Das schwere Erdbeben in der mittelitalienischen Region Abruzzen hat über 150 Menschenleben gefordert. Ein Experte hatte das Beben vorausgesagt. 60 Menschen konnten lebend geborgen werden.
Ein schweres Erdbeben in den italienischen Abruzzen hat in der Nacht auf Montag 150 Menschen in den Tod gerissen. Diese vorläufige Zahl wurde am Montagabend von Krankenhäusern der Umgebung bekanntgegeben. Am schlimmsten verwüstet wurde die Stadt L'Aquila 90 Kilometer nordöstlich von Rom, insgesamt waren 26 Gemeinden vom Beben betroffen. Nach Angaben von Regierungschef Silvio Berlusconi wurden mindestens 1.500 Menschen verletzt, mehr als 50.000 obdachlos.
Zum Nachlesen: Der Minuten-Ticker zum Erdbeben
Menschen im Schlaf überrascht
Das Beben der Stärke 6,2
ereignete sich gegen 3.30 Uhr und dauerte etwa 30 Sekunden. Das Epizentrum
lag unter der Regionalhauptstadt L'Aquila in fünf Kilometern Tiefe. Dächer
brachen über den Schlafenden zusammen, zahlreiche Menschen wurden unter
Trümmern verschüttet. Die Helfer suchten mit Spürhunden in den Trümmern nach
Überlebenden. Am Montagabend erschwerte der Regen die Arbeit der
Rettungsmannschaften, die mit einem weiteren Anstieg der Opferzahl rechnen.
Zum Teil gingen in der 68.000 Einwohner-Stadt sogar Hagelschauer nieder.
Dennoch konnten sechs Jugendliche lebend aus einem eingestürzten
Studentenheim gerettet werden. Besonders betroffen war die Ortschaft Onna,
in der 24 Menschen ums Lebens gekommen sind.
Österreicherin: "Aus dem Bett gefallen"
"Wir
sind praktisch aus dem Bett gefallen und haben wirklich Angst gehabt um
unser Leben", berichtet Ursula Aichholzer, Österreicherin, die als
Übersetzerin für L'Aquilas deutsche Partnerstadt Rottweil arbeitet. Sie
wohnt am Rand der Stadt, in der es vielerorts aussieht wie dem Erdboden
gleichgemacht. Und Aichholzer hat Glück gehabt: "Mein Haus steht,
hat keine Risse, keine Sprünge." Sie will den Opfern helfen. .
60 Menschen lebend geborgen
Nach dem verheerenden Erdbeben in den
italienischen Abruzzen haben Rettungskräfte am Montag 60 Menschen lebend aus
den Trümmern geborgen. Diese von der Feuerwehr am Abend genannte Zahl
bezieht sich auf die am stärksten betroffene Stadt L'Aquila und ihre
Umgebung. Die Helfer bemühten sich verzweifelt, vor dem Einbruch der Nacht
und erwarteten Regenfällen weitere Verschüttete zu retten.
Finanzierung des Notstands beschlossen
Der Regierungschef berief
indes eine Ministerratsitzung in Rom ein. Dabei wurden Finanzierungen zur
Bewältigung des Notstands beschlossen: "Jetzt gilt es
zusammenzuarbeiten, um der Region Abruzzen zu helfen", sagte
Berlusconi. Er bestritt, dass das Erdbeben vorhersehbar gewesen sei, wie ein
Experte in L'Aquila in vergangenen Tagen prognostiziert hatte. "Es gibt
kein wissenschaftliches Fundament, um Erdbeben vorherzusehen und außerdem
ist jetzt nicht der Moment, um über die Vorhersehbarkeit von Erdbeben zu
streiten", meinte Berlusconi.
Obdachlose in Notquartieren
Den Obdachlosen steht eine
schwierige Nacht bevor. Viele haben Angst, dass sich weitere Erdstöße
ereignen könnten. Viele Menschen wollen die Nachtstunden im Auto verbringen.
4.000 Zimmer in Hotels an der Adria stehen den Menschen ohne Dach über dem
Kopf zur Verfügung. Weitere 20.000 Betten seien in Zeltlagern errichtet
worden, berichtete der Regierungschef. Das Wasserversorgungssystem
funktioniere, die öffentliche Gesundheit sei nicht gefährdet. "Das
betroffene Gebiet ist nicht sehr groß, doch die Schäden sind riesig",
sagte Zivilschutzchef Guido Bertolaso. 4.000 Menschen sind bei der Bergung
von Opfern aus den Trümmern im Einsatz.
Kunstschätze schwer beschädigt
Auch zahlreiche
Kunstschätze wurden schwer beschädigt. Nach Angaben der Behörden waren sogar
viele Kilometer vom Epizentrum entfernt Schäden aufgetreten, so wurden etwa
die berühmten Thermen von Caracalla in Rom durch den Erdstoß stark in
Mitleidenschaft gezogen. Der Zugang musste sicherheitshalber gesperrt
werden. In den Abruzzen wurden viele, teils aus dem 13. Jahrhundert
stammende Kirchen zerstört. Teile der Kathedrale von L'Aquila stürzten ein.
Die Caracalla-Thermen sind die am besten erhaltene Anlage dieser Größenordnung in Rom, wenn nicht auf der ganzen Welt. Insgesamt erstrecken sie sich auf einer Fläche von etwa 340 mal 330 Metern. 216 n. Chr. eröffnete Kaiser Caracalla das Areal am Abhang des kleinen Aventin und damit den zweitgrößten Badekomplex Roms. Wirklich vollendet war die Anlage erst 235, viele der Dekorationen und die Umfassungsanlage wurden erst von Caracallas Nachfolgern fertiggestellt.
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Militär kontrolliert Krisengebiet
Die Regierung setzte das
Militär für die Kontrolle des Krisengebiets ein.Einige Personen wurden
bereits wegen Plünderung in den verwüsteten Gegenden festgenommen. Vor dem
Krankenhaus von L'Aquila mussten Verletzte unter freiem Himmel behandelt
werden, die Notaufnahme war überfüllt. Nur ein einziger Operationssaal stand
dort zur Verfügung. Die Universitätsklinik der Stadt musste wegen
Einsturzgefahr gesperrt werden. Die am schwersten Verletzten wurden per
Hubschrauber in benachbarte Krankenhäuser transportiert.
Welle der Solidarität
Nachdem einige Personen wegen
Plünderung in den verwüsteten Gegenden festgenommen worden waren, wurden
Sicherheitsvorkehrungen im Krisengebiet getroffen. Das Erdbeben löste jedoch
auch eine Welle der Solidarität aus. Hunderte von Menschen reagierten auf
den Appell der Lokalbehörden, Blut zu spenden. Freiwillige aus ganz Italien
trafen in L'Aquila ein, um Hilfe zu leisten.
Caritas-Spendenkonto
Auch in Österreich haben Caritas und das
Rote Kreuz Spendenaufrufe gestartet und ersuchen auf diesem Wege die
Bevölkerung um Unterstützung für die Opfer: Rotes Kreuz, PSK, Blz. 60.000,
Konto 2.345.000, Kennwort: Erdbeben Italien; Online Spenden unter:
http://www.roteskreuz.at; Caritas-Spendenkonto: PSK 7.700 004, BLZ 60.000,
Kennwort: Erdbeben Italien)
Papst betroffen
Der Papst zeigte sich angesichts der Katastrophe
zutiefst betroffen. Er bete für die Opfer, vor allem für die Kinder, die
beim Erdbeben ums Leben gekommen sind. Er forderte Hilfe für die
Obdachlosen, hieß es in einem Telegramm des Papstes an den Erzbischof von
L'Aquila, Giuseppe Molinari. Auch der italienische Staatspräsident Giorgio
Napolitano zeigte sich angesichts der Katastrophe zutiefst betroffen. Er
appellierte, Solidarität für die Opfer und ihre Familien zu zeigen.
Hilfe auch aus Österreich abgelehnt
Hilfsansuchen an die
EU-Kommission stellte Italien zunächst nicht. Auch das österreichische
Angebot, eine Hundestaffel zu entsenden, wurde abgelehnt. Die EU hat für
Hilfe in Naturkatastrophen einen Solidaritätsfonds, der jährlich mit rund
einer Milliarde Euro dotiert ist.
Experte sagte Unglück voraus - Anzeige
Der Erdbeben-Experte
Giampaolo Giuliani, Forscher des nationalen Physikinstituts Gran Sasso in
der Region Abruzzen, hatte in den vergangenen Tagen ein katastrophales Beben
in dem Gebiet prognostiziert. Er bezog sich dabei auf eine lange Serie
kleiner Beben ohne Schäden, die in der Region seit Februar registriert
wurden.
Giuliani hat ein Gerät entwickelt, mit der er Eigenangaben zufolge schwere Erdbeben vorhersehen kann. Seine wiederholten Warnungen hatten für einen Eklat gesorgt. Er war daraufhin in den vergangenen Tagen von der Staatsanwaltschaft der Stadt Sulmona wegen unbegründeten Alarms angezeigt worden. Das italienische Geophysik-Institut hatte seine Prognosen als vollkommen unrealistisch bewertet.
Die italienische Stadt L'Aquila Die mittelitalienische Stadt L'Aquila liegt umgeben von einem Gebirgskranz aus bis zu 2.912 Meter hohen Gipfeln im Tal des Aterno. Das Industrie- und Verwaltungszentrum mit rund 70.000 Einwohnern ist die Hauptstadt der Region Abruzzen. Der Ort wurde im 13. Jahrhundert vom Staufenkaiser Friedrich II. gegründet. Touristen schätzen besonders den historischen Stadtkern mit Palazzi, Springbrunnen und Kirchen. Dazu zählen Santa Maria di Collemaggio aus dem 13. und die monumentale Basilika des heiligen Bernhardin von Siena aus dem 15. Jahrhundert. L'Aquila erlitt in den vergangenen Jahren schwere Schäden durch mehrere Erdbeben. |