Gemäß Einigung soll die Kontrolle über Polizei und Justiz von London an Belfast übertragen werden. Belfast soll außerdem einen eigenen Justizminister bekommen.
Die in eine tiefe Krise geratene Allparteien-Koalition in Nordirland ist gerettet: Nach den irisch-nationalistischen Katholiken akzeptierten auch die pro-britischen Protestanten einen entsprechenden Kompromiss. Am Freitag stellten der britische Premierminister Gordon Brown und sein irischer Amtskollege Brian Cowen den nach zehntägigen Marathonverhandlungen erzielten Durchbruch in Belfast der Öffentlichkeit vor. Brown sagte, die Einigung sei in einem neuen Geist gegenseitigen Respekts erzielt worden. Cowen sprach von einem wichtigen Schritt für Frieden, Stabilität und Sicherheit.
Neu zu gründendes Justizministerium
Der Einigung zufolge
soll das nordirische Parlament am 9. März einen Justizminister wählen, und
Großbritannien wird die Zuständigkeit für Recht und Ordnung am 12. April
einem neu zu gründenden Justizministerium in Belfast übertragen. Richter und
der Kommandant der Polizei bleiben unabhängig von der Regierung. Außerdem
soll ein Ausschuss gebildet werden, der bis zum 23. Februar Empfehlungen für
eine Reform der alljährlich stattfindenden protestantischen Oranier-Märsche
vorlegen soll. Ferner soll sich ein Allparteienausschuss mit den
Dauerstreitpunkten in der Regierung befassen. Ziel ist, dass alle Parteien
wichtige Entscheidungen künftig mittragen.
Lange Verhandlungen
Der Vorsitzende der Democratic Unionist Party
(DUP), Peter Robinson, hatte die Einigung in der Nacht verkündet. Robinson
rechtfertigte die langen Verhandlungen, die in der Öffentlichkeit auf Kritik
gestoßen waren. Nur so habe ein ausgereiftes Abkommen erzielt werden können,
sagte der DUP-Chef. Sinn Fein, die Partei der irisch-nationalistischen
Katholiken, hatte bereits am Donnerstag erklärt, sie unterstütze den Plan.
Brown: "Neues Kapitel"
Brown, der mit Cowen nach
Belfast gereist war, erklärte: "Dies ist das letzte Kapitel einer langen und
problematischen Geschichte und der Beginn eines neuen Kapitels nach
Jahrzehnten der Gewalt, jahrelangen Gesprächen und Wochen des Stillstands."
Robinson und sein Stellvertreter Martin McGuinness (Sinn Fein) begrüßten die
Einigung. Protestanten und Katholiken sollten im gegenseitigen Respekt
leben, sagte McGuinness. "Wir müssen das Leben für unsere Kinder und
Enkelkinder besser machen." Der britische Nordirland-Minister Shaun Woodward
erklärte, die Einigung sei das "letzte Puzzlestück" im Friedensprozess.
Proteste gegen Sinn Fein
Sinn Fein hatte ein konkretes Datum
gefordert, bis zu dem die britische Regierung die Kontrolle über Polizei und
Justiz auf die Selbstverwaltung in Belfast überträgt, andernfalls wollte sie
sich aus der Koalition zurückziehen und die Regierung damit zum Scheitern
bringen. Wegen der langjährigen Verbindungen der Partei zur
Untergrundorganisation IRA störten sich viele Protestanten jedoch an dem
Gedanken, dass Sinn Fein ein Mitspracherecht in Sicherheitsfragen haben
sollte. Die DUP blockierte deshalb in den vergangenen zwei Jahren die
geplante Gründung eines Justizministeriums in Belfast.
Sex-Affäre
Verschärft wurde die Krise durch den
vorübergehenden Rücktritt von Robinson, nachdem eine Affäre
seiner Frau um Sex und Geld aufgeflogen war. Auch die britische und die
irische Regierung mussten sich in den Streit einschalten. Die beiden
Premiers drohten damit, selbst einen Plan für die Neuregelung für Polizei
und Justiz in Nordirland aufzustellen, wenn die dortigen Parteien sich nicht
einigten.
Karfreitagsabkommen
Die pro-irische katholische Sinn Fein und die
pro-britische Protestantenpartei DUP regieren seit 2007 gemeinsam in
Nordirland. Die jahrzehntelange Gewalt zwischen Katholiken und Protestanten
war durch das von Großbritannien und Irland vermittelte Karfreitagsabkommen
im Jahr 1998 weitgehend beendet worden.