Keine Machtteilung
Bhutto bricht Dialog mit Musharraf ab
11.11.2007
Die PPP-Chefin will keine Gespräche mehr mit Dem Machthaber führen. Präsident Pervez Musharraf selbst hat Wahlen bis zum 9. Jänner angekündigt.
Pakistans Oppositionsführerin Benazir Bhutto hat den Dialog mit Militärmachthaber Pervez Musharraf über eine Machtteilung abgebrochen. "Es wird keine Gespräche mehr geben, ich habe meine Politik geändert", sagte die Vorsitzende der Pakistanischen Volkspartei (PPP) und ehemalige Regierungschefin am Montag vor Journalisten in Lahore. Sie rief für Dienstag erneut zu einem "langen Marsch" auf, der in Lahore starten soll und sich gegen den von Musharraf verhängten Ausnahmezustand richtet. Aus Großbritannien, dem Commonwealth und den USA ist der Druck auf den pakistanischen Staatschef, den Ausnahmezustand aufzuheben, weiter erhöht worden.
USA setzen auf Verständigung
Die US-Regierung, von der
Musharrafs Regime in den vergangenen sechs Jahren mit Zuwendungen von zehn
Milliarden Dollar unterstützt worden ist, hatte auf eine Verständigung
zwischen dem Militärmachthaber und Bhutto gesetzt. Die Ex-Premierministerin
und der Staats- und Armeechef waren Ende Juli in Abu Dhabi in den
Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengetroffen. Bhuttos Heimkehr nach
achtjährigem Exil war möglich geworden, weil Musharraf die gegen sie
erhobenen Korruptionsanklagen per Dekret für nichtig erklärt hatte. Die
54-jährige Politikerin, Tochter des vom Militär gestürzten und 1979
hingerichteten Regierungschefs Zulfikar Ali Bhutto, hatte Pakistan von 1988
bis 1990 und von 1993 bis 1996 regiert.
Verärgert über US-Sicherheitspläne für Atomwaffen
Pakistan
hat verärgert auf Informationen über Pläne der US-Regierung zur Sicherung
der pakistanischen Atomwaffen reagiert. Das Land verfüge über hinreichende
Kapazitäten, um seine strategischen Waffen und seine Souveränität zu
schützen, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung des
Außenministeriums in Islamabad. "Spekulationen", die Waffen
könnten in die Hände von Terroristen fallen, seien "unverantwortlich".
Die "Washington Post" hatte berichtet, die USA verfügten über
einen Notfallplan, um zu verhindern, dass pakistanische Atomwaffen in die
Hände von Anhängern des Terrornetzwerkes Al-Kaida gerieten. Das Problem sei
allerdings die begrenzte Kenntnis der US-Behörden über den genauen Standort
der Waffendepots, zitierte die amerikanische Zeitung einen ehemaligen
US-Regierungsmitarbeiter. "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wo
sie sind", sagte der Experte. Ein Versuch, sich der Nuklearwaffen zu
bemächtigen, könne deshalb schnell im Chaos enden.
Im Hinblick auf die Forderung von US-Präsident George W. Bush, Musharraf müsse als Armeechef zurücktreten, meinten politische Beobachter, eine effektive Trennung von politischer und militärischer Führung hätte zur Folge, Pakistans Atomwaffen unter zivile Oberhoheit zu stellen, was nicht im Interesse Washingtons läge. Der Besitz von Atomwaffen könnte der Armeespitze so als Rechtfertigung dienen, ihre derzeitige Machtfülle zu bewahren.
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Die britische Regierung forderte Musharraf abermals auf, den Ausnahmezustand aufzuheben. "Es ist unerlässlich, die Verfassung wieder in Kraft zu setzen und andere Einschränkungen sofort aufzuheben", sagte der Sprecher von Premierminister Gordon Brown, Michael Ellam, in London. Dort debattierten Außenminister des Commonwealth darüber, ob die Mitgliedschaft Pakistans in der Organisation aufgehoben werden sollte. Die Commonwealth-Staaten hatten Pakistan bereits nach Musharrafs Putsch 1999 mit dem Ausschluss gedroht. Doch wurde davon Abstand genommen, nachdem der Militärmachthaber eine zivile Regierung eingesetzt hatte.
Rice besorgt
US-Außenministerin Condoleezza Rice äußerte sich
besorgt, dass Musharraf noch keinen Zeitrahmen für die Wiederherstellung der
Bürgerrechte genannt habe. Deutlicher wurden mögliche
Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten: Senator Joseph Biden sagte an
die Adresse Musharrafs, eine Wahl unter dem Ausnahmezustand wäre Betrug.
Bill Richardson, ein früherer US-Botschafter bei der UNO, sagte, es gebe
keine "halbe Demokratie".
Sicherheitskräfte im Swat-Tal ausgewechselt
Nach dem
Verlust der Kontrolle über weite Teile des Swat-Tals im Nordwesten von
Pakistan hat die Armee die bei der Bekämpfung von Extremisten überforderten
Sicherheitskräfte ausgewechselt. Seit Montag liege das Kommando bei den
regulären Landstreitkräften, sagte ein Heeressprecher in Islamabad. Nach
achttägigen Kämpfen sind zwei Drittel des Swat-Tals in den Händen von
Taliban und islamischen Rebellen mit Verbindungen zum Terrornetzwerk
Al-Kaida.
USA befürchten Rückschlag
Die USA befürchten einen
Rückschlag für den Anti-Terror-Kampf durch die gegenwärtige Krise in
Pakistan. Wegen der instabilen Lage drohe die pakistanische Armee von
Anti-Terror-Einsätzen im Grenzgebiet zu Afghanistan abgehalten zu werden,
hatte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Freitag erklärt. "Die
Sorge ist, dass die pakistanischen Soldaten, je länger die innenpolitischen
Probleme anhalten, umso mehr von der terroristischen Bedrohung im
Grenzgebiet abgelenkt sind", sagte Gates. Angesichts der politischen
Krise und der anhaltenden Gewalt hat Pakistans Militärführung nach indischen
Informationen Zehntausende Soldaten von der Grenze zu Indien abgezogen, um
sie in anderen Landesteilen einzusetzen.
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Musharraf ist damit seinen Kritikern einen Schritt entgegengekommen. In den nächsten Tagen würden das Unterhaus des Parlaments sowie die Provinzparlamente aufgelöst, um den Weg für die Neuwahl freizumachen, sagte Musharraf am Sonntag in seinem Armeehauptquartier in Rawalpindi. Er ließ aber offen, wann der im In-und Ausland heftig kritisierte Ausnahmezustand aufgehoben und die Verfassung wieder in Kraft gesetzt wird.
Musharraf erinnerte daran, dass Muharram, der Trauermonat der Schiiten, der traditionell von Gewalt zwischen religiösen Gruppen geprägt ist, am 9. Jänner beginnt. Vor der Verhängung des Ausnahmezustands Anfang November war Mitte Jänner als Wahltermin erwartet worden, später hatte Musharraf vom 15. Februar gesprochen.
Zumindest bis zur Wahl werde der Ausnahmezustand in Kraft bleiben, betonte Musharraf. "Der Ausnahmezustand ist notwendig, um den Frieden in Pakistan und das entsprechend Umfeld für die Wahlen sicherzustellen." Da sich das Land in einer schwierigen Lage befinde, könne er jedoch keinen Termin für das Ende des Ausnahmezustands nennen. Dabei handle es sich im Übrigen um eine Maßnahme im Dienste des Landes und nicht um die Rettung seiner eigenen Haut, sagte der in einen blauen Anzug und nicht in seiner Uniform gewandete Präsident und Armeechef: "Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens."
Musharraf kündigte an, sobald das Oberste Gericht Klagen gegen seine Wiederwahl abgewiesen habe, werde er als Armeechef zurücktreten und sich als ziviler Präsident vereidigen lassen. Er hoffe, dass dies bald geschehen werde. Diplomaten zufolge hatte Musharraf den Ausnahmezustand ausgerufen, um das Gericht daran zu hindern, seine Wahl für ungültig zu erklären. Mit Verhängung des Ausnahmezustands hat der pakistanische Staatschef viele Richter abgesetzt und Stellen am Obersten Gericht mit ihm genehmen Juristen besetzt.