"Enorme Schuld"
Schönborn besucht Holocaust-Gedenkstätte in Israel
08.11.2007
Kardinal Schönborn wohnte einer Kranzniederlegung in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem bei.
Bei einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat Kardinal Christoph Schönborn Donnerstagvormittag an die "enorme Schuld" Österreichs und auch der Kirche in diesem Land erinnert. "Wir stehen hier mit großer Betroffenheit", so Schönborn im Namen der 15 Mitglieder der Bischofskonferenz, die seit Sonntag im Hl. Land ist.
"Hitlers wahnsinnige Ideen"
"Wir sind hier als
Bischöfe jenes Landes, in dem Adolf Hitler seine wahnsinnigen Ideen gelernt
hat", erklärte der Wiener Erzbischof. Es stellt sich die Frage, wo Gott
war, "als Frauen und Kinder, Männer und Greise, in die Todeskammern
geschickt wurden". Der Mensch werde darauf nie eine überzeugende
Antwort finden und in letzter Konsequenz auch die Frage an sich selber
richten müssen: "Wo war der Mensch - und wo die Menschlichkeit - ,
als unseren Brüdern und Schwestern so furchtbares zugefügt wurde?"
Die Nazi-Ära sei eine Zeit tiefster Gottesferne" gewesen. Die
damalige Zeit zeige auch, "in welche Höllen eine 'Welt ohne Gott'
abzustürzen vermag".
"Zu wenige haben sich den Bestialitäten widersetzt"
Die
"Allee der Gerechten unter den Völkern" in Yad Vashem eröffne "inmitten
eines Meeres von Versagen und Schuld ein Licht der Hoffnung. Sie sagt uns:
Selbst in der Finsternis der Shoah gab es Menschen - auch Christen -, die
sich der Bestialität widersetzt haben. Auch wenn in dieser Allee nicht
wenige österreichische Namen verzeichnet sind - es waren zu wenig, viel zu
wenig Gerechte", sagte der Kardinal wörtlich.
"Menschliche Schwäche und Feigheit"
Der Erzbischof
erinnerte auch daran, dass der Besuch in Yad Vashem am Vorabend des Gedenken
an die Novemberpogrome des Jahres 1938 stattfinde. In dieser Gedenkstätte in
Jerusalem zeige sich das ganze Ausmaß dessen, "was bereits in
jener schrecklichen Mord- und Brandnacht offenkundig geworden war und was
dann - auch wegen menschlicher Schwäche, Feigheit und Angst - ins
Unermessliche wachsen konnte".
"Enorme Schuld Österreichs"
Die Geschichte
Österreichs und damit auch die Geschichte der katholischen Kirche in diesem
Land sei in diesem Zusammenhang "ein Gemenge von enormer Schuld, aber
auch von Mut und Widerstand. Der selige Franz Jägerstätter und
seinesgleichen waren einsame Leuchttürme und sie blieben es auch dann noch,
als die Diktatur längst zusammengebrochen war", betonte Schönborn.
Der Kardinal erinnerte weiters daran, dass Christen und Juden an eine
Auferstehung glauben, "dass kein Verbrechen das letzte Wort haben darf,
auch nicht der Tod". So sei auch die "verbrecherische Vision",
das jüdische Volk auszulöschen, nicht aufgegangen: "Das Volk
Israel lebt. Wir danken, dafür Zeugen zu sein."
Kranzniederlegung
In der "Halle der Erinnerung" legten
Schönborn und der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser einen Kranz nieder.
Nach dem Holocaust-Denkmal besuchten die Bischöfe das Grab des früheren
Jerusalemer Oberbürgermeisters Teddy Kollek auf dem Herzl-Berg, dem
Jüdischen Friedhof. Kollek war gebürtiger Wiener. Am Nachmittag stand u.a.
ein Besuch der Klagemauer auf dem Programm. Morgen, Freitag, werden die
Bischöfe nach Bethlehem reisen.