Katastrophale Werte
Treibhausgase: Höchststand seit 800.000 Jahren
03.11.2014
Weltklimarat fordert sofortiges Handeln. Noch könne man gegensteuern und hohe Kosten vermeiden.
Ohne sofortiges entschlossenes Handeln droht eine tief greifende und nicht mehr umkehrbare Veränderung des Weltklimas - doch noch sind die Kosten für die notwendigen Gegenmaßnahmen begrenzt: Dies ist die Kernbotschaft des Abschlussberichts des Weltklimarats IPCC, der am Sonntag in Kopenhagen vorgestellt wurde. US-Außenminister John Kerry warnte, die Erkenntnisse der Wissenschafter zu ignorieren.
"Wir wissen, dass wir die Emissionen drastisch reduzieren müssen", sagte IPCC-Chef Rajendra Pachauri bei der Vorstellung des 5. Weltklimaberichts. "Wenn wir weitermachen wie bisher, werden uns die Möglichkeiten, den Temperaturanstieg zu begrenzen, in den nächsten Jahrzehnten entgleiten", mahnte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Es sei ein unbelegter "Mythos", dass der Kampf gegen den Klimawandel teuer sei. "Es gibt noch ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahrzehnten, in dem der Klimawandel zu akzeptablen Kosten gebremst werden kann", erläuterte der IPCC-Autor Ottmar Edenhofer. Nach dem Bericht sind sich die Forscher sehr sicher, dass der Mensch der dominierende Faktor für den Temperaturanstieg seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist. Diese Erkenntnis in solcher Klarheit sei neu, sagte der stellvertretende IPCC-Chef Jean-Pascal van Ypersele.
Österreich verfehle Klimaziele:
Der Bericht "muss ein Weckruf für die internationale Klimapolitik sein", forderte die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig. Sie verlangte einen global verbindlichen Klimavertrag bei der Klimakonferenz 2015. "Österreich hat seine bisherigen Klimaziele deutlich verfehlt und droht auch die nächsten zu verfehlen", so Glawischnig in einer Aussendung. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) habe es bisher nicht geschafft, Klimamaßnahmen für das nächste Jahr zu fixieren. "Appelle und Bekenntnisse, die Österreich in einem besseren Licht erscheinen lassen, alleine reichen nicht aus", forderten die Grünen konkrete Taten.
Höchster Stand seit 800.000 Jahren:
Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sei auf dem höchsten Stand seit mindestens 800.000 Jahren, warnte der IPCC in seinem sogenannten Synthesebericht, der die Ergebnisse der drei vorherigen Teilberichte zusammenfasst. Nach den Erkenntnissen des Expertengremiums hat sich die Oberflächentemperatur zwischen 1880 und 2012 um 0,85 Grad erhöht, während der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2010 um 19 Zentimeter stieg.
Stürme und Co. werden stärker:
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel seien klarer denn je zuvor, sagte Pachauri. Es bleibe nur noch wenig Zeit, um die Chance zu nutzen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Sollte der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen nicht drastisch reduziert werden, drohe eine Erwärmung um bis zu vier Grad, was die Zunahme extremer Wetterphänomene wie Stürme, Hitzeperioden und Überschwemmungen zur Folge hätte.
0% Co-Ausstoß als Wunschziel:
Notwendig sei eine Reduzierung des Ausstoßes der Treibhausgase wie Kohlendioxid um 40 bis 70 Prozent zwischen 2010 und 2050 und auf Null bis 2100, erklärte das unabhängige Gremium, das Experten aus 195 Ländern vereint. Dafür müsse von fossilen Energiequellen wie Öl, Gas und Kohle auf Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasser umgeschwenkt werden und der Energieverbrauch deutlich reduziert werden.
Nach den Berechnungen des IPCC würde das globale Wachstum von den Kosten zur Reduzierung der CO2-Emissionen nicht "stark betroffen". Selbst "ehrgeizige" Maßnahmen würden demnach nur jährlich 0,06 Prozentpunkte des weltweiten Konsums im 21. Jahrhundert kosten, wobei mit einem jährlichen Wachstum zwischen 1,6 und drei Prozent gerechnet wird. Sollte dagegen nicht rasch etwas unternommen werden, würden die Kosten stark ansteigen.
800 Experten grübeln:
Der Synthesebericht fasst die drei Teilberichte zusammen, die zwischen September 2013 und April 2014 vom IPCC vorgelegt worden waren. Er schließt damit den fünften Sachstandsbericht ab - den ersten umfassenden Bericht zur Klimaveränderung seit 2007. Die Berichte, die von mehr als 800 Experten aus aller Welt auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien erstellt wurden, sollen den Regierungen als Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung des Klimawandels dienen.
Frankreich, das im Dezember 2015 den globalen Klimagipfel in Paris ausrichtet, forderte eine "sofortige, allgemeine Mobilisierung", um in Paris "eine politische Antwort" auf die Erkenntnisse der Wissenschaft zu finden. US-Außenminister Kerry warnte davor, die Erkenntnisse in dem Bericht zu ignorieren oder zu bestreiten. "Je länger wir in einer Debatte über Ideologie und Politik feststecken, umso mehr werden die Kosten der Tatenlosigkeit steigen und steigen."
Die Umweltorganisation Germanwatch forderte ein weltweites Ende der Kohleverstromung, um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Greenpeace erklärte, der Bericht zeige, dass ein Umstieg von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien technisch und wirtschaftlich möglich sei. Die Grünen erklärten, der Bericht sei ein "klarer Handlungsauftrag an die Politik" und müsse an die "Tür des Kanzleramts" genagelt werden.