Wenn es nach dem ehemaligen Bundeskanzler geht, wird es zu keinem EU-Beitritt der Türkei kommen. Er setzt stattdessen auf ein "realistisches Nachbarschaftskonzept".
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat zum Auftakt eines Besuchs in der Türkei die engen bilateralen Beziehungen zwischen Wien und Ankara gewürdigt, einem EU-Beitritt des Landes aber eine klare Absage erteilt. "Die Türkei bewegt sich seit Jahren von der EU weg - in Worten und in Taten. Der EU-Beitritt der Türkei ist eine Illusion", sagte Schallenberg am Montag in der türkischen Hauptstadt.
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Der frühere Bundeskanzler bekräftigte die langjährige Position Österreichs, wonach es in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei statt einer Vollmitgliedschaft "ein realistisches Nachbarschaftskonzept" brauche, "getragen von pragmatischer Zusammenarbeit".
"Obwohl -und gerade weil - wir bei vielen Themen nicht einer Meinung sind, ist der pragmatische Dialog umso wichtiger", betonte Schallenberg. Erster Programmpunkt des Besuchs war eine Kranzniederlegung im Mausoleum des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk. Der Vater der modernen Türkei hatte im Jahr 1924 auch ein Freundschaftsabkommen mit der damals ebenso jungen Republik Österreich abschließen lassen. "In ihrem Freundschaftsvertrag haben Österreich und Türkiye vor 100 Jahren ihre große Verbundenheit und Freundschaft besiegelt - zwischen den beiden Republiken und den Bürgerinnen und Bürgern unserer beider Länder", schrieb der Außenminister ins Goldene Buch des Mausoleums.
Sicherheitspolitik im Zentrum des Besuchs
"Vor 60 Jahren, am 15. Mai 1964, wurde dieser Band mit dem Anwerbeabkommen noch enger geknüpft", führte Schallenberg mit Blick auf den als "Gastarbeiterabkommen" bekannten Vertrag weiter aus. Die Vereinbarung läutete den Zuzug von türkischen Arbeitern nach Österreich ein und legte die Basis dafür, dass heute rund 300.000 türkischstämmige Menschen in der Alpenrepublik leben.
Im Zentrum des Besuchs stehen die Sicherheitspolitik, der Kampf gegen die illegale Migration sowie die Situation in Gaza, hieß es vom Außenministerium. Für Montagnachmittag war noch ein Treffen mit Innenminister Ali Yerlikaya geplant. Schallenberg wurde dabei vom Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, Franz Ruf, begleitet. Die Türkei spielt eine Schlüsselrolle in den Bemühungen der EU, die irreguläre Migration aus dem Nahen Osten einzudämmen. Außenminister Hakan Fidan trifft Schallenberg am Dienstag.
Die Türkei ist laut dem Außenministerium "ein wichtiges Drehkreuz in einer sehr volatilen Nachbarschaft". Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versucht sich vor diesem Hintergrund auch als Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu positionieren und war kurz nach Kriegsbeginn auch Gastgeber für direkte Gespräche der Konfliktparteien, die aber angesichts der deklarierten russischen Vernichtungsgelüste gegenüber der Ukraine im Sande verliefen.
Im Nahost-Konflikt: Türkei auf Seiten der Hamas
Weniger diplomatisch tritt die Türkei im Nahost-Konflikt auf. Sie stellte sich klar auf die Seite der Hamas und verhängte kürzlich sogar einen Handelsboykott gegen ihren bisher wichtigen Wirtschaftspartner Israel. Schallenberg betonte diesbezüglich, dass die Türkei derzeit "einer der wenigen Akteure mit belastbaren Kanälen zur Hamas" sei. So habe Erdogan kürzlich den Chef der palästinensischen Terrororganisation, Ismail Haniyeh, in Ankara empfangen.
Innenpolitisch steht Erdogans konservativ-islamische AK-Partei unter Druck. Bei den Kommunalwahlen Ende März wurde sie erstmals seit ihrer Gründung vor zwei Jahrzehnten landesweit nicht mehr stärkste Kraft. Die sozialdemokratische CHP konnte nicht nur die Bürgermeisterposten in Ankara und Istanbul verteidigen, sondern legte auch in weiteren Großstädten und ländlichen Gebieten deutlich zu.