Oppositionsführerin Benazir Bhutto rief Staatschef Pervez Musharraf, der vor ein paar Tagen den Ausnahmezustand ausgerufen hatte, am Mittwoch zur Rückkehr zur Demokratie auf.
Die frühere pakistanische Regierungschefin Benazir Bhutto hat am Mittwoch zu Massenprotesten gegen den Ausnahmezustand aufgerufen, den Militärmachthaber Pervez Musharraf am Samstag über das Land verhängt hatte. "Ich rufe das pakistanische Volk auf, zu demonstrieren", sagte Bhutto bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit Oppositionspolitikern in der Hauptstadt Islamabad. Sie kündigte eine Großkundgebung in Rawalpindi am Freitag sowie einen "langen Marsch" am kommenden Dienstag in Lahore an.
Polizei geht massiv gegen Demonstranten vor
"Wie viele Menschen
könne sie hinter Gitter bringen? Wir werden so viele versammeln, dass sie
nicht genug Gefängnisse haben", kündigte Bhutto an. Die Polizei war in den
vergangenen Tagen massiv gegen Demonstranten vorgegangen. Seit Samstag haben
die Sicherheitskräfte nach Schätzungen 3500 Menschen festgenommen. Das vom
Regime verfügte Versammlungsverbot werde nicht anerkannt, sagte Babar Awan
aus dem Führungskreis von Bhuttos Pakistanischer Volkspartei (PPP) in
Islamabad. Es werde sichergestellt, dass alle Anhänger der PPP nach
Rawalpindi kommen könnten. Die kürzlich aus dem Exil heimgekehrte
PPP-Vorsitzende und Ex-Premierministerin und der von Musharraf zum zweiten
Mal entlassene Oberste Richter Iftikhar Chaudhry hatten bereits am Dienstag
ihre Landsleute zum Widerstand aufgerufen.
Bhutto warnt vor Atombombe
Ex-Ministerpräsidentin Bhutto warnte
in einem Interview der deutschen "Bild"-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe)
vor dem Einfluss extremistischer Kräfte auf Staat und Armee. "Pakistan
nähert sich in großen Schritten einer gewaltigen Katastrophe",
sagte sie. "Nur Gott weiß, was passieren würde, bekämen Extremisten
volle Kontrolle über die Atommacht Pakistan." Den
Sicherheitskräften sei es bis heute nicht gelungen, "jene engen
Netzwerke zu zerschlagen, die täglich Terror schüren, finanzieren und
ausführen", erklärte die ehemalige Regierungschefin weiter.
Pakistan sei "auf dem Weg in den Dschihad, die Anarchie". Bhutto
hatte Pakistan als erste Frau von 1988 bis 1990 und von 1993 bis 1996
regiert. Ihre Regierungen scheiterten an Korruptionsvorwürfen. Sie ging ins
Exil und kehrte erst vor kurzem wieder nach Pakistan zurück.
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Der Bürgermeister der südlich von Islamabad gelegenen Stadt Rawalpindi, Javed Akhlas, kündigte an, die Polizei werde das Versammlungsverbot durchsetzen und die geplante Kundgebung der Opposition verhindern. Zugleich warnte er, dass es Hinweise auf Pläne für einen weiteren Selbstmordanschlag gegen Bhutto gebe. Die ehemalige Regierungschefin entging am 18. Oktober bei ihrer Rückkehr aus dem Exil in Karachi nur knapp einem schweren Bombenanschlag, bei dem mehr als 140 Menschen ums Leben kamen.
Ban zu tiefst bestürzt
Die Äußerungen Bans seien eine
Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes, teilte die
pakistanische Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York am Dienstag
mit. Botschafter Munir Akram habe Ban seinen Unmut in einem persönlichem
Gespräch deutlich gemacht. Ban hatte sich am Montag zutiefst bestürzt über
die Verhängung des Ausnahmezustands von Staats- und Armeechef Musharraf
geäußert. Gleichzeitig kritisierte der UNO-Generalsekretär die
anschließenden Massenfestnahmen von Anwälten und anderen Oppositionellen.
Nach dem Treffen mit Akram bekräftigte Ban seine Kritik: "Ich stehe zu meiner Erklärung, die ich gestern abgegeben habe." Er habe im Gespräch mit dem pakistanischen UNO-Botschafter erneut seine "tiefe Besorgnis" und auch sein Bedauern mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in Pakistan zum Ausdruck gebracht.
Widerstand gegen "Diktatur"
Mindestens 100
Demonstranten wurden nach Augenzeugenberichten am Dienstag wieder
festgenommen. Der von Musharraf entlassene Oberste Richter Iftikhar Chaudhry
rief seine Landsleute in einer Telefonbotschaft zum Widerstand gegen die "Diktatur"
auf.
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Unterdessen floh der Oppositionspolitiker Imran Khan nach Angaben seiner früheren Ehefrau aus dem Hausarrest in Lahore. Der Chef der "Bewegung für Gerechtigkeit" halte sich aus Angst vor Repressalien derzeit in einem Versteck auf, teilte seine Ex-Frau Jemima Khan in London mit. "Sie wenden bloße Gewalt gegen Anwälte, Menschenrechtsorganisationen und politische Aktivisten an, und alle echten Oppositionsführer sind im Gefängnis", schrieb Imran Khan in einer E-Mail. Er verstecke sich derzeit zusammen mit dem Großteil seiner Partei und "mit Tausenden anderen". Seit Samstag haben die Sicherheitskräfte nach Schätzungen 3.500 Menschen festgenommen.
Soldaten von der Grenze abgezogen
Angesichts der politischen
Krise und der anhaltenden Gewalt hat Pakistans Militärführung nach indischen
Informationen Zehntausende Soldaten von der Grenze zu Indien abgezogen, um
sie in anderen Landesteilen einzusetzen. Wie ein Vertreter des
Verteidigungsministeriums in Neu-Delhi am Mittwoch sagte, war die
pakistanische Truppenstärke an der Grenze noch nie so gering wie derzeit. Er
berief sich auf Geheimdienstinformationen. Pakistan benötige demnach etwa
zwölf Brigaden, das sind rund 28.000 Soldaten, um im Westen des Landes die
Sicherheit aufrecht zu erhalten. Dort hätten islamistische Kämpfer mit
Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida "eine neue Front" in den
Stammesgebieten von Waziristan eröffnet.
Ausnahmezustand bald zu Ende?
Der Vorsitzende der regierenden
pakistanischen Muslim-Liga (PML-Q), Chaudhry Shujaat Hussain, hat ein
baldiges Ende des Ausnahmezustands angedeutet. "Ich bin sicher, es wird in
zwei bis drei Wochen vorbei sein", sagte der der Tageszeitung "Dawn"
(Mittwoch). Staats- und Armeechef Musharraf sei sich der Konsequenzen
bewusst, die ein langer Ausnahmezustand hätte.
Demo von Anwälten
In Islamabad zogen am Mittwoch neuerlich
etwa 200 Anwälte durch die Straßen und forderten den Rücktritt Musharrafs.
In Rawalpindi kam es wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei. Dort kamen
etwa 80 Anwälte vor dem Bezirksgericht zu einer Kundgebung zusammen.