Kunst-Raub
Polizei verdächtigt Bande aus Ex-Jugoslawien
11.02.2008
Bekannte Bilder, wie die am Sonntag in der Schweiz geraubten, können fast nicht in der Öffentlichkeit verkauft werden. Banden tauschen sie oft gegen Drogen und Waffen.
Zwei Tage nach dem spektakulären Millionen-Kunstraub in der Schweiz geht die Züricher Polizei zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung nach. Ob es eine heiße Spur gibt, konnte ein Sprecher am Dienstag jedoch nicht bestätigen. In die Fahndung sei auch Interpol eingeschaltet. "Die Ermittlungen sind in vollem Gange, wir haben aber noch nichts zu berichten", sagte der Sprecher.
Die Gemälde aus der Züricher Sammlung Bührle könnten nach Angaben eines Kunstraubexperten von einer Bande aus dem ehemaligen Jugoslawien gestohlen worden sein. Einer der Täter habe einen slawischen Akzent gehabt; zudem sei die Kriminalität im Bereich der Kunst in Montenegro, Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina am Ansteigen, sagte Julian Radcliffe, Präsident der weltgrößten Datenbank für gestohlene Kunstwerke, Art Loss Register, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur dpa in London. Die Gemälde im Millionenwert könnten jedoch erst nach 20 Jahren wieder auftauchen. "Fast ein Drittel aller gestohlenen Kunstwerke wird sichergestellt; das kann aber eine lange Zeit dauern." Es sei wahrscheinlich, dass sich die Räuber nicht mehr in der Schweiz aufhielten.
Am Sonntag hatten drei bewaffnete und maskierte Täter aus dem Museum in Zürich vier Ölgemälde im Wert von umgerechnet 113 Millionen Euro gestohlen, darunter Bilder von Monet und Cézanne.
Organisierte Banden tauschen Gemälde gegen Waffen und Drogen
Die
organisierten Banden würden die Kunstwerke häufig im Untergrund
untereinander weiterverkaufen. Im Gegenzug bekämen sie Drogen oder Waffen. "Die
kleinen Fische, die die Tat ausführen, verkaufen die Gemälde dabei meistens
erst an einen Unterhändler für wenig Geld; dieser verkauft sie dann wiederum
weiter auf dem Schwarzmarkt", erklärte Radcliffe. Die Bilder
zirkulierten so lange, bis die Täter glaubten, dass sie nicht mehr als
gestohlen erkannt würden. "Das kann dann bis zu 20 Jahre dauern."
Die Räuber würden die Gemälde oft in Banktresoren lagern. "Die
kann man ohne weiteres mieten und sein Gut darin deponieren", sagte
Radcliffe.
Hinweise aus der Bevölkerung
Eine Führung durch die
Bührle-Sammlung vom Dienstag zeigt, wie dreist die drei bewaffneten Täter
handelten. Dank der breiten Information vom Montag seien diverse Hinweise
eingegangen, sagte Polizeisprecher Marco Cortesi am Dienstag bei einer
Pressekonferenz in der Villa im Seefeld, wo die wertvolle Bührle-Sammlung
untergebracht ist. Cortesi hielt sich aber bedeckt bezüglich der Frage nach
einer heißen Spur.
Etwas relativiert wurde der Hinweis auf das vermutlich weiße Täterauto. Museumsbesucher hätten zwar am Boden liegend und unter Schock ein weißes Auto abfahren sehen - ob es sich aber tatsächlich um das Täterauto handle, sei nicht gesichert.
Auch die Schwyzer Polizei, die im Zusammenhang mit den fünf Tage zuvor im Seedamm-Kulturzentrum gestohlenen Picasso-Bildern nach einem weißen Auto fahndete, verfolgt diese Spur in der Zwischenzeit nicht mehr. Ein angeblich weißes Täterfahrzeug hatte am Montag zu Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen den beiden Taten geführt.
Wichtigste private Sammlung europäischer Malerei |
In der Öffentlichkeit kaum zu verkaufen
Es sei enorm
schwierig, Kunstwerke mit solch einem hohen Wert wieder in der
Öffentlichkeit zu verkaufen, da die Anstrengungen der Ermittler in solchen
Fällen immens seien. "In unserer Datenbank sind alleine 180.000
gestohlene Kunstwerke und Antiquitäten registriert", sagte
Radcliffe. Kunstexperten und Polizisten durchsuchten regelmäßig Auktionen
und Kunstmessen nach Diebesgut.
Derzeit steckt viel Geld im Kunst-Markt
In den vergangenen
Jahren würden immer mehr Kunstwerke gestohlen. "Es hat sich
herumgesprochen, dass derzeit viel Geld in dem Markt steckt." Radcliffe
wollte sich nicht dazu äußern, ob es sich bei dem Schweizer Raub um
sogenanntes Artnapping gehandelt hat. Dabei erpressen die Täter die Besitzer
oder Versicherer der Kunstwerke, weil sie wissen, dass sie ihr Diebesgut
nicht weiterverkaufen können. "Artnapping ist aber in den meisten
Fällen nicht erfolgreich", sagte Radcliffe.