Keine Flucht möglich

40 Österreicher im Kriegsgebiet gefangen

04.01.2009

Elf Österreicher planten ihre Flucht aus dem Gazastreifen - doch sie mussten im Krisengebiet bleiben. Unterdessen traf in Kairo eine EU-Delegation ein.

Zur Vollversion des Artikels
Zur Vollversion des Artikels

Wien. Der Evakuierungsplan kam einen Tag zu spät: Am Sonntag hätten elf österreichische Doppelstaatsbürger den Gazastreifen verlassen sollen - das Außenministerium hatte schon alles vorbereitet. Doch am Nachmittag, als Israel mit dem Artilleriebeschuss begonnen hatte, war in der Botschaft in Tel Aviv sofort klar, dass der Plan verschoben werden musste. „Wir warteten eigentlich nur noch auf grünes Licht von den Israelis, damit der Konvoi die Grenze passieren konnte“, so Botschaftssprecher Arad Benkö.

40 Österreicher
Im Gazastreifen leben laut Außenamt "30 bis 40“ Österreicher mit Doppelpass, alle wohnen in Gaza-Stadt. Einer Region also, die in der Nacht auf Sonntag heftig von Israels Bomben getroffen wurde. Es ist für sie eine schwierige Entscheidung, den Gazastreifen zu verlassen: Oft hat nur ein Familienmitglied einen österreichischen Pass und müsste Angehörige im Kriegsgebiet zurücklassen. „Die Entscheidung, meinen Vater zurückzulassen, war schrecklich“, sagte Karolyn Kata (15), eine Russin, die am Freitag ausreisen durfte.

Nach dem Scheitern des Evakuierungsplans steht die Botschaft nun ständig in telefonischem Kontakt mit den Österreichern. "Den Ausreisewilligen wird nahegelegt, sich für eine rasche Abreise bereit zu halten“, sagt Diplomat Benkö. Für den Fall, dass es eine Kampfpause gibt. Im Falle eines Okays vonseiten der israelischen Sicherheitskräfte müssen die Österreicher das Heilige Land sofort verlassen.

Telefonnetz vor Zusammenbruch
Der Gazastreifen ist nlaut der Telefongesellschaft Paltel bald komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Die seit Tagen andauernden israelischen Luftangriffe und die am Wochenende begonnene Bodenoffensive hätten schwere Schäden am Verbindungsnetz verursacht, erklärte Paltel.

Israel konfiszierte Mobiltelefone
Vor ihrem Einmarsch in den Gazastreifen hat die israelische Armee nach eigenen Angaben die Mobiltelefone tausender Soldaten beschlagnahmt. Sechs Stunden vor Beginn der Bodenoffensive am Samstagabend hätten Infanteristen und andere Streitkräfte ihre Handys abgeben müssen, um den bevorstehenden Einmarsch geheimzuhalten, sagte am Sonntag ein Vertreter der Streitkräfte, der nicht namentlich genannt werden wollte. Das Zensur-Büro der Streitkräfte habe auch den Medien bis zwei Stunden nach Beginn der Offensive verboten, darüber zu berichten.

Bereits zu Beginn der Offensive "Operation Gegossenes Blei" am 27. Dezember hatte Israel Täuschungsmanöver angewandt. So schickte die Armee Soldaten in den Wochenendurlaub, gleichzeitig wurden falsche Informationen über die Termine von Kabinettssitzungen herausgegeben.

Leichen können nicht geborgen werden
Angesichts der schweren Kampfhandlungen im Gazastreifen können die palästinensischen Rettungskräfte nicht mehr alle Toten bergen. Mehr als 50 Menschen seien seit Beginn der israelischen Bodenoffensive getötet worden, sagte ein Sprecher der Gesundheitsbehörde am Sonntag in Gaza. "Viele Leichen können wir wegen des intensiven Beschusses überhaupt nicht mehr bergen. Wenn es einmal ruhig ist, dann werden wir viele Leichen unter Trümmerbergen finden", sagte der Sprecher.

520 Palästinenser getötet
Seinen Angaben zufolge sind seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 27. Dezember mindestens 520 Palästinenser getötet und weitere 2500 verletzt worden. Nach Angaben des Sprechers wurden am Sonntag auch vier palästinensische Sanitäter getötet, die Verletzte aus Häusern bergen wollten.

EU-Delegation vermittelt in Kairo
Eine Delegation der Europäischen Union zum Auftakt einer Vermittlungsmission in Ägypten eingetroffen. Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg sagte am Sonntagabend nach einem Treffen der Delegation mit dem ägyptischen Außenminister Ahmed Abul Gheit in Kairo, Vorrang hätten jetzt die humanitäre Hilfe für die Palästinenser und die Bemühungen um eine Waffenruhe. Eine Waffenruhe sei aber nur dann möglich, wenn vom Gazastreifen aus keine Raketen mehr auf israelisches Gebiet abgeschossen würden.

 

Foto: (c) AP

Die Delegation brach von Prag aus zu ihrer Vermittlungsreise auf - Tschechien hat seit dem 1. Jänner die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der ägyptische Außenminister sagte, die Gespräche seien kompliziert gewesen. Er erklärte, eine arabische Delegation werde Dienstag früh gemeinsam mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in New York erneut versuchen, den Weltsicherheitsrat zu einer Resolution zu bewegen, in der ein Ende der Gewalt in Gaza gefordert wird.

 

Foto: (c) APA

Mit dabei: Benita Ferrero-Waldner
Schwarzenberg war zusammen mit EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und den Außenministern Frankreichs und Schwedens, Bernard Kouchner und Carl Bildt, nach Kairo gereist. Die Delegation soll am Montag mit Ägyptens Präsident Husni Mubarak zusammentreffen, bevor sie nach Jerusalem, Ramallah und Amman weiterreist. An dem Treffen mit Mubarak werde auch EU-Chefdiplomat Javier Solana teilnehmen, hieß es. Solana sprach sich in einem Interview mit dem britischen Sender BBC unterdessen für eine Feuerpause aus.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel