Nach Rice-Treffen
Abbas will vorgezogene Wahlen
03.05.2008
US-Außenministerin Rice ist in Friedensmission im Nahen Osten. Um den Konflikt mit der Hamas beizulegen, will Abbas nun vorgezogen Wahlen.
Zur Beilegung des innerpalästinensischen Konfliktes zwischen seiner Fatah-Organisation und der radikal-islamischen Hamas-Bewegung, die den Gaza-Streifen beherrscht, hat sich sich Präsident Mahmoud Abbas nach einem Gespräch mit US-Außenministerin Condoleezza Rice am Sonntag für vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ausgesprochen. Diese sind ursprünglich erst 2009 beziehungsweise 2010 geplant.
"Wollen Erfolg haben"
Nach den Worten von Abbas ist
nach rund vier Monaten Verhandlungen mit Israel seit der US-initiierten
Nahost-Konferenz von Annapolis im vorigen November noch nicht ein einziges
Wort für die bis zum Jahresende geplante Friedensvereinbarung aufgeschrieben
worden. Allerdings gebe es bei den sechs Hauptproblemen zu 90 Prozent eine
Verständigung. Abbas fühlt sich nach eigenen Worten weiterhin den
Friedensgesprächen verpflichtet. "Wir wollen Erfolg haben (...) Lasst uns
nicht an ein Scheitern denken", sagte er. Abbas will am Montag mit dem
israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in Jerusalem zusammentreffen,
den Rice schon zuvor getroffen hatte.
Bei den palästinensischen Parlamentswahlen vom Jänner 2006 hatte die Hamas die Mehrheit erhalten. Weil die radikal-islamische Organisation jedoch Auflagen des Nahost-Quartetts ablehnt, ist sie international isoliert worden. Eine spätere Regierung der nationalen Einheit scheiterte wegen des blutigen Machtkampfes zwischen der Fatah und der Hamas. Zu den internationalen Forderungen an die Hamas gehören die Anerkennung des Existenzrechts Israels, die Aufgabe von Gewalt und Terror sowie die Anerkennung aller bisher zwischen Israel und den Palästinensern ausgehandelten Abkommen. Die Hamas drohte Israel am Sonntag mit einer neuen Welle der Gewalt, falls die Regierung in Jerusalem ein Angebot für eine befristete Waffenruhe nicht annehmen sollte.
Rice will Friedenabkommen
Außenministerin Condoleezza Rice sagte
am Sonntag in Ramallah, bei ihrem 15. Nahost-Besuch binnen zwei Jahren, das
Ziel eines Friedensabkommens bis Ende des Jahres sei immer noch erreichbar.
Appell an Isreal
Die Ministerin forderte Israel nach einem
Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas auf, keine
vollendeten Tatsachen zu schaffen, die einem Vertrag im Wege stehen könnten
- eine deutliche Anspielung auf den Ausbau der jüdischen Siedlungen im
Westjordanland. Auch kritisierte sie, dass Israel nicht genug unternehme, um
das Leben der Palästinenser im Westjordanland zu erleichtern. Dabei sprach
sich Rice erneut für den Abbau von israelischen Straßensperren aus. Nach
Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'tselem gibt es im
Westjordanland mehr als 500 Sperren und Kontrollposten.
In Jerusalem kam die US-Außenministerin in der Früh mit dem israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak zusammen, der für die Kontrollstellen verantwortlich ist. Rice wird am Sonntagnachmittag außerdem noch in Jerusalem mit Außenministerin Tzipi Livni sprechen. Rice traf am Samstagabend in Israel ein. Unmittelbar nach ihrer Landung auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv begab sie sich zu einem Abendessen mit Ministerpräsidenten Ehud Olmert nach Jerusalem.
Olmert in Bedrängnis
Olmert ist unterdessen wegen eines
mittlerweile vierten Korruptionsverfahrens politisch in Bedrängnis geraten. "Das
könnte das Ende sein", schrieb die Zeitung "Maariv" am
Sonntag. Trotz einer Nachrichtensperre der Ermittler sickerte durch, es
handle sich um eine "schwerwiegende" Angelegenheit, die auf die
Zeit vor Olmerts Amtsantritt 2006 zurückgehe. Während Abgeordnete der
Opposition und aus Olmerts Koalition seine Suspendierung verlangten,
verließen drei Parlamentarier das Regierungsbündnis wegen der Affäre. Der
Regierungschef war am Freitag erneut von der Staatsanwaltschaft vernommen
worden.
Olmert kritisierte am Sonntag eine "böswillige" Kampagne gegen ihn. Er habe mit den Ermittlern zusammengearbeitet und auf alle ihre Fragen geantwortet, sagte er vor der wöchentlichen Kabinettssitzung. Er äußerte sich zuversichtlich, dass die Gerüchte über die neue Affäre aufhören werden, "sobald die Angelegenheit im richtigen Kontext dargestellt" werde. "Bis dahin haben wir eine nationale Tagesordnung, und ich habe Prioritäten als Ministerpräsident", sagte Olmert. Er beabsichtige, seine "Verantwortung weiter zu tragen", betonte er. Beobachteter werteten es dagegen als Zeichen seiner geschwächten Position, dass er mehrere Interviews zum 60. Jahrestag der Gründung Israels am Sonntag absagte.
Keine Ende der Gewalt
Presseberichten zufolge geht es bei den
Ermittlungen möglicherweise um illegale Wahlkampfspenden eines
US-Geschäftsmannes für Olmert, um betrügerische Immobilien-Transaktionen und
um die Ernennung von Günstlingen auf wichtige Verwaltungsposten. Olmerts
frühere Bürochefin Shula Saken wurde dem staatlichen Hörfunk zufolge in den
vergangenen Tagen vernommen und unter Hausarrest gestellt. "Die Polizei
ist überzeugt, dass sie über handfeste Indizien für die Verwicklung des
Regierungschefs verfügt", berichtete der staatliche Hörfunk am
Sonntag.
Die Gewalt im Nahen Osten fand auch am Wochenende kein Ende. Ein mit einem Messer bewaffneter Palästinenser wurde an einem Kontrollpunkt bei Hebron im südlichen Westjordanland erschossen. Der 30-Jährige habe einen israelischen Soldaten angegriffen, teilten die Streitkräfte mit. Im südlichen Gaza-Streifen kam es am Sonntag erneut zu Kämpfen zwischen israelischen Truppen und bewaffneten Palästinensern. Dabei wurde nach Angaben von Sanitätern ein 36-jähriger palästinensischer Bewohner erschossen.
Die radikal-islamische Hamas drohte Israel mit einer neuen Welle der Gewalt, falls die Regierung in Jerusalem ein Angebot für eine befristete Waffenruhe nicht annehmen sollte. Die Eskalation der Gewalt werde beispiellos sein, sagte Hamas-Führer Sami Abu Zuhri am Sonntag in Gaza.
In der Stadt Jenin gingen indessen am Samstag mehrere hundert palästinensische Polizisten in Position. Präsident Abbas will damit demonstrieren, dass seine Regierung die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen kann. Nach Nablus ist Jenin die zweite Stadt, in der die palästinensische Polizei Präsenz zeigt. Als dritte Stadt ist Hebron geplan.