Nach langer Hoffnung auf eine Rettung der Insassen steht nun fest: Alle fünf Passagiere starben durch die Implosion des Tauchboots – sie dürften davon aber nicht mehr viel mitbekommen haben. Was genau passiert ist:
Nach tagelanger fieberhafter Suche nach dem im Nordatlantik verschollenen Mini-U-Boot "Titan" mit fünf Menschen an Bord herrscht traurige Gewissheit: Die US-Küstenwache erklärte am Donnerstag nach dem Fund von Trümmerteilen nahe des Wracks der "Titanic", das private Tauchboot sei durch eine "katastrophale Implosion" zerstört worden. Demnach kamen alle fünf Menschen an Bord der "Titan" ums Leben. Nicht etwa, weil ihnen der Sauerstoff ausging, sondern weil das Tauchboot implodierte.
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Was haben die Insassen von der Implosion des U-Bootes mitbekommen?
Die Insassen des "Titan"-Tauchboots haben Experten zufolge von der Implosion ihres Gefährts nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe enorm gewesen - die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, zitierte der Sender CNN am Freitag Ex-Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab", betonte Marty. "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, auf die wir sterben können, schmerzlos."
Warum ist das U-Boot implodiert?
Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.
Erkenntnisse darüber dürften sich die Experten durch die entdeckten Trümmerteile erhoffen. Während Personal und Schiffe nun vom Unfallort abgezogen werden, sollen die Such-Operationen auf dem Meeresboden zunächst fortgesetzt werden, teilte die US-Küstenwache mit. Im Moment konzentriere man sich darauf, den Ort zu dokumentieren. Die Daten würden analysiert. Die "Titanic" liegt in rund 3.800 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund.
Im Einsatzgebiet rund 700 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland hatten Trupps aus den USA und Kanada mit Hilfe weiterer Länder seit Verschwinden des Boots am Sonntag eine großangelegte Suche sowohl an der Wasseroberfläche als auch in der Tiefe des Ozeans gestartet. Im Einsatz waren Schiffe, Flugzeuge, Tauchroboter und andere Spezialausrüstung.
Können die Leichen geborgen werden?
An Bord der "Titan" waren der Franzose Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurers Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman sowie der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte. Auf die Frage, ob ihre Leichen der geborgen werden könnten, gab es zunächst keine Antwort. Es handle sich in der Gegend des "Titanic"-Wracks um eine "unglaublich erbarmungslose Umgebung", teilte die Küstenwache lediglich mit. Ob sie damit andeutete, dass die Körper durch die Implosion zerstört wurden oder ob sie sich auf Schwierigkeiten bei der Bergung bezog, blieb unklar.
Hätte das Unglück vermieden werden können?
Nach Angaben verschiedener Experten hatten die Entwickler und Betreiber des Tauchboots, die Firma Oceangate, anerkannte Standards umgangen und Warnungen missachtet. Medienberichten zufolge warnte schon 2018 ein Brief der Organisation Marine Technology Society (MTS) vor dem experimentellen Charakter des touristischen Angebots, und dass die Fahrten in einer Katastrophe enden könnten. Auch ein ehemaliger Oceangate-Mitarbeiter soll bereits vor fünf Jahren Sicherheitsbedenken geäußert haben.
"Titanic"-Regisseur James Cameron sieht gar Parallelen zur Katastrophe des Jahres 1912. ""Titan", "Titanic", wissen Sie, der Größenwahn, die Arroganz. Das ist alles wieder da", sagte Cameron der BBC in einem am Freitag ausgestrahlten Interview. "Es ist eine große Ironie, dass da jetzt ein weiteres Wrack neben der "Titanic" liegt, und zwar aus dem gleichen Grund" - weil die Warnungen nicht beachtet worden seien, sagte Cameron.
Das Unternehmen äußerte sich laut BBC zunächst nicht zu den Vorwürfen. Oceangate Mitbegründer Guillermo Söhnlein verwies im Gespräch mit dem Radiosender BBC 4 auf die 14-jährige Entwicklungsdauer der "Titan". Wer daran nicht beteiligt gewesen sei, dürfe sich kein Urteil anmaßen, so Söhnlein, der nicht mehr aktiv in dem Unternehmen ist, aber noch Anteile daran hält.
Welche Konsequenzen hat die Katastrophe?
Die Erforschung der Tiefsee in internationalen Gewässern, in denen die "Titan" unterwegs war, ist weitgehend unreguliert, wie der Meereskunde-Experte Simon Boxall von der University of Southampton der BBC sagte. Spekuliert wird nun, dass sich dies infolge der "Titan"-Tragödioe ändern könnte.
Und der Chef der auf "Titanic"-Ausstellungsstücke spezialisierten Firma White Star Memories, David Scott-Beddard, sagte dem Sender CNN: "Es wird sicherlich eine Untersuchung nach dieser Katastrophe geben, und deutlich striktere Regeln und Vorschriften werden eingeführt werden."