Der Präsidentenpalast und zahlreiche weitere Häuser wurden zerstört. Präsident Preval hat das Erdbeben überlebt. Plünderungen setzten ein. Es ist das schwerste Beben seit 200 Jahren.
Bei dem schwersten Erdbeben in Haiti seit 200 Jahren könnten nach Schätzungen von Ministerpräsident Jean-Max Bellerive mehr als hunderttausend Menschen - darunter der Chef der UN-MissionHedi Annabiums und der Erzbischof der Hauptstadt Port-au-Prince Serge Miot - ums Leben gekommen sein. Dem US-Fernsehsender CNN erklärte er am Mittwoch, eine sehr hohe Zahl von Opfern stehe zu befürchten. Die Schäden seien hoch, der Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince sei trotz Problemen aber geöffnet.
Vom Präsidentenpalast über die Zentrale der Vereinten Nationen und dem größten Gefängnis der Hauptstadt Port-au-Prince bis hin zu den Hütten der Ärmsten wurden am Dienstag durch das Beben der Stärke 7,0 unzählige Gebäude zerstört. Innerhalb weniger Minuten folgten schwere Nachbeben. Die Schäden an den Kommunikationssystemen waren so stark, dass zuerst nur lückenhafte Berichte vorlagen. Zahlreiche Staaten kündigten Hilfe an.
Der eingestürzte Präsidentenpalast / (C) EPA
Nur noch ein argentinisches Behelfskrankenhaus kann Verletzte behandeln. "Alle anderen Krankenhäuser sind zusammengestürzt", sagte der Leiter des argentinischen Spitals für die UN-Friedensmission, Daniel Desimone, am Donnerstag dem argentinischen Fernsehsender TN in einem Telefoninterview. "Wir sind von den vielen Verletzten völlig überfordert", betonte der Militärangehörige weiter.
Tsunami-Warnung zurückgenommen
Das Epizentrum lag nur 16
Kilometer von der Hauptstadt Port-au-Prince entfernt, in dem etwa eine
Million Menschen leben. Die vergleichsweise geringe Tiefe von zehn
Kilometern dürfte die Schäden besonders verheerend ausfallen lassen. Ausschläge
des Bebens waren sogar in Österreich zu spüren. Das
Geologische Institut der USA teilte mit, Haiti habe seit mehr als zwei
Jahrhunderten kein derartiges Beben erlebt.
Das Beben war auch in der benachbarten Dominikanischen Republik zu spüren, die sich mit Haiti die Insel Hispaniola teilt. Auch im Osten von Kuba bebte die Erde. Der US-Wetterdienst gab eine Tsunami-Warnung für Haiti, die Dominikanische Republik und die Bahamas aus, die später jedoch zurückgezogen wurde.
"Himmel voller Staub"
Ein US-Regierungsbeamter
berichtete, mehrere Häuser seien in eine Schlucht gestürzt. "Sie
ist voller eingestürzter Mauern, Trümmer und Stacheldraht",
sagte Henry Bahn vom US-Landwirtschaftsministerium. "Der Himmel ist
voller Staub und ganz grau." Haitis Botschafter in Washington, Raymond
Alcide Joseph, sagte dem Fernsehsender CNN: "Ich befürchte, es ist eine
große Katastrophe."
(C) Reuters
"Totales Chaos"
Blutüberströmte Menschen rannten in
Panik auf die Straßen. Unter den Trümmern waren Tote zu sehen. "Menschen
haben geschrien. Es herrscht das totale Chaos", berichtete ein Zeuge.
Anrainer versuchten panisch, mit bloßen Händen Verschüttete aus den Trümmern
zu befreien. Eingeschlossene riefen verzweifelt um Hilfe. Ein Mitarbeiter
einer US-Hilfsorganisation Food for the Poor berichtete, in einer der
Hauptstraßen in Port-au-Prince seien mehr Häuser eingestürzt als noch
stünden. Die Straßen seien mit Trümmern übersät und unpassierbar. "Die
ganze Stadt liegt im Dunklen. Tausende Menschen sitzen auf der Straße und
wissen nicht wohin." Er habe weder Polizei noch Rettungswagen gesehen.
Plünderungen setzen ein
Nach Korrespondentenberichten kam
es in einem Vorort der Hauptstadt zu Plünderungen. Die Plünderer bedienten
sich demnach in einem eingestürzten Supermarkt im Norden von Port-au-Prince.
Auf den Straßen lagen viele Tote und Verletzte, zahlreiche Überlebende
verbrachten die Nacht im Freien.
Karte des Erdbebengebiets - Anklicken zum Vergrößern / (C) EPA
Schwerstes Erdbeben aller Zeiten
Obwohl das Ausmaß der Schäden
noch nicht mal abzuschätzen ist, starten
weltweit bereits erste Hilfslieferungen. Neben Österreich bzw.
österreichischen Hilfsorganistaionen sicherte auch US-Außenministerin
Hillary Clinton zivile und militärische Hilfe der USA zu. Rund 70
Rettungskräfte mit Suchhunden aus den USA sollen bei der Suche nach Opfern
helfen. Die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank (IADB) stellte als
Soforthilfe 200.000 Dollar (138.112 Euro) zur Verfügung, um die Menschen mit
Wasser, Lebensmitteln, Arznei und Zelten zu versorgen.
Mit einer Stärke von 7,0 war das Beben vom Dienstag das schwerste, das die US-Erdbebenwarte (USGS) in Golden, Colorado, jemals auf der Insel Hispaniola registriert hat. Es habe nach dem Hauptbeben, das gegen 23.00 Uhr MEZ erfolgte, noch mindestens sechs Nachbeben mit Messwerten von mehr als 4,5 gegeben, sagte der USGS-Seismologe Harley Benz.
Ärmstes Land Lateinamerikas
Haiti, ohnehin das ärmste Land
Lateinamerikas, hatte in der Vergangenheit mehrfach mit schweren
Naturkatastrophen zu kämpfen. Erst 2008 waren beim Durchzug von vier
heftigen Stürmen fast 800 Menschen gestorben.