US-Schulmassaker
Sechstes Mädchen liegt im Sterben
02.10.2006
Das Schulmassaker im Amischen-Land im US- Bundesstaat Pennsylvania vom Montag wird möglicherweise ein sechstes Todesopfer fordern.
Die Ärzte des Krankenhauses in Hershey meinten am Freitag, dass die Überlebenschancen eines der fünf bei dem Blutbad verletzten Mädchen "äußerst gering" seien, so der Fernsehsender ABC. Fünf Kinder waren bereits am Tag des Verbrechens in der Zwergschule von Nickel Mines ums Leben gekommen.
Hunderte kamen zur Beerdigung
Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung waren am Donnerstag vier der getöteten Schülerinnen beigesetzt worden. Den Särgen folgten hunderte von Menschen. Die meisten gehörten zur Amischen-Gemeinde, zu der auch die Schule gehört, wo am Montag der Milchfahrer Charles Roberts die Kinder in seine Gewalt gebracht und dann das Blutbad angerichtet hatte. Der Zug mit den Pferdewagen, auf denen die Kindersärge aufgebahrt waren, passierte auf dem Weg zu dem Friedhof in Bart Township auch das Haus des Täters. Das fünfte getötete Mädchen sollte am Freitag beerdigt werden.
Kind bettelte darum, die anderen zu verschonen
Inzwischen wurden neue Einzelheiten des Massakers bekannt. Die Krankenschwester Rita Roads berichtete, dass der Täter die Mädchen in seiner Gewalt aufgefordert habe, für ihn zu beten. Auch habe eines der Kinder, die 13-jährige Marian Fisher, Roberts vergeblich gebeten sie zuerst zu erschießen und die Jüngeren zu verschonen.
Kinder mussten für ihren Mörder beten
Marians verwundete zwölfjährige Schwester Barbie erzählte laut der " Washington Post", die Mädchen hätten Roberts auch gefragt, warum sie für ihn beten sollten und er dies nicht allein tun könne. Daraufhin habe er die Schülerinnen gefesselt und über seine Wut auf Gott gesprochen, so Rita Roads weiter. Seinen Zorn hatte der Milchfahrer in wirren Aufzeichnungen unter anderem mit dem Verlust seiner ersten Tochter begründet, die vor neun Jahren als Säugling gestorben war.
Mörder war dreifacher Familienvater
Der Amokläufer Charles Roberts, der sich für das Massaker an der pennsylvanischen Schule verantwortlich zeichnet, war selbst Vater von drei Kindern. Am Tag des Blutbads brachte der Familienvater noch seine drei kleinen Kinder zum Schulbus, bevor er wie jeden Tag mit seinem Lkw die Kannen Milch von den Bauernhöfen zur Molkerei brachte. Doch dann kam alles anders.
"Wütend auf Gott"
Aussagen und Briefe an seine Familie weisen darauf hin, dass Roberts "wütend auf das Leben, wütend auf Gott" gewesen sei, sagte Miller. Der Lastwagenfahrer habe sich gezielt Mädchen als Opfer ausgesucht. Roberts habe etwa vor drei Jahren eine Tochter verloren, was möglicherweise die Tat mit ausgelöst habe, sagte der Polizeisprecher dem US-Fernsehsender NBC. Seiner Frau habe er indes gesagt, er könne nicht mehr weiter und wolle Rache nehmen für etwas, das 20 Jahre zurückliege.
Liebevoller und beliebter Nachbar
Nachbarn beschrieben Roberts als jovial und allgemein beliebt. Kollegen berichteten, er sei im Laufe des Jahres jedoch "mürrisch" geworden, erst kürzlich habe sich Stimmung dann wieder aufgehellt. " Wir glauben, dass er an diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst hat, die Tat zu begehen", sagte Polizeichef Miller. "Er erschien, als wären Sorgen, als wäre eine Last von ihm abgefallen."
Brief an Familie hinterlassen
Den Behörden zufolge ließen die Zahl der Waffen, die Menge der Munition und Kleider zum Wechseln darauf schließen, dass sich der Täter ursprünglich auf eine längere Belagerung eingestellt hatte. "Nach dem, was wir wissen, rechnete er nicht damit, dort wieder lebend herauszukommen. Er wollte aber auch Unschuldige töten ", sagte Miller. Roberts habe seiner Frau und seinen drei Kindern Briefe hinterlassen, die auf einen geplanten Selbstmord hindeuteten.
Wollte Kinder mißbrauchen
Laut jüngsten Ermittlungen wollte der Täter die Kinder anscheinend sexuell missbrauchen. Darauf deuten nach Angaben eines Polizeivertreters einige Gegenstände hin, die der Schütze in das Klassenzimmer in Nickel Mines (Bundesstaat Pennsylvania) mitgebracht hatte.
Wie die Polizei am Dienstag weiter mitteilte, sagte der Täter kurz vor der Bluttat seiner Frau in einem Telefonat, dass er vor 20 Jahren zwei Kinder in seiner Verwandtschaft sexuell belästigt habe und davon träume, so etwas wieder zu tun. Die Ermittler teilten am Mittwoch aber mit, die beiden Frauen hätten ausgesagt, von Charles Carl Roberts nicht sexuell belästigt worden zu sein. Sie seien völlig sicher, niemals mit dem Täter Kontakt gehabt zu haben, sagte Polizeisprecherin Linette Quinn.
Die Polizei sieht in der Tat keinen gezielten Akt gegen die Amischen, denen der Täter nicht angehörte. Vermutlich habe Roberts die Schule ausgewählt, weil er in der Nähe wohnte und möglicherweise glaubte, es sei besonders einfach in diese Schule zu gelangen. Dort werden Kinder verschiedener Altersstufen unterrichtet.
Was sich abspielte:
Gefesselte Amish-Mädchen mussten sich vor der Tafel aufreihen, bevor der 32-jähriger Schütze abdrückte. Fünf Mädchen starben. Die Polizei sprach vom "Stil einer Hinrichtung". Mindestens sieben weitere Schülerinnen einer Schule der Amischen-Religionsgemeinschaft (engl. " Amish", Anm.) in dem kleinen Ort Nickel Mines wurden verletzt. Nach der Tat tötete sich der Mann, selbst Vater von drei Kindern, selbst.
Mit 600 Schuss Munition unterwegs
In Pennsylvania war Charles Carl Roberts den Angaben zufolge mit drei Feuerwaffen, 600 Schuss Munition, einem Elektroschocker und zwei Messern bewaffnet in die Schule eingedrungen. Nachdem er die männlichen Schulkameraden hinaus geschickt hatte, reihte Roberts die Mädchen der Klasse vor der Schultafel auf, fesselte sie an den Füßen und feuerte "im Stil einer Hinrichtung" auf sie, wie Polizeichef Jeffrey Miller berichtete.
Zwei Opfer starben im Krankenhaus
Drei Mädchen waren sofort tot, zwei weitere starben später im Krankenhaus. Eines erlag seinen schweren Verletzungen in den Armen eines Polizisten. Vier der Opfer sind US- Medienberichten zufolge zwischen sechs und 13 Jahre alt, ein fünftes ist eine zwei oder drei Jahre ältere Helferin der Lehrerin der Klasse. Die Pädagogin soll schwanger gewesen sein.
Tiefste Erschütterung in der Gemeinde
Gemeindemitglieder zeigten sich tief erschüttert von der Bluttat. "Man liest davon, man hört davon, aber man erwartet nicht, dass so etwas derart nahe am eigenen Zuhause passiert", sagte John Fisher, der wenige hundert Meter von Tatort entfernt wohnt, der Zeitung "USA Today". Üblicherweise zeigten die Amischen ihre Gefühle nicht, berichtete Annie Beiler, die auch in der Nähe wohnt. Doch nach dem Massaker hätten viele geweint und sich voller Trauer umarmt.
Amische als christliche Religionsbewegung
Die Gemeinde Nickel Mines liegt etwa 85 Kilometer von Philadelphia entfernt im Amischen-Land. Die Amischen sind eine christliche Religionsbewegung und lehnen die Benutzung fast aller moderner Technik wie Fernsehen und Telefon ab. Generell schotten sie sich aus religiösen Gründen weitgehend ab. Die meisten Amischen sprechen einen altdeutschen Dialekt. Wesentliche Wurzeln der Glaubensgemeinschaft liegen in der Schweiz, dem Rheinland und der Pfalz.
Immer wieder Bluttaten an US-Schulen
In den vergangenen Tagen haben sich Berichte über Gewalt an US-Schulen dramatisch gehäuft. Am vergangenen Freitag waren bei einem Geiseldrama in einer Highschool in Bailey im Bundesstaat Colorado zwei Menschen ums Leben gekommen. Der Täter hatte zwei Tage zuvor sechs Menschen als Geiseln genommen. Er tötete sich selbst, nachdem er eine seiner Geiseln erschossen hatte. Der Direktor eines Gymnasisums im Bundesstaat Wisconsin verstarb, nachdem einer seiner Schüler ihn am Freitag lebensgefährlich angeschossen hatte.