Laut Vatikan-Kenner
"Austrittswelle" nach Holocaust-Eklat eingesetzt
07.02.2009
Laut Vatikan-Kenner Pater Eberhard von Gemmingen ist die Kirche mit einer Austrittwelle konfrontiert, die Papst-Reise nach Israel wackelt.
Die katholische Kirche ist nach Meinung eines Vatikan-Kenners nach der umstrittenen Aufhebung des Kirchenbanns über die Piusbruderschaft mit einer Austrittswelle konfrontiert. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, der "Passauer Neuen Presse" (Samstag-Ausgabe). Austreten könne man allerdings nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "In anderen Ländern ist dies gar nicht möglich, weil die Taufe nicht rückgängig gemacht werden kann", sagte von Gemmingen.
Papst-Reise nach Israel wackelt
Das Vertrauensverhältnis zwischen
dem aus Bayern stammenden Papst Benedikt XVI. und den deutschen Katholiken
ist nach Ansicht von Gemmingens "ein wenig lädiert". Der geplante
Papstbesuch in Deutschland im kommenden Jahr könne diese Situation
möglicherweise verbessern. "Es schmerzt, wenn man sieht, dass viele Menschen
Rom und den Papst nicht mehr verstehen", sagte der Vatikan-Experte.
Gleichzeitig äußerte er Skepsis, ob der Papst seine geplante Israel-Reise
antreten werde: "Ob sie wirklich zustande kommt, ist noch sehr offen", sagte
Gemmingen. Gleichwohl gebe es keine Signale aus Israel, dass die Reise
infrage stehe.
Kommunikationsproblem im Vatikan
Deutliche Kritik äußerte
Gemmingen am Vorgehen des Vatikan: "Hier handelt es sich nicht nur um ein
Kommunikationsproblem. Es gibt auch ein Organisationsproblem. Entscheidungen
dürfen nicht an den Zuständigen im Vatikan vorbei getroffen werden. Es muss
besser informiert und gemeinsam entschieden werden. Aber im Vatikan wird
sich bei der Kommunikation nur sehr langsam und sehr wenig ändern."
Papst Benedikt hatte Ende Jänner die Exkommunikation von vier Bischöfen der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. (SSPX) - darunter der britische Holocaust-Leugner Williamson - aufgehoben. Dies hatte international zu heftigen Protesten und Verstimmung geführt, vor allem in Deutschland und mit dem israelischen Großrabbinat. Der Vatikan forderte Williamson inzwischen auf, seine Äußerungen zum Völkermord an den Juden Thesen zu widerrufen. Die vier Männer waren von dem inzwischen verstorbenen ultrakonservativen französischen Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 gegen den Willen des Heiligen Stuhls zu Bischöfen geweiht worden. Die Lefebvrianer lehnen die vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) und in dessen Gefolge eingeführten Veränderungen in der katholischen Kirche ab.