Wohnsitz des Schützen in Neumarkt am Wallersee wurde durchsucht - Laut Salzburger Landespolizeidirektor Rausch keine Gefahr für Bevölkerung gegeben - 18-Jähriger war amtsbekannt.
Nach einem Schusswechsel mit der Polizei in München, bei dem der 18-jährige, zuletzt im Salzburger Flachgau wohnhafte Angreifer von der Polizei erschossen wurde, gehen die Behörden von einem Terrorakt aus. "Aktuell wird jedenfalls von einem terroristischen Anschlag auch mit Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel ausgegangen, wobei ein Schwerpunkt der laufenden Ermittlungen in der Tatmotivation des Tatverdächtigen liegt", teilte die Generalstaatsanwaltschaft München mit.
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Wie die Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstagabend in einer Presseerklärung festhielt, waren gegen 09.00 Uhr Polizeibeamte im Bereich Karolinenplatz-Barer Straße auf den 18-Jährigen aufmerksam geworden, der sich dort mit einer Langwaffe aufhielt. Als er die Beamten gewahrte, eröffnete er mit seinem Karabiner älterer Bauart mit angebautem Bajonett das Feuer, wurde beim folgenden Schusswechsel mit der Polizei getroffen und tödlich verletzt. Weitere Menschen kamen nicht zu Schaden. Ein in Tatortnähe abgestellter Pkw konnte dem Tatverdächtigen zugeordnet werden.
Razzia beim Schützen
Am späten Donnerstagnachmittag war dann am Wohnsitz des zuletzt in der Flachgauer Gemeinde Neumarkt am Wallersee gemeldeten Österreichers eine Polizeiaktion im Laufen. Das bestätigte Chefinspektor Hans Wolfgruber von der Salzburger Landespolizeidirektion der APA. Zunächst hatte die "Kronen Zeitung" darüber berichtet. Für die Bevölkerung in der 6.600 Einwohner-Gemeinde bestehe keine Gefahr, zitierte die "Krone" den Salzburger Landespolizeidirektor Bernhard Rausch. Polizeisprecher Wolfgruber bestätigte der APA den Einsatz und sprach von "routinemäßigen Hintergrundüberprüfungen" am Wohnsitz des 18-Jährigen. Wie viele Polizisten im Einsatz stehen, wollte er aus kriminaltaktischen Gründen nicht sagen, es sei aber schon ein großes Aufgebot. Dabei seien auch zahlreiche Experten und Spezialkräfte. Der Einsatz erfolge behutsam und mit großer Vorsicht, weil niemand wisse, was einen in den Räumlichkeiten erwarte. Man gehe bei der Überprüfung akribisch vor und sichere alle Spuren.
Der 18-Jährigen hat bosnische Wurzeln und war bereits im Februar 2023 polizeilich bekannt geworden. Dem Mann war nach einer gefährlichen Drohung gegen Mitschüler und damit einhergehender Körperverletzung auch die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden. "Es bestand der Verdacht, dass er sich religiös radikalisiert hatte, online einschlägig aktiv war und sich für Sprengstoff sowie Waffen interessierte. Nach Abschluss dieser Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft Salzburg im April 2023 alle erhobenen Vorwürfe ein", hieß es im Pressebericht der Polizei. Gegen den damals 17-Jährigen bestätigte die zuständige Verwaltungsbehörde ein Waffenverbot, welches bis mindestens Anfang 2028 aufrecht ist. Seither sei der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten, hieß es.
Mutmaßlicher IS-Anhänger
"Wir gehen derzeit von einem radikalisierten Einzeltäter aus", sagte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, am Donnerstagabend am Rand eines Medientermins in Wien. Laut APA-Informationen war der 18-Jährige dem Verfassungsschutz als mutmaßlicher Islamist bekannt. Es soll sich bei ihm zwar um keinen so genannten Hochrisiko-Gefährder gehandelt haben. Auf seinem Handy wurden aber Daten und ein Computerspiel sichergestellt, die eine Nähe zu islamistisch-terroristischem Gedankengut bezeugten, wurde der APA bestätigt. Er wurde daraufhin bei der Salzburger Anklagebehörde wegen Verdachts in Richtung terroristischer Vereinigung (§278b StGB) zur Anzeige gebracht. Weshalb das Verfahren wegen Mitgliedschaft bei der radikalislamischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) eingestellt wurde, blieb vorerst unklar.
"Wir erteilen dazu heute keine Medienauskünfte", teilte Behördensprecherin Ricarda Eder auf APA-Anfrage mit. Zu einem späteren Zeitpunkt werde es eine Stellungnahme geben, kündigte Eder an. Auf den Grund für die Einstellung des Verfahrens ging auch der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit auf Nachfrage von Medienvertretern am Donnerstag nicht ein. Ruf betonte lediglich, dass es ein "qualitätsvolles Ermittlungsverfahren" durch die Anklagebehörde gegeben habe. Die Frage, ob der Jugendliche nach Einstellung weiter beobachtet worden sei, blieb unbeantwortet.
Am Handy soll der 18-Jährige nach Informationen der APA in erheblichen Mengen IS-Propagandamaterial abgespeichert gehabt haben. Auf dem Computerspiel, das sich über soziale Kanäle unter IS-Sympathisanten verbreitet hatte, sollen Tötungsszenarien der Terror-Miliz nachgestellt worden sein. Auf die Handy-Inhalte waren die Strafverfolgungsbehörden aufmerksam geworden, nachdem der Jugendliche an seiner Schule gewalttätig gegen Mitschüler vorgegangen war. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde sein Handy sichergestellt und ausgewertet.
Wie der APA aus gut informierten Kreisen versichert wurde, war zumindest den heimischen Behörden bisher nicht bekannt, dass der 18-Jährige Teil eines IS-Netzwerkes war oder im Internet Anschluss an Gleichgesinnte gefunden hatte. Zumindest in Österreich dürften derzeit keine Hinweise auf allfällige Mitwisser und Mittäter bezüglich seiner terroristischen Absichten vorliegen. Ob es sich tatsächlich um einen Einzeltäter gehandelt hat, ist Gegenstand der angelaufenen Ermittlungen.
Der 18-Jährige soll erst vor Kurzem nach Deutschland eingereist sein, berichtete der Sender WDR am Donnerstag. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung soll der Bewaffnete vor dem NS-Dokuzentrum vorgefahren sein und mit einer Langwaffe auf Polizeiposten vor dem Gebäude geschossen haben. "Er hat gezielt auf die Polizisten geschossen, die haben das Feuer erwidert", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Der Schütze wurde schwer verwundet und starb später.
Das sagt Bayerns Innenminister
Herrmann schloss nach den Schüssen von München einen Anschlagsplan auf das in der Nähe des Tatorts befindliche israelische Generalkonsulat nicht aus. Es müsse davon ausgegangen werden, dass es möglicherweise einen solchen Plan gegeben habe, sagte Herrmann. Die Hintergründe müssten jedoch noch aufgeklärt werden.
"Gott sei Dank konnte ein Anschlag verhindert werden. Ich habe unmittelbar Kontakt mit meiner deutschen Amtskollegin Nancy Faeser aufgenommen und dem bayerischen Innenminister, Joachim Hermann, zum erfolgreichen Einschreiten der bayerischen Polizei gratuliert", meinte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer ersten Stellungnahme, die der APA vorliegt. Die österreichischen Sicherheitsbehörden stünden in intensivem Austausch mit den deutschen Kollegen. In Österreich habe die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) Kontakt mit der israelischen Botschaft und Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) aufgenommen. "Die Sicherheitsmaßnahmen wurden erhöht", gab Karner bekannt.
Das Wichtigste sei, "dass die Polizei rechtzeitig einschreiten und ein Blutvergießen verhindern konnte", bekräftigte Karner. Diese Ereignis zeige einmal mehr die Bedeutung der richtigen Ausrüstung und den Einsatz der richtigen Taktik: "Die Einsatztaktik sieht nunmehr vor, dass Täter sofort angegriffen und wenn nötig ausgeschaltet werden. So wurde es in München gehandhabt, wie mir Innenminister Joachim Hermann auch in unserem Telefonat bestätigte."
Bei dieser Gelegenheit wiederholte Karner seine Forderung nach "zeitgemäßen Ermittlungsmethoden" für die Polizei: "Wesentlich und unabdingbar ist die Möglichkeit der Überwachung der Messenger-Dienste. Es muss Schluss sein mit Ausreden, Aufschieben und Abwehren." Es gehe darum, Verdächtige zu überwachen, Terroristen zu verhaften und Anschläge zu verhindern.
Der israelische Präsident Isaac Herzog verurteilte gemeinsam mit Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Tat. Beide hätten in einem Telefonat ihre "gemeinsame Verurteilung und unser Entsetzen" über die Tat "in der Nähe des israelischen Konsulats in München zum Ausdruck gebracht", schrieb Herzog am Donnerstag im Onlinedienst X. Er sprach dabei von einem "Terroranschlag".
Wie das israelische Außenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, waren keine Mitarbeiter des Generalkonsulats von dem Vorfall betroffen. In der diplomatischen Vertretung habe es gerade eine Gedenkfeier zum Olympia-Attentat in München 1972 gegeben, deshalb hatte es den Angaben zufolge geschlossen. Generalkonsulin Talya Lador-Fresher, frühere Botschafterin in Wien, sagte dazu: "Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist".
Jahrestag Olympia-Attentat
Der israelische Botschafter in Österreich, David Roet, äußerte sich in einer Aussendung sowohl entsetzt als auch erleichtert: "Am selben Tag, an dem unsere Nation an den brutalen Mord an elf israelischen Olympioniken durch palästinensische Terroristen bei den Olympischen Spielen in München erinnert, versuchte erneut ein hasserfüllter Terrorist, unschuldiges Blut zu vergießen. Dieser Anschlag trifft das Herz des jüdischen Volkes und weckt eine schreckliche Erinnerung, die uns weiterhin verfolgt. Mein tiefster Dank gilt den deutschen Sicherheitskräften für ihr schnelles Eingreifen." Roet betonte: "Der heutige Angriff erinnert uns daran, dass der Kampf gegen Terror und Antisemitismus noch lange nicht vorbei ist. Er erfordert ein volles und unerschütterliches Engagement von uns allen. Wir müssen geeint stehen, denn nur gemeinsam können wir diese Kräfte des Hasses überwinden."
Am 5. September vor 52 Jahren erschossen palästinensische Terroristen der Gruppe "Schwarzer September" während der Olympischen Sommerspiele in München im Olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln aus dem israelischen Olympia-Team. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und zwei Anführer der deutschen linksextremen Terrorgruppe "Rote Armee-Fraktion" (RAF), Andreas Baader und Ulrike Meinhof, freipressen.
Die Motive des Bewaffneten waren am Donnerstagvormittag noch unklar. "Wir erhalten Kommentare mit Spekulationen und Falschinformationen", schrieb die Polizei und appellierte zugleich: "Ihr könnt uns am meisten helfen, wenn ihr dies unterlasst und Gerüchte nicht teilt." Die Kollegen würden auf Hochtouren arbeiten. Sobald gesicherte Informationen vorlägen, würden diese mitgeteilt.
"Wir möchten darauf hinweisen, keine Bilder oder Videos von dem Einsatz zu posten oder im Netz zu teilen", hieß es auf X weiter. Es sei ein Upload-Portal eingerichtet worden (https://medienupload-portal02.polizei.bayern.de/), so könnten die Ermittler am besten unterstützt werden.