Fiel über Mädchen her

Sex-Krimi um Top-Banker Strauss-Kahn

16.05.2011

Dem Chef des Internationalen Währungsfonds droht eine langjährige Haftstrafe.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels

Eine DNA-Analyse soll die schweren Vorwürfe wegen versuchter Vergewaltigung gegen IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn erhellen. "Er hat weiteren gerichtsmedizinischen Untersuchungen auf Bitten der Behörden freiwillig zugestimmt", betonte sein Anwalt William Taylor nach einem Bericht von figaro.fr am Montag. Dabei soll unter anderem geklärt werden, ob Strauss-Kahn Kratzer oder DNA-Spuren des mutmaßlichen Opfers an sich trage, etwa unter den Fingernägeln.

Der IWF-Chef steht unter Verdacht, ein Zimmermädchen in New York sexuell angegriffen zu haben. Die 32-Jährige habe den Franzosen bei einer Gegenüberstellung auf einer Wache in Manhattan erkannt, berichtete die Zeitung "New York Daily News" am Sonntag (Ortszeit). Zu den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn zählen nach Medienberichten neben versuchter Vergewaltigung auch Freiheitsberaubung.



Bestürzung in Frankreich
In Frankreich haben die Bilder des Mannes in Handschellen, der als möglicher Nachfolger von Präsident Nicolas Sarkozy galt, Bestürzung bei seinen Anhängern ausgelöst. "Ich hatte Tränen in den Augen", sagte der sozialistische Abgeordnete Manuel Valls dem Sender RTL. "Die Bilder waren unerträglich grausam", fügte er hinzu. Inzwischen sind im Internet erste Verschwörungstheorien aufgetaucht.

Verschwörungstheorien
Selbst eine französische Ministerin räumte ein, dass Franzosen leicht einen Komplott vermuten. "Ich bin von einer internationalen Verschwörung überzeugt", sagte die sozialistische Politikerin Michèle Sabban. "Dies ist eine neue Form eines politischen Attentats." Ex-Ministerin Christine Boutin sprach von einer "Falle", die Strauss-Kahn gestellt worden sei - "entweder vom IWF, von den französischen Rechten oder den französischen Linken", mutmaßte sie. Einer von Strauss-Kahns Anwälten sprach von einer möglichen "Provokation".

Die Information, dass ausgerechnet ein junger Anhänger der französischen Regierungspartei UMP die Nachricht als erster über Twitter verbreitet hatte, nährte die Komplott-Theorien. Die Affäre wurde zudem sehr früh von dem früheren Wahlkampfchef von Präsident Nicolas Sarkozy, Arnaud Dassier, aufgegriffen.

Le Pen: "Jeder wusste von seiner Schwäche"

Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, zeigt sich über die Anklage gegen den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung nicht überrascht. "Jeder wusste über die sexuelle Schwäche Strauss-Kahns, doch in politischen und journalistischen Kreisen herrschte eine Art von Schweigeverbot", sagte Le Pen im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" (Montagausgabe).

"Jeder wusste, dass er an einer Schwäche, an einer sexuellen Pathologie leidet, die mit jener (des italienischen Premiers Silvio) Berlusconis verglichen werden kann. Es hat bereits viele Berichte über sexuelle Belästigungen gegeben, auch seitens einiger Journalistinnen. Ich begreife nicht, warum (Frankreichs Präsident Nicolas) Sarkozy ihn für die Führung des IWF nominiert hat und somit Frankreichs Ruf in den internationalen Institutionen ruiniert hat", so Le Pen.

Laut der Politikerin sollte Strauss-Kahn auf den IWF-Chefposten verzichten. "Schon 2008 war er in einen Sexskandal geraten. Diesmal sind die Vorwürfe noch erschütternder. Es ist wirklich unglaublich, dass die Sozialisten eine Person dieser Art für die Führung des Landes kandidiert haben", sagte die Front National-Chefin.

Ungereimtheiten
Manche Kommentatoren weisen auf Ungereimtheiten in dem bisher bekannten Ablauf der Ereignisse hin: Was hatte DSK in New York zu tun? Warum übernachtet er in einem teuren Hotel, obwohl ihm eine Wohnung in Manhattan zur Verfügung steht? Warum kommt ein Zimmermädchen in sein Zimmer, obwohl er noch nicht abgereist ist? Warum weiß die US-Presse so schnell so viele Details, noch bevor es eine Anklage gibt? Die Zeitung "Le Parisien" merkt an, dass die Zimmernummer der Luxus-Suite - 2806 - dem Datum der parteiinternen Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur entspricht. Wie der französische Radiosender rmc berichtet, soll Strauss-Kahn ein Alibi haben: Er sei mit seiner Tochter zum Mittagessen verabredet gewesen. Eine Stunde vor dem angeblichen Vergewaltigungsversuch habe er aus dem Luxushotel ausgecheckt. Noch heute soll entschieden werden, ob der Top-Banker enthaftet wird.

Jetzt droht auch Klage in Frankreich
Unterdessen droht dem 62-Jährigen auch in Frankreich eine Klage wegen ähnlicher Vorwürfe. "Wir planen eine Klage", sagte der Anwalt von Tristane Banon, die nach eigener Darstellung 2002 von Strauss-Kahn sexuell belästigt wurde. Die 31-jährige Journalistin hatte schon 2007 in einer Fernsehsendung von dem Vorfall berichtet. Damals war der Name des IWF-Chefs durch einen Piepton unkenntlich gemacht worden. Ein Jahr später hatte Banon einer Website jedoch bestätigt, dass es sich um Strauss-Kahn handelte.

   Als Gast in einer Fernseh-Talkshow hatte Banon 2007 berichtet, wie sie von einem hochrangigen Politiker im Jahr 2002 unter dem Vorwand, er wolle ihr ein Interview gewähren, in ein fast leeres Appartement gelockt wurde. Der Politiker, den die Journalistin damals als "brünftigen Schimpansen" betitelte, habe während des Gesprächs ihre Hand ergriffen und gesagt, er könne nur sprechen, wenn sie seine Hand halte. Dann sei seine Hand ihren Arm hochgewandert und darüber hinaus gegangen. "Es endete sehr wild - als ich ihm ganz klar 'Nein, Nein!' sagte - und wir schließlich auf dem Fußboden miteinander rangen", schilderte Banon 2007. Sie habe den Politiker getreten, während er versuchte, ihren BH und ihre Jeans zu öffnen. Schließlich sei ihr die Flucht gelungen.

Alles weiteren Informationen zu dem Vorfall auf Seite 2!

  Strauss-Kahn hatte am späten Sonntagabend (Ortszeit) die Polizeistation in Harlem verlassen, die Hände auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Zwei Beamte fassten ihn rechts und links unter den Armen. Der 62-Jährige wirkte erschöpft und sagte kein Wort zu den zahlreichen Journalisten. Nach Medienberichten wurde er anschließend zu weiteren Untersuchungen in ein Krankenhaus gebracht.

Vor dem Richter
  Der IWF-Chef sollte am Montag um 10.30 Uhr (Ortszeit, 16.30 Uhr hiesige Zeit) einem Richter vorgeführt werden. Dieser kann entscheiden, ob Strauss-Kahn gegen eine Kaution freigelassen wird. Die "New York Times" schätzte die Höhe einer möglichen Kaution auf mehrere Millionen Dollar. Der IWF betonte nach Medienberichten, Strauss-Kahn habe sich nicht dienstlich in New York aufgehalten. Er genieße keine diplomatische Immunität, sagte ein Polizeisprecher.

   Strauss-Kahn soll am Samstag in einem New Yorker Luxushotel nackt über das Zimmermädchen hergefallen sein und versucht haben, die Frau zu Oralsex zu zwingen. Polizisten holten den IWF-Chef auf dem New Yorker Flughafen aus der ersten Klasse einer Air-France-Maschine - wenige Minuten vor dem Abflug nach Europa. Strauss-Kahn hatte im Hotel angerufen, weil er dort eines seiner Mobiltelefone vergessen hatte, bestätigte ein Polizeisprecher dem "Wall Street Journal". Dieser Anruf lieferte der Polizei den Hinweis, dass Strauss-Kahn sich bereits im Flugzeug befand.

   Der Franzose war eigentlich am Montag bei der Tagung der EU-Finanzminister in Brüssel erwartet worden. Der IWF schickte nun einen Vertreter. Wegen des Skandals geraten auch die Verhandlungen über Hilfen für die angeschlagenen Euro-Länder Portugal und Griechenland unter Druck.

   Der IWF-Aufsichtsrat wollte ursprünglich am Sonntag in Washington zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Wie das "Wall Street Journal" berichtete, wurde das Treffen aber wegen der Verzögerungen beim Gerichtstermin in New York verschoben. Vorerst übernahm IWF-Vize John Lipsky die Amtsgeschäfte.

Nackter Strauss-Kahn
Die Polizei schilderte nach Angaben des US-Senders CNN den Fall so: Das Zimmermädchen habe am Samstag die für 3.000 Dollar (2.101 Euro) pro Nacht vermietete Luxussuite betreten - ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhielt. In diesem Moment sei Strauss-Kahn nackt aus dem Badezimmer gekommen, auf sie zugerannt und habe sie ins Schlafzimmer gezerrt. Dort habe er begonnen, sie zu attackieren.

   Es sei ihr jedoch zunächst gelungen, ihn abzuwehren und wegzulaufen, sagte die 32-Jährige laut CNN der Polizei. Doch im Badezimmer habe Strauss-Kahn die Frau wieder erwischt und versucht, ihr die Unterhose herunterzureißen. "Ich habe gehört, sie ist aufgewühlt, aber soweit in Ordnung", sagte ein Kollege des Zimmermädchens der "New York Daily News".


Der Tatort

 

ÖSTERREICH-Reporter Herbert Bauernebel berichtet vom Tatort, dem Nobelhotel Sofitel.

© Herbert Bauernebel

New York. Midtown Manhattan, gleich hinter dem Glasturm der Bank of America, 45 West, 44. Straße, das Sofitel. Den Tatort der Sex-Attacke erreiche ich durch die kitschig möblierte Lobby (Kaminplatz, Teppich, Plastikblumen). „Bonjour“, grüßt der Concierge – ohne weitere Fragen fahre ich in den 28. Stock.

Die helle Holztüre der Doppelsuite 2806
2905 ist verschlossen, das grellgelbe Polizeiband ist Sonntag früh bereits entfernt. Die New Yorker Kripo hat alle Beweise dokumentiert, Kahns bei der Flucht zurückgelassene Privatsachen konfisziert.

Hinter der Türe purer Luxus: Die „Imperial Suite“ verfügt über mehrere Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer, ein großräumiges Badezimmer, alles möbliert mit eleganten Polsterstühlen, Birkenholzwandppaneelen und farbenprächtigen Wandgemälden. Preis: 3.000 Dollar die Nacht. Aus den Fenstern ein prächtiger Blick auf den „Times Square“.

Auf der Straße die gesamte Weltpresse. Die Moderatoren rufen aufgeregt in ihre Mikros: „Hier also endete Strauss-Kahns Politikkarriere – für immer…“

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel