Flucht zu Ende

Zweiter Ausbrecher ist gefasst

01.12.2009

Michalski ging der Polizei bei Wesel ins Netz. Er war mit dem Fahrrad unterwegs - ein Spezialkommando der Polizei rammte ihn.

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Nach fünf Tagen ist in Deutschland auch die spektakuläre Flucht des zweiten Gefängnisausbrechers Peter Paul Michalski von der Polizei unblutig beendet worden.

Spezialeinsatzkräfte überwältigten den bewaffneten 46-jährigen Schwerverbrecher am Dienstag an einer "günstigen Gelegenheit" um 9.50 Uhr in Schermbeck nahe der holländischen Grenze, wie ein Polizeisprecher sagte.

 
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Auf dem Rad gerammt
Michalski wurde an einer Landstraße am Rande eines Wohngebietes festgenommen. Er war dort mit einem Fahrrad unterwegs.

 
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Über Handy geortet
Laut WDR rammten die Einsatzkräfte bei der Festnahme Michalski auf dem Fahrrad. Die Polizei ist Michalski durch ein Handy auf die Spur gekommen. Der 46-Jährige sei in der Früh im Kreis Wesel über "neue Überwachungsmaßnahmen" lokalisiert worden.

Komplize wurde am Sonntag gefasst
Der Komplize des verurteilten Mörders, Michael Heckhoff, war bereits am Sonntag in Mülheim an der Ruhr gefasst worden. Ähnlich wie bei Heckhoffs Festnahme, sei auch der Zugriff am Dienstag schnell und effektiv gewesen, sagte der Sprecher. Weder Beamte noch Michalski seien verletzt worden.

Zuletzt hatten die Fahnder erklärt, dass sie den verurteilten Mörder Michalski in seiner alten Heimat in Ostwestfalen vermuteten. Seit Montagvormittag durchkämmten sie das Bielefelder Umland, wo der 46-Jährige aufwuchs. Die Polizei ging davon aus, dass er dort noch über Kontakte zu Freunden oder Bekannten verfügte.

Flucht aus dem Häfn
Michalski war zusammen mit Geiselgangster Heckhoff vergangenen Donnerstag aus dem Aachener Gefängnis geflohen. Hilfe bekamen sie dabei offenbar von einem 40-jährigen JVA-Bediensteten, der seit Samstag in Untersuchungshaft sitzt. Er soll die Schwerverbrecher unter anderem mit Pistolen und Munition versorgt haben.

Auf ihrer Flucht sind die Schwerverbrecher den Fahndern offenbar mehrfach nur um Haaresbreite entgangen. Heckhoff sagte laut "Bild"-Zeitung, schon in der Nacht zum Samstag seien er und sein Komplize am Baldeneysee in Essen fast in eine Polizeistreife gelaufen. "Auf einmal waren da Polizisten. Peter wollte erst wegrennen, aber dann haben wir zwei Schubkarren gesehen und uns darunter versteckt", zitierte das Blatt den Gewaltverbrecher. Später seien SEK-Beamte direkt an dem improvisierten Versteck vorbeigekommen.

Ausgerutscht - dann klickten die Handschellen
Als Heckhoff am Sonntag in Mülheim an der Ruhr festgenommen wurde, soll Michalski ebenfalls in unmittelbarer Nähe gewesen sei. Sie hätten einen bewaffneten Polizisten gesehen und versucht abzuhauen. "Der Paul ist los. Aber ich bin da ausgerutscht und irgendwie hängen geblieben. Ich hab Paul gesagt, dass er abhauen soll. Das hat er auch gemacht", schilderte der Verbrecher laut "Bild" die Situation.

Heckhoff behauptete außerdem, er und sein Komplize hätten fest vereinbart, keine Gewalt anzuwenden. "Der Paul könnte nie einem was tun, und wir haben auch ausgemacht, dass wir niemandem verletzen und nicht schießen", zitierte ihn die "Bild"-Zeitung. Die beiden Sträflinge zwangen nach ihrem Ausbruch insgesamt fünf Menschen, ihnen bei der Flucht über Köln ins Ruhrgebiet zu helfen. Dabei übernachteten sie bei einem Ehepaar, duschten bei ihnen, sahen fern - und wurden sogar bekocht.

Die Flucht erfolgte per Taxi: Laut Heckhoff fuhr gerade ein Taxler vor, als sie aus dem Gefängnis spazierten. Dieser brachte die beiden ersteinmal zu einem Adventmarkt, wo sie sich mit Pommes Frites und Mineral stärkten. Heckhoff gab an, die Waffe im Gefängnis gekauft zu haben.

Die Polizei wurde von der Veröffentlichung des "Bild"-Berichts überrascht. "Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass in dem Artikel Informationen verarbeitet sind, die unbefugt an die 'Bild'-Zeitung gelangten." Die Behörde leitete deshalb ein Ermittlungsverfahren ein. Der Rechtsanwalt von Heckhoff, Rainer Dietz, war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

So brutal sind die Ausbrecher

Michael Heckhoff:

Heckhoff ist vor allem wegen einer Geiselnahme 1992 in der Justizvollzugsanstalt im sauerländischen Werl zu zweifelhafter Bekanntheit gelangt. Für die Tat erhielt er Ende 1993 lebenslang. Mit einem Komplizen hatte er einen Zahnarzttermin zu einem brutalen Kidnapping genutzt. Mit einer Pistole - einer täuschend echt wirkenden Attrappe aus Seife - nahm das Duo drei JVA-Bedienstete und drei Arzthelferinnen als Geiseln. Die Männer forderten eine Million Mark Lösegeld, ein Fluchtauto und freies Geleit. Als der damals 34-jährige Heckhoff den Fluchtwagen inspizieren wollte, traf ihn ein Schuss und verletzte ihn schwer.

Ein SEK-Kommando stürmte später den Lazarett-Trakt in Werl, wo sich sein Komplize - verurteilt wegen Dreifach-Mordes - verschanzt hatte. Der übergoss vor dem Zugriff einen JVA-Beamten und eine Arzthelferin mit Waschbenzin, zündete sie an und fügte ihnen schwerste Verbrennungen zu. Beim Prozess wegen zweifachen versuchten Mordes in Arnsberg musste Heckhoff im Gerichtssaal Fußfesseln tragen.

Schon vor der Werler Geiselnahme hatte Heckhoff schwere Verbrechen verübt: Wegen Geiselnahme einer Polizistin und zweier Banküberfälle war er Anfang der 90er Jahre zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. In seiner Einzelzelle in der JVA Bochum wurden 1995 eine Gaspistole und eine Handgranaten-Attrappe gefunden. Danach wurde er in eine speziell überwachte Zelle in Wuppertal gebracht. Später landete er in der JVA Aachen, aus der er am Donnerstag mit Michalski ausbrach. Jetzt wurde er festgenommen - in Mülheim an der Ruhr.

Peter Paul Michalski:

Auch Michalski - auf dem Fahndungsfoto mit Halbglatze und gestutztem Vollbart - ist ein besonders gewalttätiger Mehrfachtäter. Er verbüßte laut NRW-Justizministerium bereits als Heranwachsender eine Jugendstrafe. 1985 wurde er entlassen, drei Jahre später aber schon wieder festgenommen. 1988 verurteilten ihn die Richter zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft, unter anderem wegen schweren Raubes.

1993 erschoss Michalski im Hafturlaub einen Mittäter - und erhielt dafür eine lebenslange Haftstrafe. Das Bielefelder Landgericht stellte im März 1995 die besondere Schwere der Schuld fest. Damit war eine Überprüfung der Haftstrafe nach 15 Jahren für den gebürtigen Herforder blockiert. Anfang 2006 war er von der JVA Wuppertal nach Aachen verlegt worden, dort gelang ihm der Ausbruch. Nun wurde er bei Wesel geschnappt.

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