Das Ultimatum ist abgelaufen, die Rebellen wollen Gaddafis letzte Festung stürmen.
Ali Tarhouni, neuer Erdölminister der Rebellen, sagt es mit dem Brustton der Überzeugung: „Wir wissen genau, wo er ist.“ Muammar Gaddafi (69) hat sich gemeinsam mit seinen drei Söhnen Saif al-Islam (39, Jörg-Haider-Freund), Al-Saadi (38), Ex-Profifußballer, und Mutassim (36), ein Playboy, kurz nach dem Fall von Tripolis in vier Klein-Konvois nach Bani Walid abgesetzt.
Die Wüstenoase (70.000 Einwohner) liegt 150 Kilometer südöstlich von der Hauptstadt, gehört zum Warfalla-Stamm, einer der letzten Clans, die noch bedingungslos zu Gaddafi stehen. Die Rebellen haben die weitläufige Stadt längst eingekreist, lauern auf den Angriff. Parallel wird seit Tagen mit Stammesältesten über eine Aufgabe verhandelt: „Wir wollen kein weiteres Blutvergießen“, sagt Mahmoud Abdul Asil, Unterhändler der Rebellen: „Es ist die letzte Chance für Gaddafis Anhänger.“
Wird Gaddafi von seinem jüngsten Sohn verraten?
Bis Samstag sollen sich Gaddafi und seine drei Söhne in einer Militärbasis in Bani Waldi aufgehalten haben. Danach beobachteten Aufklärer der NATO, dass Fahrzeuge in die Berge um Bani Walid bewegt wurden. In den Autos sollen sich Gaddafi und Saif al-Islam befunden haben, Hauptziele der Diktatoren-Jäger. Das behauptet ein Ex-Leibwächter Gaddafis, der zu den Rebellen übergelaufen ist. Ziel des Duos: Die 84.000 Einwohner große Wüstenstadt Sabha im Zentrum der Sahara – die letzte Wüstenfestung, die ihnen noch bleibt. Al-Saadi und Mutassim Gaddafi blieben in Bani Walid zurück, sie stehen in Verbindung mit den Rebellen, verhandeln über eine Aufgabe. Werden sie gegen freies Geleit die Rebellen zum Versteck ihres Vaters führen?
Libyen-Insider: Mischmaschine und Job statt Kalaschnikow
Der Krieg ist vorbei, die Uhr steht auf Frieden, zumindest in Tripolis. Zwei Millionen feierten ausgelassen das Ramadan-Ende, Gaddafi ist Geschichte. Die Spannung ist weg, an den Checkpoints wird nur mehr locker kontrolliert, die Geschäfte sind offen. Nur die Rebellen, die gelangweilt mit ihren schweren Pick-ups durch die kaum zerstörte Stadt cruisen und wahllos in die Luft ballern, erinnern noch an Kampf, Nervosität.
Keine Arbeiter
Angst davor, dass aus Libyen ein irakischer Gewaltsumpf werden könnte, hat keiner: Es gibt keine ausländischen Soldaten, kein Machtvakuum, die Islamisten sind schwach. Das größte Problem der Übergangsregierung ist ein anderes: Die Libyer haben nie gelernt zu arbeiten. Es gab 6,5 Millionen Chefs. Den Job haben die 2,5 Mio. Gastarbeiter gemacht. Am Bau Asiaten und Afrikaner, im Dienstgewerbe Ägypter, auf den Ölfeldern Europäer: „Jetzt müssen wir lernen, richtig zu arbeiten“, heißt es in Tripolis. Die schwierigste Lektion für die Rebellen.
Karl Wendl