Bei Gesprächen zwischen der EU und den USA wurde keine Einigung erzielt.
Die Gespräche über die mögliche Aufnahme von Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo durch EU-Staaten sind zunächst ohne konkretes Ergebnis geblieben. Ziel ihrer Unterredungen in Washington sei es zuzuhören und nicht, Entscheidungen zu treffen, sagten EU-Innenkommissar Jacques Barrot und der tschechische Innenminister Ivan Langer.
Länder müssen selber entscheiden
Langer, dessen Land
derzeit den EU-Vorsitz innehat, sowie Barrot trafen unter anderem mit
US-Justizminister Eric Holder zusammen. "Wir haben kein Mandat zum
Verhandeln, sondern nur zum Sammeln von Informationen", sagte Langer im
Anschluss. Die Entscheidung über die Aufnahme von Häftlingen müsse jedes
EU-Land selber treffen. Am Dienstag waren Treffen mit Heimatschutzministerin
Janet Napolitano und Beratern von US-Präsident Barack Obama geplant.
Schließung angeordnet
Obama hatte kurz nach seinem
Amtsantritt die Schließung des berüchtigten Lagers in Kuba bis Jänner 2010
angeordnet. Holder leitet die mit der Schließung befasste Arbeitsgruppe.
Derzeit sitzen in Guantanamo noch 245 Häftlinge ein, die Freilassung von 60
Insassen wurde bereits genehmigt.
Clinton-Appell
US-Außenministerin Hillary Clinton appellierte
indes neuerlich an die EU-Staaten, Guantanamo-Häftlinge aufzunehmen. "Die
Schließung von Guantanamo ist etwas, was die Europäer ... von uns immer
verlangt haben, deshalb hoffen wir nun auf die Zusammenarbeit mit den
europäischen Regierungen", sagte sie am Montag in Washington nach einem
Treffen mit dem irischen Außenminister Michael Martin.
Bisher haben nur wenige EU-Staaten Bereitschaft zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen signalisiert, auch Österreich zeigte den USA diesbezüglich die kalte Schulter. Brüssel will von Washington vor allem wissen, warum die größtenteils nicht aus EU-Staaten stammenden Gefangenen nicht in den USA bleiben können. Besonders prominent ist der Fall von 17 uigurischen Gefangenen, denen im Fall ihrer Rückkehr nach China dort Strafverfolgung droht. Aus Furcht vor einer Verärgerung Pekings will bisher kein Land die Uiguren aufnehmen.
Detaillierte Schilderung der Folter
In den USA gelangte derweil
ein für interne Zwecke bestimmter Bericht des Internationalen Komitees des
Roten Kreuzes (IKRK) an die Öffentlichkeit, demzufolge Gefangene in
Guantanamo gefoltert wurden. Das der Nachrichtenagentur AFP vorliegende
Dokument aus dem Jahr 2007 ist die bisher detaillierteste Darstellung von
Misshandlungen in dem Lager. Unter anderem wird darin beschrieben, wie 14
mutmaßliche Mitglieder des Terrornetzwerks Al Kaida durch Schläge und
Schlafentzug misshandelt, extremen Temperaturen und der Wasserfolter
ausgesetzt wurden. Die Behandlung der Gefangenen sei "grausam, unmenschlich
und erniedrigend" gewesen und erinnere in manchen Fällen an "Folter", heißt
es in dem IKRK-Bericht.
US-Menschenrechtler forderten nach Bekanntwerden des Berichts strafrechtliche Maßnahmen gegen Mitglieder der Regierung des ehemaligen Präsidenten George W. Bush. Je mehr solcher Berichte bekannt würden, desto höher werde der Druck auf die Regierung Obama, "etwas zu unternehmen", sagte Sarah Mendolson vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien. Es gebe ausreichend öffentlich zugängliche Informationen, die ernsthaftere Ermittlungen als die bisherigen rechtfertigten, sagte Jameel Jaffer von der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU. Obama stand Aufrufen zu strafrechtlichen Schritten wegen Misshandlungen in Guantanamo bisher distanziert gegenüber.
Ein IKRK-Sprecher in Genf äußerte Bedauern darüber, dass der vertrauliche Bericht an die Öffentlichkeit gelangte. Das IKRK hatte Kopien des Berichts an die CIA und das Weiße Haus weitergegeben. Menschenrechtler vermuten, dass das Dokument von Mitarbeitern der neuen US-Regierung in Umlauf gebracht wurde.