Im dritten Anlauf
Abdullah Gül neuer Präsident der Türkei
27.08.2007
Abdullah Gül ist neuer Präsident der Türkei. Ein Novum gab es bei der Feier: Alkohol wurde ausgeschenkt.
Der von seinen Gegnern als Islamist kritisierte neue türkische Staatschef Abdullah Gül hat wenige Stunden nach seinem Amtsantritt mit einer protokollarischen Entscheidung Aufmerksamkeit erregt: Bei einem Empfang Güls für Gratulanten nach seiner Amtseinführung am Dienstagabend sei im Präsidentenpalast von Ankara auch Alkohol angeboten worden, berichteten türkischen Medien am Mittwoch. Fernsehbilder zeigten Kellner im Präsidentenamt mit Champagnergläsern auf den Tabletts. Auch Wein sei angeboten worden, berichteten die Zeitungen.
Frommer Moslem
Gül ist ein frommer Moslem, der selbst keinen Alkohol trinkt, hat aber mehrmals betont, dass seine Religion für ihn eine Privatsache sei, die er nicht auf die Gesellschaft übertragen wolle. Zu den Gästen Güls gehörten Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Minister aus seiner fromm-konservativen Regierungspartei AKP sowie Wirtschaftsvertreter und Journalisten. Bei den Teilnehmern des Empfangs stießen Champagner und Wein den Berichten zufolge nicht auf Interesse. Die Gäste hätten sich an Fruchtsaft gehalten, berichtete der türkische Fernsehsender NTV.
Der bisherige türkische Außenminister Abdullah Gül ist am Dienstag kurz nach seiner Wahl zum neuen Staatsoberhaupt des Landes vereidigt worden. Zuvor hat das türkische Parlament am Dienstag den bisherigen Außenminister Abdullah Gül zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Der 56-Jährige erhielt im dritten Durchgang 339 von 550 Stimmen, deutlich mehr als die erforderliche einfache Stimmenmehrheit. Der Politiker der gemäßigt-islamischen AKP von Regierungschef Recep Tayyip Erdogan wird damit Nachfolger von Ahmet Necdet Sezer. Gül ist der erste türkische Präsident aus dem religiösen Lager. Er sollte noch am Dienstag vereidigt werden. Erdogan kündigte an, Gül am Mittwoch seine Kabinettsliste zur Billigung vorzulegen. Sezer hatte dies verweigert.
Lesen Sie hier: So viel Macht hat der türkische Präsident
Keine notwendige Mehrheit in ersten Wahlgängen erreicht
In den ersten beiden Wahlgängen hatte Gül nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit auf sich vereinen können, im dritten Anlauf reichte die einfache Mehrheit von mindestens 276 Stimmen. Güls AKP stellt derzeit 340 Abgeordnete im Parlament. Die zwei Gegenkandidaten waren chancenlos: Sabahattin Cakmakoglu von der nationalistischen MHP erreichte 70, Hüseyin Tayfun Icli von der Mitte-links-Partei DSP 13 Stimmen. Im Frühjahr hatte die Opposition Güls erste Kandidatur durch einen Boykott zu Fall gebracht und eine Staatskrise ausgelöst. Die größte Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) blieb der Abstimmung auch diesmal fern.
Gegner werfen Gül vor, er wolle als Präsident einer Islamisierung der Türkei Tür und Tor öffnen; sie tun sich überdies schwer damit, dass Güls Ehefrau Hayrünnisa aus religiöser Überzeugung das Kopftuch trägt. Gül hatte jedoch wiederholt erklärt, er wolle unparteiischer Präsident aller Türken werden und bekräftigt, er stehe fest hinter der Trennung von Religion und Staat.
Erdogan zufrieden
Erdogan begrüßte die Wahl seines engsten Vertrauten Gül und sagte: "Ich plane, ihm die neue Kabinettsliste morgen vorzulegen." Die anhaltende Ungewissheit habe die Regierung ebenso wie das türkische Volk verärgert, sagte der Premier. Er hoffe, dass diese Spannungen nun überwunden seien. Sezer hatte es vor knapp zwei Wochen abgelehnt, die Ministerliste abzusegnen, obwohl er sie nach Angaben des Regierungschefs nicht einmal angeschaut hatte. In der Vergangenheit hatte Sezer mehrmals die Berufung höherer Beamter verweigert, wenn er sie als Anhänger der islamisch geprägten Regierung ansah. Auch legte Sezer sein Veto gegen Gesetze ein, die seiner Ansicht nach der Trennung von Staat und Religion zuwiderliefen.
Glückwünsche von Seiten der EU
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso beglückwünschte Gül. Er hoffe nun auf "neuen Schwung" für den EU-Beitrittsprozess der Türkei und auf "Fortschritte in einer Reihe von Schlüsselbereichen". Die Beitrittsverhandlungen laufen derzeit nur stockend. Grund ist die nach wie vor ungelöste Zypern-Frage. Ankara weigert sich, seine Häfen und Flughäfen für das EU-Mitglied Zypern zu öffnen, dessen Regierung es nicht anerkennt.
Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, forderte im Berliner "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe), die Türkei dürfe sich nicht nur zu europäischen Werten bekennen, sondern müsse diese auch verwirklichen. Der türkischstämmige deutsche Europaabgeordnete Cem Özdemir (Grüne) rief Gül auf, Ängste vor einer Islamisierung der Türkei abzubauen. "Der neue türkische Staatspräsident Abdullah Gül wird gut beraten sein, in seiner neuen Funktion die Trennung von Staat und Religion weiterzuführen," betonte auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek. Sie forderte Gül auf, der Stärkung der Frauenrechte besonderes Augenmerk zu schenken.
Armee will Staat gegen islamistische Angriffe schützen
Am Montag hatte die türkische Armee ihre Bereitschaft zur Verteidigung des säkularen Staates bekräftigt. Die Streitkräfte würden den Staat weiter gegen Angriffe von Islamisten und Unabhängigkeitskämpfern verteidigen, erklärte Armeechef Yasar Büyükanit, der in diesem Zusammenhang von "Zentren des Bösen" sprach.
Das türkische Staatsoberhaupt hat nur wenige konkrete Befugnisse. Das Amt wird von der Verfassung als das einer überparteilichen Autorität beschrieben, deren politischer Einfluss mehr in der Persönlichkeit des Amtsinhabers als in tatsächlichen Zuständigkeiten liegt. Nach seiner Wahl muss der Präsident alle seine Verbindungen zu seiner politischen Partei abbrechen und sein Abgeordnetenmandat aufgeben.