"Wie Göbbels"
China ortet "Nazi-Methoden" bei Tibet-Berichten
27.03.2008
Pannen bei der Berichterstattung werden von Peking als Beweis für eine westliche Verschwörung gegen die chinesische Nation hoch stilisiert.
Neben den Mönchen in Tibet will die chinesische Regierung offenbar auch die ausländischen Medien unter Kontrolle bringen. Mit einer massiven Kampagne gegen "voreingenommene" Berichterstattung oder angebliche Manipulation von Informationen versucht Chinas Propagandaapparat, ausländische Kritiker zum Schweigen zu bringen. Als vorläufiger Höhepunkt der Kampagne stellte am Donnerstag die zentrale Hauptnachrichtensendung, die von allen Provinzsendern ausgestrahlt werden muss und damit die höchste Einschaltquote hat, nicht nur die britische BBC und den US-Nachrichtensender CNN, sondern auch den deutschen Sender RTL und die "Berliner Morgenpost" an den Pranger.
Falsche Bildunterschriften
Sie hätten falsche Bildunterschriften
gewählt, auf ihren Webseiten ein Bild nicht vollständig gezeigt oder über
die Niederschlagung der Proteste durch chinesische Polizisten berichtet,
dazu aber Bilder nepalesischer oder indischer Polizisten gezeigt, die gegen
exiltibetische Demonstranten vorgegangen waren. Obwohl die westlichen Medien
immer von Wahrheit sprächen, so wurde beklagt, seien sie "nicht objektiv".
"Sie tragen immer eine dunkle Brille oder haben ihre eigenen Motive, wenn es
um Nachrichten aus China geht", durfte ein empörter Chinese in den
Nachrichten der Regierung beipflichten.
Westliche Medien entschuldtigten sich
Zwar haben sich die Medien
längst entschuldigt, doch werden diese Pannen jetzt als Beweis für eine
westliche Verschwörung gegen die chinesische Nation hoch stilisiert. Eine
neue Website http://www.anti-cnn.com über CNN als den "weltweit führenden
Lügner" (The World's Leader of Lies) dokumentiert mehrere Fehltritte. In
einem offenen Brief werden dort alle Chinesen zum Aufstand gegen "die
westlichen Goebbels Nazi-Medien" aufgerufen, als wenn dahinter eine
Maschinerie wie zu Zeiten des nationalsozialistischen Propaganda-Chefs
Joseph Goebbels stünde.
Friedliebende chinesische Nation
"Die friedliebende, gebildete
und kultivierte chinesische Nation hat lange genug die Erniedrigung
geschluckt und Beleidigungen hinnehmen müssen. Es kann nicht mehr länger das
schweigende Lamm sein", werden alle Chinesen mobilisiert, Briefe, Faxe und
E-Mails an ausländische Medienorganisationen zu schicken, die bereits
Drohbriefe bekommen. "Nur durch unsere Anstrengungen können wir unsere
Rechte beschützen, unserer Stimme im Westen Gehör verschaffen, das Ansehen
Chinas und die nationale Wiedervereinigung sichern", heißt es weiter, als
wenn auf diese Weise auch noch das als abtrünnige Provinz betrachtete Taiwan
zurückgewonnen werden könnte oder müsste.
Website biete "viel zum Nachdenken"
Der Sprecher des
Außenministeriums, Qin Gang, findet, die Website biete "viel zum
Nachdenken". Überhaupt sollten sich die ausländischen Journalisten "an die
Fakten halten" und "die Wahrheit" berichten. Doch wer den Sprecher nach
solchen Tatsachen wie die Zahl der Opfer fragt, ob es neue Unruhen von
Tibetern gegeben oder die Polizei das Feuer auf Demonstranten eröffnet habe,
bekommt keine Antwort. Fast gebetsmühlenartig verweist der Sprecher auf
"zuständige und kompetente Stellen". Doch das Polizeiministerium ließ auf
einer "Pressekonferenz" überhaupt keine Fragen zu. Örtliche Behörden haben
ohnehin einen Maulkorb. In die Unruhegebiete in Tibet und angrenzende
Provinzen darf auch kein Ausländer mehr reisen. So bleibt die Lage unklar,
bleiben nur unbestätigte Angaben der Exiltibeter.
Propaganda-Aktion
In einer Propaganda-Aktion unter der
Überschrift "Ausländische Medien strömen nach Lhasa" durfte eine kleine
Gruppe ausgewählter ausländischer Reporter zu einem streng reglementierten
Besuch nach Lhasa, "um darzustellen, dass die soziale Ordnung in Lhasa
wieder hergestellt ist", wie Sprecher Qin Gang sagte. Die Choreographen
hatten aber den Mut der Mönche im Jokhang Tempel unterschätzt. Wohl wissend,
dass sie viele Jahre im Gefängnis landen dürften, riefen Mönche den
Korrespondenten zu, es gebe "keine Freiheit in Tibet" und Peking "tischt nur
Lügen auf", wie Teilnehmer der Gruppe berichteten.
Offiziell abgesegnete "Wahrheit"
Das Schicksal der
Mönche, ihr Frust und ihre Verärgerung über "patriotische Erziehung", die
Gängelung oder die Einmischung in ihre religiösen Angelegenheiten fällt aber
nicht unter die offiziell abgesegnete "Wahrheit", sondern eher unter die
beklagte "Verdrehung der Tatsachen" durch westliche Medien. Aus chinesischer
Sicht zählt allein die - zweifellos berechtigte - Empörung über die brutalen
Attacken von Tibetern auf Chinesen. Für die Ursachen der Gewalt interessiert
sich das amtliche Peking aber nicht. Vielmehr werden die Chinesen in eine
doppelte Opferrolle - erst durch die Tibeter, dann die westlichen Medien -
gerückt. Indem der Nationalismus geschürt werde, schare sich das Volk hinter
die Führung, fand ein Diplomat.