NATO
Afghanistan-Einsatz wird ausgedehnt
28.09.2006
In Kürze sollen die 10.000 US-geführten Soldaten im Osten unter das Kommando der ISAF gestellt werden, die bereits im Rest des Landes vertreten ist.
Die NATO will ihren immer gefährlicheren Afghanistan-Einsatz schnell auf das ganze Land ausdehnen. "Sobald es praktikabel ist" sollen nach einer von den NATO-Botschaftern am Morgen in Brüssel vorbereiteten Vereinbarung die mehr als 10.000 US-geführten Soldaten im Osten unter das Kommando der NATO-geführten Internationalen Schutztruppe (ISAF) gestellt werden. Dies könne in den kommenden zwei Wochen geschehen, hieß es in NATO-Kreisen. Die ISAF ist bereits im Norden, Westen und Süden vertreten, um die Zentralregierung in Kabul und neue zivile Strukturen zu stützen. Von der Übernahme der Truppen im Osten versprechen sich NATO-Militärs mehr Flexibilität im Kampf gegen aufständische Taliban-Gruppen im Süden Afghanistans. Dort stößt die ISAF auf stärkeren Widerstand als erwartet und war zuletzt in heftige Kämpfe verwickelt.
Änderung des Einsatzes gefordert
Der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung forderte die NATO auf, sich stärker auf Wiederaufbau und Sicherheit zu konzentrieren. "Das Konzept muss lauten: Sicherheit und Wiederaufbau", sagte Jung. "Die Menschen müssen sehen, dass wir nicht Besatzer sind, sondern dass wir da sind, um ihnen zu helfen." Dann werde die Zustimmung in der Bevölkerung zu dem NATO-Einsatz wachsen. "Die Strategie der NATO muss insgesamt in diese Richtung aus meiner Sicht geändert werden", sagte Jung. Auch Italien und Großbritannien teile seine Einschätzung, sagte Jung, der sich zuversichtlich zeigte, dass auch die USA für eine Änderung des NATO-Einsatzes bereit seien.
Jung räumte ein, dass die Lage für die Truppen schwieriger geworden sei: "Tatsache ist, dass sich die Lage verschärft hat." Das liege daran, dass der Einsatz der Schutztruppe auf das ganze Land ausgedehnt werde. Vor allem Drogenbarone würden sich dagegen mit terroristischen Angriffen wehren. Seit Anfang des Jahres sind fast 140 ausländische Soldaten in Kämpfen oder bei Unfällen in Afghanistan getötet worden, die meisten davon Amerikaner, Briten und Kanadier. In Berlin entscheidet der Bundestag über die Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz in Afghanistan. Die Zustimmung gilt als sicher. Die bis zu 3000 deutschen Soldaten sollen weiterhin nur im relativ ruhigen Norden des Landes und in der Hauptstadt Kabul eingesetzt werden können.
Taliban-Verbindungen zu Al Kaida
Die Taliban in Afghanistan profitieren laut einem UN-Bericht weiterhin von engen Beziehungen zu Al-Kaida und anderen ausländischen Terrorgruppen. Darauf deute beispielsweise die Tatsache hin, dass neue Sprengsätze innerhalb eines Monats nach ihrem ersten Einsatz im Irak auch in Afghanistan auftauchten, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Sicherheitsratsausschusses, der die UN-Sanktionen gegen Al-Kaida und die Taliban überwacht. Die Studie bezieht sich auf Aktivitäten in den vergangenen sechs Monaten.
Die Taliban kämpften zwar offenbar nicht außerhalb Afghanistans und Pakistans, es gebe aber Berichte, dass sie im Irak und in Somalia ausgebildet würden. "Die Gewalt in Afghanistan ist beträchtlich gestiegen, und im Irak hat sie nicht nachgelassen, wobei der Beitrag von Al-Kaida weiter in keinem Verhältnis zu ihrer Größe steht" , schreiben die Autoren des 51-seitigen Berichts. Den Taliban sei es gelungen, mit der Ermordung ihnen nicht angehörender Imame, Lehrer und moderater Stammesführer frühere Fortschritte zu untergraben. Die ideologische Unterstützung für die Taliban möge zwar gering sein, doch hätten eine hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger, Analphabetismus und ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit Bauern sowohl für Versprechungen als auch für Einschüchterungsversuche der Taliban empfänglich gemacht.