Empörung

Saudis verurteilen Wahrsager zum Tode

25.11.2009

Zukunftsdeuter und Zauberer drohen in Saudi-Arabien drastische Strafen.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels

Eine Pilgerfahrt nach Mekka und Medina hat einem libanesischen Wahrsager kein Glück gebracht. Der Zukunftsdeuter, der daheim in Beirut für einen Satellitensender als Medium wirkte, wurde in Saudi-Arabien unter dem Vorwurf der Hexerei verhaftet und kürzlich zum Tode verurteilt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch appellierte jetzt an die saudische Regierung, das drastische Urteil aufzuheben und abzulassen von den "zunehmenden Anklagevorwürfen der 'Hexerei', die nur vage definiert sind und willkürlich erhoben werden".

Hexerei
Immer wieder gibt es Beschwerden über das saudische Rechtssystem. Es beruht zwar auf islamischem Recht, lässt dem einzelnen Richter aber großen Spielraum und kann zu höchst widersprüchlichen Urteilen führen. Der 46-jährige Ali Sibat aus Beirut ist nur einer von Dutzenden, die der Lokalpresse zufolge in dem strenggläubigen Königreich alljährlich wegen angeblicher Zauberei, Hexerei, Schwarzer Magie und Wahrsagerei verhaftet werden.

Offizielle Stellungnahmen zum Fall Sibat oder Auskunft darüber, wie viele Todesurteile in Fällen vermeintlicher Hexerei verhängt wurden, waren zunächst nicht zu erhalten, da die Behörden wegen des Opferfests geschlossen waren. Human Rights Watch listete in ihrem am Dienstagabend veröffentlichten Bericht eine ganze Reihe von Fällen auf.

Kein Einzelfall
So wurde die Bürgerin Fausa Falih 2006 zum Tode durch Enthaupten verurteilt, weil sie "Hexerei betrieben, Zuflucht zu Dschinns (übernatürlichen Wesen) genommen" und Tieropfer dargebracht haben soll. Am 2. November 2007 wurde demnach der ägyptische Apotheker Mustafa Ibrahim in Riad hingerichtet, weil er "mittels Zauberei" versucht haben soll, ein Ehepaar auseinanderzubringen. Im Oktober sprach ein Gericht in Dschidda den Eritreer Mohammed Burhan der "Scharlatanerie" schuldig: Er besaß ein ledergebundenes Adressbuch mit handschriftlichen Einträgen in seiner heimatlichen Tigrinya-Schrift. Er wurde zu 20 Monaten Haft und 300 Peitschenhieben verurteilt, saß mehr als doppelt so lang im Gefängnis und wurde schließlich abgeschoben.

Betrug
"Saudische Richter haben geständige 'Hexen' drastisch bestraft für Dinge, die schlimmstenfalls Betrug waren, aber auch ganz harmlos gewesen sein können", erklärte Sarah Leah Whitson von Human Rights Watch. "Saudische Richter sollten überhaupt nicht die Macht haben, das Leben von Menschen zu beenden, schon gar nicht von solchen, die keinen anderen körperlich geschädigt haben."

Justizsystem
In Ermangelung eines Strafgesetzbuchs haben Richter in der Regel die Freiheit festzulegen, was sie als strafwürdig erachten, und die Strafe festzusetzen. Die Menschenrechtsorganisation wollte schon voriges Jahr von einem ranghohen Beamten des Justizministeriums erfahren, wie das Verbrechen der Hexerei eigentlich genau definiert ist und welcher Beweise es dafür bedarf: "Der Beamte bestätigte, dass es keine juristische Definition gibt, und konnte nicht verdeutlichen, welche Beweismittel in Hexenprozessen Beweiskraft besitzen."

Der Wahrsager Sibat, der im Mai 2008 verhaftet und am 9. November zum Tod verurteilt wurde, war vielleicht einfach zu bekannt. Nach seinem Besuch in Mekka wurde er im Hotel in Medina von Angehörigen der Religionspolizei erkannt, wie seine Anwältin May al Chansa berichtet. "Er war das populärste Medium des Senders", sagte sie. "Wenn er auftrat, schnellte die Zahl der Anrufe auch aus der ganzen Golfregion in die Höhe." Man habe ihrem Mandanten gesagt, wenn er sich der Hexerei schuldig bekenne, werde er freigelassen und dürfe in den Libanon zurückkehren, fügte sie hinzu.

Sibats Anwältin merkte an, dass ihr Mandant "auf frischer Tat" bei Hexerei ertappt worden sein soll, aber niemand sonst angeklagt wurde. "Das ist wie Ehebruch. Wenn man auf frischer Tat ertappt wird, muss man einen Mittäter haben", meinte sie. "Also, wo ist der Mittäter?"

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel