Iran-Krise
Ahmadinejad weist Obamas Kritik zurück
21.06.2009
Teheran kontert dem Westen - und weist Obamas Kritik scharf zurück.
Der iranische Staatschef Mahmoud Ahmadinejad hat die USA und Großbritannien aufgefordert, sich nicht länger in die inneren Angelegenheiten seines Landes einzumischen. Mit "übereilten Äußerungen" machten sie sich nicht zu Freunden der iranischen Nation, erklärte Ahmadinejad am Sonntag auf seiner Website. "Aus diesem Grund fordere ich Sie auf, Ihre Einmischungen zu unterlassen."
13 Tote
Bei den Unruhen in der iranischen Hauptstadt Teheran sind
nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens am Samstag 13 Menschen ums
Leben gekommen. Die Menschen seien bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei
und "Terroristen" getötet worden, berichtete der Sender Press-TV
am Sonntag. Die iranische Staatsmacht war am Samstag erneut mit aller Härte
gegen die anhaltenden Proteste gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahl
vorgegangen.
Bei den Toten handelt es sich offenbar aber nicht um die Opfer eines Brandes in einer Moschee, wie ursprünglich zu vermuten war.
Rafsandschani-Tochter verhaftet
Bei den Unruhen in Teheran am
Samstag haben die Sicherheitskräfte auch die Tochter des früheren
Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani festgenommen. Faezeh Hashemi sei
ebenso wie vier ihrer Verwandten verhaftet worden, als sie Demonstranten "aufgehetzt"
habe, berichtete die Nachrichtenagentur Fars am Sonntag.
Rafsanjani ist nach wie vor einer der einflussreichsten Männer in der Führung der Islamischen Republik, gilt aber als Reformer und ist ein Gegner des amtierenden Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad.
Obama richtet Appell an die Mullahs
US-Präsident Barack Obama
hat unterdessen die iranische Führung zur Mäßigung aufgerufen. "Wir
rufen die iranische Regierung auf, alle gewalttätigen und unberechtigten
Handlungen gegen die Menschen im eigenen Land zu stoppen", forderte
Obama am Samstagabend in einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung. "Die
iranische Regierung muss erkennen, dass die Welt auf sie blickt." Zuvor
war es in Teheran bei Protesten von Oppositionsanhängern erneut zu schweren
Zusammenstößen gekommen.
Respekt
Obama betonte, es sei ein Irrtum zu glauben, man könne
Ideen aus der Welt schaffen, indem man sie unterdrückt. Letztlich würden die
Menschen im Iran die Handlungen ihrer eigenen Regierung bewerten. "Wenn
die iranische Regierung den Respekt der internationalen Gemeinschaft sucht,
dann muss sie die Würde ihres eigenen Volkes respektieren und auf Konsens
statt auf Zwang setzen."
Der iranische Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi forderte die Machthaber in Teheran nachdrücklich auf, friedliche Kundgebungen zu erlauben. "Wenn den Menschen friedliche Mittel zur Verteidigung ihrer legitimen Rechte untersagt werden, dann ergreifen sie gefährlichere Maßnahmen", warnte er in einer Erklärung am Abend. Moussavi bekannte sich außerdem ausdrücklich zum religiösen Staatssystem seines Landes. "Wir sind nicht gegen das islamische System und seine Gesetze, sondern gegen Lügen und Abweichungen, und wir wollen es nur reformieren", schrieb er auf seiner Website.
"Märtyrertod"
Moussavi sagte nach Angaben seiner
Anhänger, er werde seinen Kampf fortsetzen. Er sei "bereit, dafür
zum Märtyrer" zu werden. "Wenn sie mich verhaften, dann
sollten alle streiken und die Arbeit niederlegen." Zugleich bekräftigte
er seine Forderung, die Präsidentschaftswahl für ungültig zu erklären und
die Abstimmung zu wiederholen.
Der ehemalige Ministerpräsident hatte die Präsidentenwahl vom 12. Juni nach offiziellen Angaben gegen Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad verloren, spricht jedoch von Wahlbetrug. Das geistige Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, hat das Ergebnis für rechtens erklärt, sich hinter Ahmadinejad gestellt und ein Ende der Demonstrationen gefordert.
Proteste
Auch am Samstag gingen Anhänger Moussavis trotz Verbots
und eindringlicher Warnungen auf die Straßen. Augenzeugen berichteten von
massiven Auseinandersetzungen von Oppositionsanhängern mit
Sicherheitskräften und Gefolgsleuten Ahmadinejads. Nach unbestätigten
Berichten gab es mehrere Verletzte. Die Polizei ging mit Tränengas,
Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen Kundgebungsteilnehmer vor und soll in
die Luft geschossen haben, um die Demonstranten auseinander zu treiben. Die
Berichterstattung in- und ausländischer Medien war erneut massiv behindert.
In einem Brief an den mächtigen Wächterrat schrieb Moussavi am Samstag, die Verfälschung des Wahlergebnisses sei Monate im Voraus geplant gewesen. Vor allem kritisierte er die Unterbrechung von Kommunikationsnetzen wie Internet und SMS am Wahltag und sprach von einem "empörenden Schritt". Mit seiner neuerlichen Kritik setzte er sich demonstrativ über Khamenei hinweg, der als höchste Autorität im Iran am Freitag das Wahlergebnis bestätigt hatte.
Verwirrung um Selbstmord-Anschlag
Für
eine weitere Zuspitzung sorgten Berichte staatlicher Medien, wonach sich ein
Selbstmordattentäter vor dem Mausoleum von Ayatollah Khomeini im Süden
Teherans in die Luft gesprengt hat. Dabei soll der Attentäter einen
weiteren Menschen mit in den Tod gerissen und acht andere verletzt haben.
Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Ob ein
Zusammenhang mit den Massenprotesten besteht, war unklar. Das Mausoleum des
islamischen Revolutionsführers Khomeini gilt vielen Iranern als Heiligtum.
In Erwartung neuer Proteste waren in ganz Teheran starke Spezialeinheiten der Polizei aufgezogen. Sicherheitskräfte versuchten, Demonstranten am Vordringen in die Innenstadt zu hindern. Dort gelang es der Polizei nach Angaben von Beobachtern, mehrere hundert Demonstranten zu zerstreuen, die vor Tränengas und Wasserwerfern in Seitenstraßen flüchteten. Auch in Europa demonstrierten erneut tausende Exiliraner gegen die Wiederwahl Ahmadinejads. Allein in der Nähe von Paris waren es Zehntausende.