Ungarn wird von roher Gewalt erschüttert: Die Roma-Minderheit wird gezielt gejagt. Feuer auf ihre Häuser wird gelegt. Es gab bereits Verletzte.
In Ungarn haben sich die Warnungen vor einer "gesellschaftlichen Explosion" nach einem erneuten Gewaltverbrechen an Roma intensiviert. Minderheiten-Ombudsmann Ernö Kallai forderte am Dienstag im Budapester Parlament einen "ethnischen Friedensplan" mit konkreten, umsetzbaren Zielen. Der Roma-Vertreter und Parlamentsabgeordnete der rechtskonservativen Oppositionspartei Fidesz-MPSZ, Florian Farkas, warnte wiederum vor einer "gesellschaftlichen Explosion" und "bürgerkriegsähnlichen Zuständen", sollte keine Lösung für die Integration der Roma gefunden werden.
Beispielloser Gewaltausbruch
Ungarn wird seit Wochen von
aufsehenerregenden Gewaltverbrechen erschüttert, die mit der Volksgruppe der
Roma in Zusammenhang stehen. Zuletzt war in der Nacht auf Montag im Dorf
Tatarszentgyörgy südlich von Budapest das Haus einer Roma-Familie in Flammen
aufgegangen. Anschließend wurden der Familienvater und sein vierjähriger
Sohn erschossen aufgefunden. Die Mutter und die beiden anderen Kinder wurden
beim Brand schwer verletzt.
Heftige Vorwürfe gab es nach dem Angriff gegen die als "brav" und "arbeitsam" beschriebene Roma-Familie gegen die Polizeibehörden wegen "Schlamperei". Die Behörden waren nämlich auch dann noch von einem Unfall durch einen Kurzschluss ausgegangen, als Nachbarn bereits von Schussverletzungen an den Leichen berichteten. Bei der Polizeidirektion des Komitates Pest wurden daraufhin am Dienstag interne Untersuchungen eingeleitet.
Gebete und Gedenken
Orban Kolompar, Chef der
Landesselbstverwaltung der Roma (OCÖ), machte "Roma-feindliche Medien" und
die Politik für die Tragödie von Tatarszentgyörgy verantwortlich. Er rief
das Land für den Mittwoch 16.00 Uhr zu Gebet und Gedenken für die Mordopfer
von Tatarszentgyörgy auf. Im vergangenen Herbst hatte es bereits mehrere
tödliche Angriffe auf Häuser von Roma gegeben, deren Hintergründe bis heute
ungeklärt sind.
In der ungarischen Öffentlichkeit ist in den vergangenen Wochen eine Debatte über das Thema der "Roma-Kriminalität" entbrannt, samt teils heftiger verbaler Angriffe gegen die Roma von rechtsextremer Seite. Der Polizeichef der nordungarischen Stadt Miskolc war vor drei Wochen vorübergehend versetzt worden, nachdem er auf einer Pressekonferenz Roma für sämtliche Raubüberfälle in der Stadt verantwortlich gemacht hatte.
Wenig später sorgte der brutale Mord an dem rumänischen Handballer Marian Cozma , der für den ungarischen Verein MKB Veszprem spielte, in einer Diskothek für Entsetzen. Die Tatverdächtigen, von denen zwei später in der Steiermark aufgegriffen wurden, waren Roma gewesen. Minderheitenvertreter warnten daraufhin vor einer Verstärkung von rassistischen Ressentiments. In Ungarn leben offiziell 190.000 Roma als größte ethnische Minderheit; Schätzungen gehen aber zum Teil von bis zu einer halben Million aus.