Warnung Musharrafs
"Atomwaffen können in falsche Hände fallen"
16.11.2007
Der pakistanische Präsident erteilte dem US-Gesandten eine Abfuhr. Die USA wollen eine moderate Allianz schmieden.
Pakistans Atomwaffen könnten nach den Worten von Staats- und Armeechef Pervez Musharraf in die falschen Hände fallen, wenn es bei den für Jänner geplanten allgemeinen Wahlen zu Unruhen kommen sollte. Solange er die Verantwortung für die Armee habe, werde dies nicht geschehen, betonte der enge Verbündete der USA in deren Kampf gegen den Terrorismus in einem am Samstag ausgestrahlten Interview des britischen Senders BBC. Der Oppositionsführerin Benazir Bhutto warf er gleichzeitig vor, gezielt Unruhe zu stiften: "Sie nimmt eine vollkommen konfrontative Haltung ein". Musharraf hatte den vor zwei Wochen verhängten Ausnahmezustand mit der wachsenden Gefahr durch islamische Extremisten gerechtfertigt.
USA glauben an sichere Atomwaffen
Nach Darstellung der USA sind
Pakistans Atomwaffen dennoch sicher. Derzeit habe man diesbezüglich in
Washington keine Bedenken, hatte ein Pentagon-Sprecher vor einigen Tagen
erklärt. Islamabad hatte verärgert auf Informationen über Pläne der
US-Regierung zur Sicherung der pakistanischen Atomwaffen reagiert. Im
Hinblick auf die Forderung von US-Präsident George W. Bush, Musharraf müsse
als Armeechef zurücktreten, meinten politische Beobachter, eine effektive
Trennung von politischer und militärischer Führung hätte zur Folge,
Pakistans Atomwaffen unter zivile Oberhoheit zu stellen, was nicht im
Interesse Washingtons läge. Der Besitz von Atomwaffen könnte der Armeespitze
so als Rechtfertigung dienen, ihre derzeitige Machtfülle zu bewahren. Die
"New York Times" hatte am Freitag geschrieben, in der US-Administration
beginne man zu verstehen, dass Musharraf "Teil des Problems geworden ist".
Warnung von Negroponte
US-Vizeaußenminister John Negroponte hat
den pakistanischen Militärmachthaber Pervez Musharraf vor einer "Konfrontation"
mit Oppositionsführerin Benazir Bhutto und den gemäßigten Kräften gewarnt.
Dadurch würden allein die Extremisten im Lande gestärkt, sagte Negroponte am
Samstag nach pakistanischen Angaben bei seinem Treffen mit dem Staatschef in
Islamabad. Musharraf, dessen Regime seit 2001 von Washington Zuwendungen von
zehn Milliarden Dollar erhalten hat, wies die Forderung nach einer
sofortigen Aufhebung des vor zwei Wochen verhängten Ausnahmezustands erneut
zurück. Nach Angaben eines Mitarbeiters sagte der Staats- und Armeechef, er
werde versuchen, den Ausnahmezustand so schnell wie möglich zu beenden; er
könne jedoch kein Datum nennen.
Appell an Butto
Auch an Bhutto, die sich nach viertägigem
Hausarrest wieder frei bewegen konnte, appellierte Negroponte in einem
Telefongespräch, sich kooperativ zu zeigen. Er habe bekräftigt, wie wichtig
es sei, dass die moderaten Kräfte in Pakistan zusammenarbeiten. Nach
anfänglicher Annäherung war die Vorsitzende der Pakistanischen Volkspartei
(PPP) und frühere Premierministerin auf Distanz zu Musharraf gegangen und
hatte zum "Kampf der Demokratie gegen die Diktatur" aufgerufen.
Die pakistanische Regierung hatte am Freitag den Hausarrest gegen Bhutto
aufgehoben. Die USA befürchten, die innenpolitische Krise in Pakistan, das
über Atomwaffen verfügt, könnte islamistischen Kräften in die Hände spielen.
USA arbeiten an Nach-Musharraf-Ära
In US-Regierungskreisen
wird laut "New York Times" hinter den Kulissen bereits an Plänen
für die Nach-Musharraf-Ära gearbeitet. Washington hatte auf eine
Verständigung zwischen dem Militärmachthaber und Bhutto gesetzt, doch hat
die PPP-Vorsitzende inzwischen den Abbruch ihres Dialogs mit Musharraf über
eine etwaige Machtteilung verkündet. Bhuttos Heimkehr nach achtjährigem Exil
war erst möglich geworden, nachdem Musharraf auf US-Druck die gegen sie
erhobenen Korruptionsanklagen per Dekret für nichtig erklärt hatte.
Übergangsregierung vereidigt
Musharraf hatte am Freitag
eine Übergangsregierung unter seinem Gefolgsmann Mohammedmian Soomro
vereidigt. Das Interims-Kabinett unter dem bisherigen Oberhausvorsitzenden
soll bis zur Parlamentswahl im Amt bleiben. Zugleich bekräftigte Musharraf,
dass er am 9. Jänner als Termin für die Wahlen festhalte. Er warf Benazir
Bhutto vor, den Wahlen wegen mangelnder Siegeschancen aus dem Weg gehen zu
wollen.
Private pakistanische Fernsehsender dürfen nicht mehr via Satellit senden
Die
Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) haben den größten pakistanischen
privaten Fernsehstationen nach Angaben der Sender die Ausstrahlung ihrer
Programme per Satellit untersagt. GEO-TV und ARY seien von den Behörden der
VAE aufgefordert worden, mit sofortiger Wirkung ihre dort aufgestellten
Sendeanlagen abzuschalten, berichteten die beiden Sender in Islamabad. Die
Anordnung sei nicht begründet worden. Beide Sender gehen aber davon aus,
dass sie auf Verlangen der pakistanischen Regierung unter Militärmachthaber
Pervez Musharraf erfolgt ist. Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes
durch Musharraf vor zwei Wochen hatte die pakistanische Regierung die
Ausstrahlung aller privaten Fernsehprogramme per Kabel unterbunden und die
Satellitenverbindungen solcher Sender gekappt, die von Pakistan aus
operieren.