Ein Berufungsgericht in den USA hat am Dienstag die Auslieferung des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk nach Deutschland vorerst gestoppt.
Das juristische Tauziehen um die Auslieferung des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk geht weiter: Ein Berufungsgericht in den USA stoppte die Auslieferung nach Deutschland am Dienstag praktisch in letzter Sekunde bis auf weiteres, nur rund eine Stunde nachdem der 89-Jährige bereits von Beamten der Einwanderungsbehörden aus seinem Haus in Ohio weggebracht worden war. Sein Sohn John Demjanjuk Jr. hatte sich mit einem weiteren Antrag an das Gericht gewandt.
In schlechtem Zustand
Sein Vater sei bei schlechter Gesundheit,
könne nicht gehen und nicht reisen, sagte John Demjanjuk Jr. Demjanjuk wurde
in einem Rollstuhl aus dem Haus gebracht und in Anwesenheit von Angehörigen
in ein wartendes Fahrzeug gesetzt. Ein Arzt und eine Krankenschwester
begleiteten die Beamten. Nach Angaben von Angehörigen wurde Demjanjuk in ein
Gebäude der Bundesbehörden in Cleveland gebracht.
Prozess nicht überleben
Demjanjuks Sohn kritisierte, die
Beamten seien ohne vorherige Ankündigung und ohne einen versprochenen
Rettungswagen vorgefahren. Sein Vater werde nicht mehr lang genug für einen
Prozess in Deutschland leben, sagte John Demjanjuk Jr. Er würde in ein
Krankenhaus, aber "niemals vor Gericht kommen".
29.000 Juden ermordet
Die Münchner Staatsanwaltschaft will dem
gebürtigen Ukrainer wegen Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden den Prozess
machen. Demjanjuk soll 1943 als KZ-Aufseher im polnischen Vernichtungslager
Sobibor Menschen von den Zügen in die Gaskammern getrieben haben. Er
bestreitet das.
In München erwartet
"Es könnte sein, dass er (Demjanjuk)
morgen kommt", hatte sein Münchner Anwalt Günther Maull vor der
Gerichtsentscheidung in den USA am Dienstag erklärt. Ein Sprecher des
Bundesjustizministeriums in Berlin sagte, Demjanjuk werde "in den nächsten
Tagen" in Deutschland erwartet.
US-Berufungsgericht
Der Berufungsausschuss der
US-Einwanderungsbehörde hatte am Karfreitag Demjanjuks Antrag abgelehnt, das
Abschiebeverfahren neu aufzurollen. Sein Sohn hatte darauf Rechtsmittel beim
US-Berufungsgericht in Ohio eingelegt. Pflichtverteidiger Maull sagte, aus
den übermittelten Blutwerten Demjanjuks lasse sich keine Haft- oder
Verhandlungsunfähigkeit ablesen. Dazu sei eine ärztliche Untersuchung
erforderlich. Eine von Demjanjuks Wahlverteidiger Ulrich Busch angekündigte
Haftbeschwerde war am Dienstagmittag noch nicht beim Amtsgericht München
eingegangen, wie eine Sprecherin sagte.
Demjanjuk war nach dem Krieg in einem bayerischen Flüchtlingslager untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert. Er erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihm später aberkannt wurde. 1986 lieferten ihn die USA an Israel aus, zwei Jahre später wurde er wegen Verbrechen im Vernichtungslager Treblinka als "Iwan der Schreckliche" zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof in Israel hob das Urteil jedoch 1993 auf, weil die Staatsanwaltschaft aus russischen Quellen erfahren hatte, dass möglicherweise eine Verwechslung vorliegt.