Mit dem überwältigenden Sieg bei den Präsidentenwahlen in Venezuela hat der international oft belächelte US-Feind Hugo Chavez seine Machtposition nicht nur daheim, sondern in ganz Lateinamerika gestärkt.
"Nun wird er innenpolitisch ganz frei schalten und walten können", meint der spanische Lateinamerika- Experte Carlos Malamud. Die größte Zeitung Brasiliens, "O Globo", sieht derweil im Wahlausgang die "Bestätigung des Auftriebs" von Chavez populistischer Linie, die "Südamerika nach links treibt".
Sechs weitere Jahre im Amt
Der seit 1999 regierende Bauernsohn
und Ex-Fallschirmjäger wird nun nicht vor Februar 2013 aus dem
Regierungspalast Miraflores in Caracas ausziehen müssen. Warum sich Chavez
trotz größten Widerstandes der Eliten im In- und der USA im Ausland so lange
an der Macht halten kann, erklärt Edgardo Lander. "Vor 1999 hatten wir eine
de-facto-Apartheid. Die Armen wurden auch politisch und kulturell
ausgeschlossen. Das Leben von zig Millionen Armen wurde mit Chavez von heute
auf morgen ganz anders", sagt der Professor für Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften der UCV-Universität in Caracas.
Chavez "Geheimwaffe" sind die "Misiones". Sie wurden in der kritischsten Phase nach zwei Generalstreiks und einem nach 48 Stunden gescheiterten Putsch der Opposition 2003 eingeführt. In den Slums kümmern sich etwa Fachkräfte und Freiwillige aus dem sozialistischen Kuba um Probleme wie den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder, Sorgen allein-erziehender Mütter oder die Alphabetisierung älterer Bürger.
Klassenhass
Die Opposition beklagt unterdessen, dass die seit
Jahren wachsenden Öleinnahmen durch die populistischen Maßnahmen
verschwendet würden. Nötige Infrastrukturinvestitionen würden aufgeschoben.
Eine zu starke heimische Währung habe die Zahl der Unternehmen seit 1998 von
17.000 auf 8.000 gedrückt. Außerdem werde der Klassenhass geschürt und die
Gesellschaft tief gespalten. Chavez regiere fast wie ein Diktator.
„Wahrer Sozialismus“ soll kommen
Nach seinem Wahlsieg
will Chavez - der auch Wahlkampfhilfe von den gemäßigteren Amtskollegen
Nestro Kirchner (Argentinien) und Luis Ignacio da Silva (Brasilien) erhielt
- nun nach eigenen Worten in Venezuela, dem fünftgrößten Erdölproduzenten
der Welt, die Revolution "vertiefen" und den "wahren Sozialismus" einführen.
Viele befürchten willkürliche Enteignungen und weniger Freiheiten.
Ob das allerdings Wirklichkeit wird, bezweifeln viele Beobachter. "Chavez wird wegen seines Charismas und seiner Sozialprogramme vom Volk massiv unterstützt und geliebt. All seine Ideologisierungsversuche sind aber bisher kläglich gescheitert", sagt der Meinungsforscher Luis León.
Der venezolanische Politikwissenschaftler Rafael Villa meint, die Wahl so vieler linkspopulistischer Regierungen in Südamerika sei eine Folge der gescheiterten neoliberalen Experimente der 90er Jahre. Nur Kolumbien, Paraguay und weiter nördlich Mexiko werden von Parteien aus der rechten Mitte regiert.
Ob die neuen Rezepte im Subkontinent besser sind, bezweifelt die Zeitung "O Globo". "Unter den neuen Kleidern verbirgt sich die alte autoritäre Versuchung, die die Länder Südamerikas anzieht. Eine äußerst gefährliche Versuchung, die den einfachen Weg des Vaterlandsretters sucht".