Pakistan

Bhuttos Sohn Bilawal neuer PPP-Chef

29.12.2007

Die Pakistanische Volkspartei (PPP) hat den 19-jährigen Sohn Bhuttos zum neuen Parteivorsitzenden gekürt.

Zur Vollversion des Artikels
Zur Vollversion des Artikels

Bilawal Bhutto Zardari ist der neue Hoffnungsträger der Pakistanischen Volkspartei. Der 19-Jährige folgt seiner ermordeten Mutter an der Spitze der PPP nach. "Ich werde den Kampf für die Demokratie fortsetzen", erklärt Bilawal nach Bekanntgabe der Entscheidung mit kräftiger Stimme. "Meine Mutter hat immer gesagt, Demokratie ist die beste Vergeltung."

Politisches Vermächtnis
Dass Bilawi Bhutto Zardari das politische Erbe der Bhutto-Dynastie nun früher als erwartet übertragen bekam, hat er seinem Vater Ali Asif Zardari zu verdanken. Benazir Bhutto hatte für den Fall ihrer Ermordung ein politisches Vermächtnis verfasst, in dem sie ihren Mann als Nachfolger bestimmte. Doch der empfahl der PPP beim Spitzentreffen in der südpakistanischen Provinz Sindh - dem Machtzentrum der Familie Bhutto - den Sohn als Parteichef. Die Führung stimmte geschlossen zu.

Ein Grund dafür könnte die schillernde Vergangenheit Zardaris gewesen sein, der seit 1987 mit Bhutto verheiratet war. Er gilt als korrupt und seine Gegner sind der Überzeugung, dass er aufgrund zahlreicher Gerichtsverfahren und Gefängnisaufenthalte als ernstzunehmende politische Führungspersönlichkeit nicht tragbar ist. Hinzu kommt, dass er auch in der Bevölkerung kaum Rückhalt genießt.

Eine Aufgabe Bilawals wird sein, sich und die Partei von dieser dunklen Seite der Familiengeschichte zu befreien. Doch noch hält der Vater die Zügel in der Hand. Denn Bilawal erklärte, er wolle zunächst sein Studium an der Oxford Universität in England beenden. Bis dahin bleibe Zardari für die täglichen Amtsgeschäfte zuständig. Die Anhänger der PPP müssen sich also noch gedulden, bis ihr neuer Hoffnungsträger aktiv ins politische Geschehen eingreift.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Fotos von zwei angeblichen Attentätern

Ein pakistanischer TV-Sender hat Fotos von zwei angeblichen Attentätern bei dem tödlichen Anschlag auf Oppositionsführerin Benazir Bhutto gezeigt. Die insgesamt drei Aufnahmen stammten von einem Amateurfotografen, berichtete "Dawn News Television" am Sonntag. Die Fotos sind relativ unscharf.

Unterschiedliche Darstellungen
Laut Polizei wurden drei Schüsse auf Bhutto abgegeben, kurz bevor ein Selbstmordattentäter seinen Sprengsatz zündete. Neben Bhutto wurden 23 Menschen getötet. Die Ermittler haben nicht gesagt, wie viele Attentäter beteiligt waren. Nach Angaben des Innenministeriums starb die Politikerin an einem Schädelbruch, den sie erlitt, als ihr Kopf durch die Wucht der Explosion auf einen Hebel des geöffneten Schiebedaches ihres Fahrzeuges prallte. Parteifreunde wiesen diese Darstellung zurück und sagten, die 54-Jährige sei durch einen Schuss in den Kopf getötet worden.

Das Regime von Staatschef Pervez Musharraf hat das Attentat der terroristischen Organisation Al-Kaida angelastet, deren erklärte Gegnerin die pro-westliche Politikerin war. Viele Anhänger Bhuttos vermuten hinter dem Verbrechen die pakistanischen Geheimdienste, die damit eine Rückkehr der PPP an die Macht hätten verhindern wollen.

"Kenne meine Mörder"
Bhutto selbst hat nach dem ersten blutigen Anschlag auf ihre Anhänger im Oktober diesen Verdacht geäußert: "Ich weiß genau, wer meine Mörder sind“, so Bhutto damals, "Es sind die Anhänger von General Zia ul-Haq, die immer noch in unserem Geheimdienst vertreten sind.“

Der pakistanische Geheimdienst (ISI), er untersteht Musharraf, baute in den 1990er Jahren die Taliban-Gotteskrieger in Afghanistan auf und pflegt seither beste Kontakte zu den islamischen Extremisten.

Unter Generalverdacht steht auch Baitullah Mehsud. Der Al-Kaida-"Warlord“ aus dem Nordwesten Pakistans drohte Bhutto bereits mit dem Tod. Das Innenministerium legte am Freitag auch den Mitschnitt eines Telefonats vor, in dem Mehsud die Ermordung bestätigen soll. Mehsud wies die Anschuldigungen als
"Regierungspropaganda“ zurück.

Benazir Bhuttos PPP-Partei glaubt ihm. Die Geschichte erscheine fingiert, so Partei-Sprecher Farhatulla Babar. Zehntausende von Bhuttos Anhängern, die auch am Samstag wieder randalierend und skandierend durch die Straßen zogen, sind seiner Meinung. Sollte sich der Verdacht, Regierungsstellen seien in Bhuttos Mord verwickelt, jemals erhärten, wird die Regierung dem Druck der Massen wohl nicht mehr länger standhalten können.

Nächste Seite: Das Telefon-Protokoll der Al Kaida

Kurz nach dem Attentat auf Benazir Bhutto haben die Behörden nach eigenen Angaben folgendes Gespräch zwischen dem Taliban-Führer und Al-Kaida-Kopf Baitullah Mehsud und seinem Mitkämpfer Maulvi Sahib mitgehört. Das Innenministerium sieht darin den Beweis für eine Tat der Al Kaida. Mehsud dementiert das vehement.

M. SAHIB: Friede sei mit dir.

B. MEHSUD: Friede sei auch mit dir!

M. SAHIB: Gratulation. Ich bin gerade angekommen.

MEHSUD: Gratulation zurück.

M. SAHIB: Das waren unsere Leute dort.

MEHSUD: Wer waren sie?

M. SAHIB: Saeed, Bilal aus Badar und Igramullah war auch dort.

MEHSUD: Die drei haben es getan?

M. SAHIB: Igramullah und Bilal haben es getan. Wo bist du? Ich will mich mit dir treffen.

MEHSUD: Ich bin in Makin. Komm her, ich wohne derzeit in Anwar Shahs Haus.

M. SAHIB: Ok, ich komme.

MEHSUD: Das war tolle Arbeit, die Burschen, die sie getötet haben, waren sehr tapfer.

M. SAHIB: Danken wir Gott! Ich werde dir mehr erzählen wenn ich zu dir komme!

MEHSUD: Ich warte auf dich, nochmals Gratulation.

M. SAHIB: Friede sei mit dir.

Nächste Seite: Die Analyse von Antonia Rados

Bhuttos Mörder sitzen in der Al Kaida. Aber auch der Geheimdienst könnte die Finger im Spiel haben, analysiert Antonia Rados für ÖSTERREICH.

Wer hat Benazir Bhutto umgebracht? Die Terrororganisation Al Kaida dementiert, aber wer das glaubt, wird selig. Seit Monaten häufen sich in Pakistan Selbstmordanschläge und Bombenterror, die meisten durchgeführt von Al Kaida. Mitte Oktober wurde Benazir Bhuttos Wahlkampfzug schon einmal von einem Selbstmordattentäter attackiert – ähnlich wie nun in Rawalpindi. Damals entging die einzige Hoffnungsträgerin des Landes nur knapp dem Tod. Al Kaida dementierte nicht. In Pakistan hat die Gruppe praktisch ein „Heimspiel“. Dort hat sie ihre Basis eingerichtet. Vor Monaten erklärte die Al Kaida, sie werde nun verstärkt daran gehen, das Regime zu stürzen, egal wie. Benazir Bhutto war oft von Al-Kaida-Sympathisanten bedroht worden. In der Provinz entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze hat die Al Kaida bereits ihren eigenen Staat. Als ich vor vier Wochen dort war, sah es aus wie früher im Taliban-Gottesstaat in Afghanistan. Nur waren die Regeln noch strenger.

Mord-Komplott?
Warum Al Kaida es nun nicht gewesen sein will? Wir können nur spekulieren. Am wahrscheinlichsten ist, sie will ihre einheimischen Helfer nicht vor den Kopf stoßen. Auch streng-religiöse Stammesführer in den Grenzgebieten sind Patrioten. Und orientalische Machos. Eine Frau umzubringen, ist unter ihrer Würde. So ist die Al-Kaida-Erklärung zu verstehen, man würde ja keine Frau umbringen. Frage an Al Kaida: Was ist mit den Tausenden Frauen und Kindern, die im Irak bei Anschlägen ihr Leben lassen müssen? Pakistans Radikale haben noch dazu viel Unterstützung in den Reihen der Armee und des mächtigen militärischen Geheimdienstes ISI. Eine Zusammenarbeit zwischen militanten Islamisten und Offizieren bei der Ermordung Bhuttos ist nicht auszuschließen.

Das sind keine guten Vorzeichen für die Ermittlungen, falls es jemals welche gibt. Wir müssen davon ausgehen, dass weder Täter noch Drahtzieher gefasst werden. Die Wahrheit wird nie ans Licht kommen – angesichts der Lage im Land ist das eine weitere traurige Gewissheit.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel