanden wir vier Frauen, die schon bis zu drei Jahre in der Klinik verbracht hatten, um Babys zu züchten", berichtet Enugus Polizeichef Desmond Agu.

Die mittellosen Teenager trugen gegen Bezahlung ein Kind nach dem anderen aus. Der Arzt habe "Burschen eingeladen, die Mädchen zu schwängern"!

Babys für rund 3.000 Euro weiterverkauft
Den Berichten zufolge lockte der Frauenarzt außerdem ungewollt schwangere Mädchen mit der Aussicht auf eine Abtreibung in seine Klinik. Willigten die Frauen ein, wurden sie für den Rest ihrer Schwangerschaft gefangen gehalten, von Abtreibung war keine Rede mehr. Nach der Geburt erhielten sie umgerechnet rund 135 Euro für die Neugeborenen. Nach Angaben der nigerianischen Organisation gegen Menschenhandel (NAPTIP) wurden die Babys für umgerechnet 2.000 bis 3.000 Euro weiterverkauft. Die Klinik flog auf, als eine Frau mit einem dort gekauften einen Tag alten Baby auf dem Weg nach Lagos gefasst wurde.

Aus Angst vor Racheakten findet sich kaum eine junge Frau, die über die Zeit in der Klinik redet. Nur anonym ist eine 18-Jährige bereit, von ihrer wochenlangen Gefangenschaft zu berichten: "Sobald ich im Krankenhaus war, bekam ich eine Spritze. Ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass ich vergewaltigt worden war." Sie habe darum gebeten, ihre Familie anrufen zu können, sei als Antwort aber nur vom Arzt ins Gesicht geschlagen worden. Mit 19 Leidensgenossinnen teilte sie sich nach ihren Worten ein Zimmer, eine weitere Vergewaltigung folgte. Eine Woche später wurde die junge Frau bei der Razzia befreit.

Waisenhäuser oft Tarnung für "Babyfarmen"
Rund ein Dutzend ähnlicher "Babyfarmen" wie in Enugu wurden nach Polizei-Angaben in den vergangenen Monaten in dem afrikanischen Staat entdeckt - getarnt hinter der Fassade einer Geburtsklinik, eines Waisenhauses oder eines Obdachlosenheims. Im Oktober schlug die Polizei in einem angeblichen Kinderheim ebenfalls in Enugu zu. Nach Angaben von Anrainern wurden sieben Schwangere und fünf Helfer herausgeführt.

2005 schlossen die Behörden ein Waisenhaus in Lagos wegen des Verdachts auf Kinderhandel. Im Müll der Einrichtung fanden die Ermittler verkohlte Babyknochen. Seitdem wird vermutet, dass dort mit Organen und Körperteilen gehandelt wurde, möglicherweise für Opferrituale oder Transplantationen. In anderen Fällen werden Babys nach Angaben von Beobachtern zur Adoption oder späteren Zwangsarbeit, Prostitution und für sexuellen Missbrauch verkauft.

Minestens zehn Kinder täglich verkauft
Der Handel mit Menschen ist ein einträgliches Geschäft und die Dunkelziffer hoch. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden weltweit Milliarden von Euro mit dem Verkauf von Menschen umgesetzt, mindestens zehn Kinder würden täglich allein in Nigeria verkauft. "Manche Kunden wissen gar nicht, dass das kriminell ist und halten es für Adoption", sagt NAPTIP-Chef Ijeoma Okoronkwo. "Sie gehen in eine Klinik, zahlen eine Gebühr und bekommen ein Baby dafür."

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