Der Ex-Chef der bulgarischen Atomaufsicht Gueorgui Kastchiev ist gegen das AKW Belene. NGO's werfen der beurteilenden EU-Kommission Nachlässigkeit vor.
Die Kritik verschiedener Nichtregierungsorganisationen an der bulgarischen Regierung rund um das im Bau begriffene Atomkraftwerk Belene im Norden Bulgariens hat Brüssel erreicht. Der ehemaliger Leiter der bulgarischen Atomaufsicht, Gueorgui Kastchiev, hat am Freitag auf einer Pressekonferenz in der belgischen Hauptstadt eine "lange Liste von Problemen" präsentiert. Das AKW soll in einem Erdbebengebiet gebaut werden, wie die NGOs in einer Aussendung hinweisen. "Ich bin der Meinung, dass das Atomkraftwerk Belene so schnell wie möglich gestoppt werden muss", sagte Kastchiev.
EU-Kommission plant Beurteilung
Die Warnung des Atomexperten
kommt zu einem Zeitpunkt, da die Stellungnahme der Europäischen Kommission
zu Belene vorbereitet wird. Die für Anfang Dezember erwartete Beurteilung
durch die Kommission ist zwar nicht verbindlich, trotzdem hoffe die
bulgarische Regierung auf eine positive Stellungnahme als Voraussetzung für
finanzielle Unterstützung durch die EU, heißt es in der Aussendung.
Kein AKW ohne Euratom-Geld
"Die Bedeutung der Stellungnahme ist
nicht zu unterschätzen. Das Projekt hat große finanzielle Schwierigkeiten
und ohne Euratom-Geld kann es kaum fertig gestellt werden", erklärte Jan
Haverkamp von Greenpeace. Gemeinsam mit Kastchiev, inzwischen leitender
Atomexperte am Institut für Risikoanalyse der Universität Wien, Petko
Kovatchev von der bulgarischen "Nein zu Belene"-Koalition und Heffa
Schücking von der Umweltorganisation "urgewald" wollte Kastchiev am Freitag
Vertreter der Europäischen Kommission treffen.
Sieben Mrd. Euro Investition in AKW
Am Montag erst hatten
deutsche Unternehmer sich nach Gesprächen mit der bulgarischen Führung in
Sofia an einer Zusammenarbeit bei Belene interessiert gezeigt, wie der
Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold,
bestätigte. Auch der italienische Energiekonzern Enel plant Investitionen im
Wert von sieben Milliarden Euro zum Bau des neuen Atomkraftwerkes.
AKW in den 80er-Jahren geplant
Das in Bau befindliche AKW nahe
der Stadt Belene in Nordbulgarien hat viel Vorlaufzeit hinter sich: Das
Kraftwerk wurde in den achtziger Jahren geplant, dann wurde mit dem Bau
begonnen. In den neunziger Jahren wurde das Projekt gestoppt, im Jahr 2002
wieder aufgenommen. Vier Jahre später beauftragte die bulgarische Regierung
den russischen Konzern Atomstroyexport damit, zwei Reaktoren zu bauen.
Momentan ruht der Bau erneut, da Privatbanken kein Geld geben wollen.
"Nicht tolerierbares Sicherheitsrisiko"
Für Kastchiev
"stellt Belene ein nicht tolerierbares Sicherheits-und Umweltrisiko dar. Die
fehlende Betriebserfahrung mit dem geplanten Reaktortyp, der Mangel an
qualifiziertem Personal und effektiven Kontrollen wird zweifellos zu
schlecht ausgeführten Bauarbeiten führen", kritisierte er. "Wenn man das
hohe seismische Risiko der Bauregion und das niedrige Atom-Sicherheitsniveau
in Bulgarien zusammen nimmt, kann man nur zu einem Schluss kommen: Dieses
Projekt darf nicht weitergeführt werden."
"AKW sollte Alarmglocken bei der Kommision klingeln lassen"
An
die EU-Kommission gerichtet, erklärte Kastchiev, der von 1997 bis 2001 Chef
der bulgarischen Atomsicherheitsbehörde war: "Es sollte die Alarmglocken bei
der Kommission klingeln lassen, dass die bulgarischen Behörden das
Erdbebenrisiko einfach abstreiten". Auch die Umweltschutzorganisation Global
2000 kritisiert neben dem slowakischen Kernkraftwerk Mochovce und
Ausbauplänen in Libyen besonders das AKW Belene.