Die Gewalt eskaliert drei Tage vor den Parlamentswahlen.
„Unzählige Menschen“ haben auf meinem Gips unterschrieben, berichtet Mona al-Tahawy. Die US-ägyptische Journalistin wird zur Symbolfigur der neuen Aufstände in Ägypten. Sie wurde von ägyptischen Polizisten brutal misshandelt. Im Unterschied zu über 40 Menschen, die in den vergangenen Tagen durch Militärgewalt starben, überlebte sie zumindest und kann jetzt ihre Geschichte erzählen.
Die Reporterin demonstrierte gestern am Tahrir-Platz für Demokratie und Freiheit in Ägypten – wie Hunderttausende weitere Aktivisten. Gewalt, Tod und Chaos dominieren zwei Tage vor den geplanten Parlamentswahlen in Ägypten wieder Kairos Straßen.
12 Stunden lang wurde sie von der ägyptischen Polizei gefangen gehalten, die Augen wurden ihr verbunden. Sie sei, sagt die US-ägyptische Journalistin Mona al-Tahawy (44), „geschlagen und sexuell missbraucht worden“ – von der Polizei. Röntgenbilder belegen, dass ihr linker Arm und ihre rechte Hand gebrochen sind.
Die Reporterin wollte den Aufstand am Tahrir-Platz fotografieren, als sie von der Ordnungspolizei verhaftet wurde. Es gelang ihr noch, via Twitter einen Notruf abzusetzen, dann brach der Kontakt ab.
Beim Verhör wurde die Journalistin geprügelt, begrapscht. „Ich konnte irgendwann nicht mehr mitzählen, wie viele Hände versuchten, in meine Hose zu gelangen“.
Aber: Via Twitter formierte sich sofort ein internationaler Aufruf: „Free Mona“. Vor allem US-Journalisten informierten das US-Außenamt und Ägyptens Behörden. „Ich möchte gar nicht wissen, was mit mir passiert wäre, wenn ich nicht US-Bürgerin wäre“, schrieb Mona al-Tahawy nach ihrer Freilassung auf Twitter.
Ägyptens Militär verspricht nun „Aufklärung“. Mona al-Tahawy stand gestern bereits wieder am Tahrir Platz in Kairo.
2. Revolution in Ägypten
„Tretet zurück“, brüllten die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Für gestern hatten Widerstands-Gruppen zum Millionen-Marsch aufgerufen – als „letzte Chance“. Sie wollen, dass der Militärrat, der seit dem Sturz von Hosni Mubarak regiert, zurücktritt. Er versuche, alle Macht an sich zu reißen und die Demokratie abzuwürgen, sagen die Gegner des Regimes.
Der Militärrat weigert sich indes, sofort die Macht abzugeben. Er brachte gestern eigene Demonstranten auf den Weg. Und: Ägyptens mächtiges Militär – das den „Sturz“ von Mubarak im Februar zumindest wohlwollend unterstützte – setzte nun einen ehemaligen Mubarak-Mann als neuen Übergangspremier ein: Kamal Gansuri (er ist schon 78) wird jetzt eine Übergangsregierung bilden.
USA appellieren, Islamisten-Partei vor Triumph
Die USA mahnen Ägypten, die Gewalt gegen Demonstranten zu stoppen. In den vergangenen Tagen wurden immer wieder Tränengas und Waffen gegen die Menschen am Tahrir-Platz eingesetzt.
Und es wurde immer wieder von Übergriffen auf Frauen am Tahrir-Platz berichtet. Junge Männer hätten sie während der Demonstrationen „sexuell misshandelt“, berichtete auch eine französische Journalistin. Ägyptische Frauen fürchten sich ebenfalls zunehmend vor den systematischen Übergriffen gegen sie.
Der Militärrat „entschuldigte“ sich für die Gewalt. Indes scharrt die islamistische Muslimbruderschaft in den Startlöchern. Sollten die Parlamentswahlen trotz der Eskalation ab Montag stattfinden, dürfte die Islamisten-Partei laut Umfragen klar stärkste werden …
I. Daniel