Der Angriff ging von der deutschen Bundeswehr aus und zielte auf die Taliban ab. Auch Zivilisten dürten unter den Opfern sein.
Erstmals hat die deutsche Bundeswehr in Afghanistan einen Luftangriff auf die Taliban ausgelöst, bei dem bis zu 90 Menschen getötet wurden. Freitagnachmittag war noch unklar, ob dabei auch Zivilisten ums Leben kamen. Der Angriff in der nordafghanischen Provinz Kunduz in der Nacht auf Freitag galt der Zerstörung zweier gekaperter Lkw-Tanklastzüge, die von den Taliban für Selbstmordanschläge hätten genutzt werden können.
Bundeswehr sprach von mehr als 50 toten Aufständischen
"Unbeteiligte
sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu Schaden gekommen",
erklärte ein Sprecher der Bundeswehr in Berlin zu Mittag. Aus afghanischen
Polizeikreisen hieß es dagegen, bis zu 90 Menschen seien getötet worden,
darunter bis zu 40 Zivilpersonen - diese Aussagen wurden allerdings von
Gouverneur Mohammed Omar später zum Teil zurückgenommen.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verwies auf eine laufende
Untersuchung des Angriffs. "Es besteht auch die Möglichkeit ziviler
Opfer, aber das ist noch nicht klar", sagte er in Brüssel.
Angehörige von Opfern: Über 150 Tote
Nach dem
Luftangriff widersprachen Angehörige von Opfern aus dem betroffenen Dorf
Haji Amanullah der Darstellung der deutschen Bundeswehr, wonach dabei keine
Zivilisten getötet wurden. "Mehr als 150 Menschen wurden getötet
oder verletzt", sagte ein Dorfbewohner der dpa. "In der Gegend
waren auch Taliban, aber mehr Opfer gibt es unter Zivilisten."
Drohne verfolgte Entführer
Die Aufständischen hatten die
beiden Tanklastzüge an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt ungefähr sieben
Kilometer südwestlich des Bundeswehr-Stützpunktes gekapert. Eine Drohne habe
die Entführer verfolgt, per Infrarot-Kamera des unbemannten Flugzeugs seien
67 Taliban-Kämpfer gezählt worden, verlautete aus Bundeswehrkreisen in
Kunduz. Daraufhin sei ein US-Kampfjet angefordert worden. Der Angriff
erfolgte gegen 2.30 Uhr Ortszeit, nur 40 Minuten nach der Entführung der
Fahrzeuge. Die Tanklaster waren bei der Überquerung eines Flusses auf einer
Sandbank stecken geblieben. Treffer des Kampfjets ließen die beiden
Fahrzeuge in Flammen aufgehen.
Aus afghanischen Polizeikreisen - die bisher von der NATO nicht bestätigt wurden - verlautete, bei den 40 zivilen Opfern handle es sich um Personen, die Treibstoff aus den Tankern abgezapft hätten. Der Direktor des Krankenhauses von Kunduz, Humanjun Chmosch, sagte, es seien zwölf Personen mit schweren Verbrennungen eingeliefert worden. Ob es sich um Aufständische oder Zivilpersonen handle, könne er nicht sagen. Bei einem der Schwerverletzten handle es sich um einen zehnjährigen Burschen.
Ein Taliban-Sprecher bestätigte, dass Aufständische die Tanklastzüge gekapert hatten und im Fluss steckengeblieben waren. Daraufhin seien die Ventile geöffnet und Treibstoff abgelassen worden, um die Lkw wieder flott zu bekommen. Aus dem nahe gelegenen Dorf seien rund 500 Einwohner herbeigeströmt, um den ausfließenden Treibstoff aufzusammeln. Sie seien vor einem eventuell bevorstehenden Luftangriff gewarnt worden, hätten sich aber nicht wegschicken lassen.