Bin Laden hat sich per Videobotschaft zu Wort gemeldet: Er ruft zum Dschihad gegen Israel auf. Die Finanzkrise nennt er ein Werk der Mudschahidin.
Der Chef des Islamisten-Terrornetzwerks Al-Kaida, Osama bin Laden, hat in einer Internet-Botschaft zum Heiligen Krieg (Jihad) aufgerufen, um der israelischen Militäroffensive gegen die palästinensische Hamas im Gazastreifen Einhalt zu gebieten. Die Botschaft erschien am Mittwoch auf Internetseiten islamistischer Gruppen. Sie ist auf den laufenden islamischen Monat datiert. Bin Laden verurteilte darin die Regierungen arabischer Staaten, die ihre Bürger daran hinderten, "für die Befreiung Palästinas zu kämpfen".
Stimme ist früheren Botschaften ähnlich
Die Echtheit
der Botschaft konnte zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.
Die Stimme ähnelte aber derjenigen in früheren Botschaften Bin Ladens.
Libyen, das derzeit einzige arabische Mitglied des UNO-Sicherheitsrates,
hatte die anderen arabischen Regierungen aufgefordert, Freiwilligen die
Teilnahme am Kampf der Palästinenser gegen Israel im Gazastreifen zu
ermöglichen. "Ich rufe die Araber auf, die Tür für Freiwillige zu öffnen,
die gemeinsam mit den Palästinensern kämpfen wollen", erklärte
Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi. Verhandlungen der Araber mit Israel
dienten nur "dem zionistischen Programm auf dem Weg zu unserer
Unterwerfung", wurde Gaddafi von der amtlichen Agentur JANA zitiert. Israel
müsse boykottiert werden, "weil es unser Feind ist". Die arabischen Staaten,
die ihre Türe für Israel geöffnet hätten, müssten diese umgehend schließen.
Finanzkrise Werk der "Mudschahidin"
In der Botschaft
äußert sich der Al-Kaida-Terror-Chef auch zur Weltfinanzkrise: Diese sei ein
Werk der Mudschahidin und werde noch viel schlimmer werden als derzeit
erkennbar. Er erwähnt auch den "deutschen Finanzminister", der erklärt habe,
nichts werde je wieder so sein wie vor der Krise. Experten sind verblüfft,
wie gut der seit 2001 in einem Versteck lebende Terrorchef informiert ist
Kämpfe gehen weiter
Die israelische Armee hat unterdessen
ihre Operationen im palästinensischen Gazastreifen fortgesetzt und
Hamas-Kämpfern am frühen Mittwochmorgen heftige Kämpfe geliefert. Die
Luftwaffe griff erneut Ziele im Süden des Küstengebiets an, bei einem
Luftangriff in der Stadt Gaza kam mindestens ein Palästinenser ums Leben.
Seit Beginn der israelischen Offensive am 27. Dezember wurden annähernd
tausend Palästinenser getötet. In Rafah nahe der ägyptischen Grenze flohen
nach Angaben der Hilfsorganisation CARE Hunderte Menschen in Panik vor den
israelischen Luftangriffen.
Im Bemühen um Vermittlung begann UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Mittwoch in Kairo eine einwöchige Nahost-Mission. Er hat zu einer sofortigen Waffenruhe aufgerufen. Die hohen Opferzahlen veranlassen inzwischen auch Verbündete, gegenüber Israel auf Distanz zu gehen.
Kämpfe am Boden halten unvermindert an
Nach Angaben von
Augenzeugen waren die Luftangriffe in der Nacht auf Mittwoch zwar weniger
intensiv als am Vortag. Die Kämpfe am Boden hielten unvermindert an.
Unterstützt von der Luftwaffe drangen israelische Spezialtruppen mit Panzern
mehrere hundert Meter in Stadtbezirke Gazas vor. Beide Seiten feuerten auch
mit Maschinengewehren. Im Stadtviertel Radwan starb ein Palästinenser bei
einem Luftangriff auf ein Haus, mindestens 20 weitere Personen wurden
verletzt. Bei Bombardements im Norden und Süden des Gazastreifens starben
nach Angaben palästinensischer Krankenhausmitarbeiter am Dienstagabend
mindestens acht Palästinenser. Darunter waren auch drei Kinder, die in
Jabalia auf der Straße gespielt hatten.
Zwei Ziele müssen erreicht werden
Israels
Verteidigungsminister Ehud Barak sagte, die meisten Ziele der
Militäroffensive seien erreicht, "aber wahrscheinlich nicht alle".
Regierungschef Ehud Olmert hat nach Angaben eines ranghohen
Regierungsbeamten zwei Ziele für die Offensive definiert. Dies sei zum
einen, die Beschüsse und den Terror durch die Hamas zu beenden, sagte der
Regierungsvertreter dem Nachrichtenportal ynet. Zum anderen solle die
militärische Struktur der radikalen islamischen Organisation zerstört
werden. Solange diese Ziele nicht erreicht seien, bestehe "keinerlei
Druck" zur Beendigung des Militäreinsatzes.
Internationaler Druck zurückgewiesen
Israel hatte am
Freitag ebenso wie Sprecher der Hamas die Forderung des UNO-Sicherheitsrates
nach einer sofortigen Waffenruhe zurückgewiesen. Die völkerrechtlich
bindende Resolution 1860 war in New York von 14 Ratsmitgliedern, darunter
Österreich, bei Stimmenthaltung der USA verabschiedet worden. In der
Entschließung des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen wurde Israel
aufgefordert, sich vollständig aus dem Palästinensergebiet zurückzuziehen.
Zudem müssten dort Bedingungen geschaffen werden, um den Waffenschmuggel zu
unterbinden und die Grenzübergänge wieder zu öffnen.
Beinahe tausend Tote
Allein am Dienstag waren nach Angaben
palästinensischer Rettungskräfte im Gazastreifen mindestens 70 Menschen
gestorben. Seit Beginn der Offensive wurden mindestens 975 Menschen getötet
und knapp 4400 verletzt. Olmert beauftragte Sozialminister Yitzhak Herzog
mit der Koordinierung der internationalen Hilfslieferungen in den
Gazastreifen. Nach UNO-Berichten droht dort eine schwere humanitäre Krise.
Am Dienstag seien 60 Prozent der Bevölkerung von der Stromversorgung
abgeschnitten gewesen, teilte das UNO-Büro zur Koordination humanitärer
Angelegenheiten (OCHA) mit.
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