Nach dem Brand-Drama
Türkische Brandexperten ermitteln in Ludwigshafen
06.02.2008
Die Ermittler in Ludwigshafen weisen Angriffe gegen die Feuerwehr zurück. Die Polizeigewerkschaft kritisiert die Entsendung türkischer Ermittler.
Die Ermittlungen zur Ursache der Brandkatastrophe mit neun Toten und 60 Verletzten in Ludwigshafen stehen unter zunehmendem Druck. Die Polizei hält weiterhin sowohl einen technischen Defekt als auch fahrlässige oder absichtliche Brandstiftung für möglich. Die beiden Mädchen, die einen Brandstifter gesehen haben wollen, sollen erneut befragt werden. Dann will man über die Erstellung eines Phantombildes entscheiden.
Türkische Medien erhoben Vorwürfe
Am Mittwoch wiesen
die Ermittlungsbehörden und Politiker vor allem in türkischen Medien
erhobene Vorwürfen gegen die Feuerwehr entschieden zurück. Deutsche
Polizeigewerkschaften kritisierten die Entsendung türkischer Kollegen nach
Ludwigshafen.
Retter würden zu Tätern gemacht
Ein 37-jähriger, in der
Türkei geborener Mann machte laut Polizei in einem Lokal einem Feuerwehrmann
Vorhaltungen und stieß ihn um. Polizeipräsident Wolfgang Fromm sagte, die
Polizei müsse inzwischen Personenschutz für die Feuerwehrleute
bereitstellen: "Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte er. "Es geht nicht
an, dass diese Menschen beleidigt, bedroht und bespuckt werden." Hier würden
"Retter zu Tätern gemacht".
Merkel zeigte Mitgefühl
Der türkische Staatsminister Mustafa
Sait Yazicioglu traf in Ludwigshafen mit der Staatsministerin für
Integration, Maria Böhmer, vor der Brandruine zusammen. Böhmer legte auch im
Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Kranz nieder und sagte: "Die
Bundeskanzlerin hat ihr tiefes Mitgefühl ausgedrückt." Der türkische
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, der eine rasche Aufklärung der
Brandursache gefordert hat, will am Donnerstag nach Ludwigshafen kommen.
Böhmer rief die türkischen Medien, die über ein zweites Solingen spekuliert hatten, zu Zurückhaltung auf. Sie wies auch Vorwürfe gegen die Feuerwehr zurück; diese sei binnen weniger Minuten am Brandort gewesen. Bürgermeister Wilhelm Zeiser sagte, der erste Notruf sei um 16.22 Uhr eingegangen. Nur zwei Minuten später seien die ersten beiden Löschzüge vor Ort gewesen, drei Minuten später seien weitere sechs Feuerwehrfahrzeuge eingetroffen. Durch den beherzten Einsatz von Polizei und Feuerwehr seien insgesamt 47 Menschen gerettet worden.
BKA sucht mit Spürhunden nach weiteren Opfern
Die Polizei
wird bei den Ermittlungen von einigen Experten des Bundeskriminalamts
unterstützt, darunter "vorsorglich" Vertreter des Staatsschutzes, wie ein
BKA-Sprecher sagte. Beamte durchsuchten mit Spürhunden das
einsturzgefährdete Gebäude nach möglichen weiteren Opfern und nach
Brandbeschleuniger, wurden aber nicht fündig.
Haus mit Nazi-Symbolen beschmiert
Das Haus wurde vor dem Feuer
mit Nazi-Symbolen beschmiert. Neben dem Eingang zu einem türkischen
Kulturverein im Erdgeschoß des Gebäudes findet sich zwei Mal die Aufschrift
"Hass".
Bereits mehr als 50.000 Euro Spenden
"Wir können derzeit
keinerlei Brandursache ausschließen", betonte der Leiter der
Staatsanwaltschaft Frankenthal, Lothar Liebig. Oberbürgermeisterin Eva Lohse
berichtete von einer ungebrochenen Hilfsbereitschaft; mehr als 50.000 Euro
seien gespendet worden.
Türkische Brandexperten untersuchen Schauplatz
Der Einsatz
türkischer Brandexperten, die hier keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen
dürfen, stieß auf Befremden. Der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten,
Klaus Jansen, sagte der "Bild"-Zeitung (Donnerstagausgabe): "Es war völlig
berechtigt, dass sich die Türken seinerzeit eine Einmischung in den Fall
Marco verbeten haben. Aber jetzt sollten sie sich auch bitte nicht in diesen
Fall einmischen." Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad
Freiberg, betonte: "Es gibt für niemanden den geringsten Anlass, der
deutschen Polizei zu misstrauen."
Gibt es Hinweise auf fremdenfeindlichen Anschlag?
Muslimische
Organisationen kritisierten, die Aussage des rheinland-pfälzischen
Ministerpräsidenten Kurt Beck, es gebe keine Hinweise auf einen
fremdenfeindlichen Anschlag, sei sehr verfrüht gewesen. Burhan Kesici,
Generalsekretär des Islamrates, sagte dem "Münchner Merkur"
(Donnerstagausgabe). "Alle hoffen, dass es kein Brandanschlag war, weil das
die Situation in Deutschland verändern und zu einer Eskalation führen würde."