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344 Tote und noch 70 Vermisste im Irak

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Nach offiziellen Angaben wurden bei den Anschlägen 344 Menschen getötet, 396 verletzt und weitere 70 sind noch vermisst.

Bei den Selbstmordattentaten in kurdischen Dörfern im Irak sind nach Informationen von Gemeindevertretern bis zu 414 Menschen getötet worden. Der Bürgermeister der Ortschaft Al-Baaj, Abdul Rahim al-Shammari, sagte der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak am Freitag: "344 Tote und 396 Verletzt plus 70 Vermisste, nach denen noch gesucht wird; das ist die endgültige Zahl der Opfer." Kurdische Quellen hatten zuvor von rund 500 Toten gesprochen.

Demonstrationen gegen den Terror
Nach der blutigen Anschlagserie gegen kurdische Dörfer wird der Ruf nach einer Eingliederung aller kurdischen Siedlungsgebiete des Nordiraks in das Autonomiegebiet der Kurden lauter. In den kurdischen Ortschaften Bajika und Bahzani in der Provinz Ninive demonstrierten am Freitag nach Angaben von Augenzeugen Hunderte von jesidischen, christlichen und muslimischen Kurden gegen den Terror.

Bergungsarbeiten wurden aufgegeben
Da sich die Bergungsarbeiten nach der Anschlagserie vom vergangenen Dienstag über Tage hingezogen hatten und weil Verletzte aus den Dörfern bei Sinjar zum Teil in weit entfernte Krankenhäuser gebracht worden waren, war es schwierig gewesen, die genaue Zahl der Opfer zu ermitteln. Selbstmordattentäter hatten in den Dörfern der jesidischen Kurden am Dienstagabend vier große Sprengladungen gezündet und damit ganze Straßenzüge dem Erdboden gleich gemacht.

Nach den verheerenden Anschlägen in zwei nordirakischen Dörfern hat die US-Armee die Suche nach Überlebenden aufgegeben. Es gebe kaum noch Hoffnung, unter den Trümmern der zu Dutzenden zerstörten Gebäude verletzte Opfer zu finden, sagte am Donnerstag Major Rodger Lemons, der für die Einsätze der US-Brigade in dem Gebiet zuständig ist.

Einzelheiten weiter unklar
Auch Einzelheiten der Anschlagserie blieben weiter offen. Den Ermittlungen zufolge seien die Attentate in beiden Dörfern offenbar mit jeweils zwei Müllfahrzeugen verübt worden, die mit Sprengsätzen vollgepackt gewesen seien, sagte Lemons. Zunächst war von bis zu fünf Selbstmordattentaten mit Tankfahrzeugen die Rede gewesen. Der irakischen Armee sei es zudem gelungen, eines der vier Fahrzeuge zu stoppen. Soldaten erschossen demnach den Fahrer, bevor er das Dorf Al-Jazeera erreichte. In dem Ort Kahtaniya seien dagegen beide Anschläge gelungen.

Überfülltes Krankenhaus
"Dutzende Menschen kommen, um Blut zu spenden, damit die Verletzten überleben", sagte der Bürgermeister des ebenfalls betroffenen Ortes Al-Baaj, Abdul Rahim al-Shammari. Die Verletzten seien in sieben Kliniken in der Region eingeliefert worden. Beim Transport von Verwundeten, die in dem überfüllten Krankenhaus von Sinjar nicht behandelt werden konnten, halfen US-Soldaten. Ein Teil von ihnen wurde nach Dohuk an der Grenze zur Türkei gebracht. Sinjar liegt nahe der syrischen Grenze. An allen betroffenen Orten, wo sich die Anschläge ereigneten, suchten Rettungshelfer unter den Trümmern nach weiteren Opfern.

Opfer zumeist Kurden
Die Jesiden bilden eine Religionsgemeinschaft, deren Wurzeln in die vorislamische Zeit zurückreichen. Ihre Mitglieder sind zumeist Kurden. Etwa 350.000 Jesiden leben in und um Mossul. Die extremistische Organisation Islamischer Staat im Irak hat die Bewohner der Region vor einer Woche auf Flugblättern vor einem Anschlag gewarnt und die Jesiden als anti-islamisch bezeichnet. Auf irakischen Webseiten wurde außerdem ein Video verbreitet, das die Steinigung einer 18-Jährigen im April zeigen soll, die zum Islam übergetreten war. Sunnitische Rebellen drohten den Jesiden daraufhin mit Rache.

Mindestens 30 zerstörte Häuser
Terroristen hatten am Dienstagabend vier mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge zur Explosion gebracht. Hunderte wurden verletzt. Mindestens 30 Häuser wurden zerstört, wie der höchste Regierungsvertreter in dieser Region, Abdul Rahman al Shimiri, mitteilte. Wie die Agentur Aswat al-Irak berichtete, erfolgten die Detonationen der Autobomben beinahe zeitgleich. Anschließend wurde die Siedlung aus Granatwerfern beschossen. An der Aktion zur Versorgung der Verletzten beteiligten sich auch US-Militärhubschrauber.

Al-Kaida wird verantwortlich gemacht
Der Bürgermeister von Sinjar, Dhakil Kassim, machte die Terrororganisation Al-Kaida im Irak für die Anschläge verantwortlich. "Das ist das größte Massaker in der Geschichte von Sinjar. Die Explosionen haben auf einer Fläche von einem Quadratkilometer alles zerstört. [...] Die angegriffenen Leute sind arme Jesiden, die mit dem bewaffneten Konflikt nichts zu tun haben", sagte Kassim. Sinjar liegt in der Nähe der attackierten Siedlungen.

Die Behörden verhängten eine Ausgangssperre rund um den Anschlagsort. Beim Transport von Verletzten halfen US-Soldaten. Ein Teil der Verwundeten wurde nach Dohouk an der Grenze zur Türkei gebracht. Sinjar liegt nahe der syrischen Grenze.

Internationales Entsetzen
Das Weiße Haus bezeichnete die schweren Anschläge als "barbarisch". "Wir verurteilen diese barbarischen Anschläge auf unschuldige Zivilisten", sagte die Sprecherin von US-Präsident George W. Bush, Dana Perino, am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington. Mit den Attentaten zeigten Extremisten, dass sie zum Äußersten bereit seien, um die Entwicklung des Irak hin zu einem stabilen und sicheren Land zu stoppen.

Das Blutbad löste in Bagdad und auch international Empörung aus. Der irakische Staatspräsident Jalal Talabani, ein Kurde, erklärte, dieses "verabscheuungswürdige Verbrechen" sei ein weiterer Beweis dafür, dass der "schwarze Terror" derjenigen, die andere zu Ungläubigen erklärten, niemanden im Irak verschone. Auch der sunnitische Rat der Religionsgelehrten verurteilte den Anschlag. Er machte die "Besatzungstruppen und die Regierung" für den Mangel an Sicherheit verantwortlich und erklärte, hinter der Bombenserie steckten Menschen, die versuchten, "die irakische Landkarte neu zu zeichnen" und die demographischen Verhältnisse zu ändern.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte die Bombenserie aufs Schärfste. "Nichts kann diese wahllose Gewalt gegen unschuldige Zivilisten rechtfertigen", so Ban in einer Erklärung. Er sei über das Ausmaß der Anschläge "schockiert" und spreche den Angehörigen der Opfer sein tiefstes Beileid aus. Ban appellierte erneut an alle irakischen Führer, unabhängig von ihrer politischen oder religiösen Überzeugung zusammenzuarbeiten, um das Leben der Menschen im Irak zu schützen. Es müsse ein Dialog der nationalen Versöhnung eröffnet werden.

Schwerste Terrorakt diesen Jahres
Der Terrorakt vom Dienstagabend war der schwerste seit dem 23. November des vergangenen Jahres. Damals wurden bei der Explosion von fünf Autobomben 215 Bewohner von Sadr City getötet, einem schiitischen Stadtteil von Bagdad. Am 2. März 2004 hatte es mehr als 170 Tote und 550 Verletzte bei Attentaten auf die den Schiiten heilige Stadt von Kerbala und eine Bagdader Moschee gegeben.

Ein Militärsprecher sagte der Agentur Aswat al-Irak, dass auch in der nahe des Unglücksorts gelegenen Siedlung Kar Isir zwei Explosionen schwere Zerstörungen angerichtet hätten. Über eventuelle Opfer aus diesem Gebiet lagen zunächst keine Angaben vor. Bei der Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Tankwagens in Taji bei Bagdad starben unterdessen zehn Zivilisten, eine wichtige Brücke wurde zerstört. Bei Schießereien in Bagdad kamen mindestens elf Menschen ums Leben.

Stellvertretender Ölminister wurde entführt
In Bagdad wurde am Dienstag der stellvertretende irakische Ölminister entführt. Unbekannte bewaffnete Männer hätten den Minister Abdel-Jabar al-Wagaa aus einem Bürogebäude verschleppt, teilte die Polizei mit. Al-Wagaa werde an einem unbekannten Ort festgehalten, hieß es weiter. Wer hinter der Entführung steht, war zunächst unklar.

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