Landtagswahl
CSU verliert absolute Mehrheit in Bayern
28.09.2008
Die Wahl in Bayern ist für die CSU zu einem Debakel geworden: Sie verliert die absolute Mehrheit. Die SPD beansprucht die Macht.
Nach zweistelligen Stimmenverlusten muss die seit gut vier Jahrzehnten in Bayern alleinregierende CSU laut ersten Hochrechnungen künftig die Macht teilen. Die Partei von Ministerpräsident Günther Beckstein sackte bei der Landtagswahl am Sonntag auf etwa 43 Prozent ab. Sie verpasste die Mehrheit der Mandate im Parlament und braucht damit erstmals seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil bot der CSU unmittelbar nach der Wahl Gespräche an. Die Christsozialen wollen schnell Gespräche über ein bürgerliches Bündnis aufnehmen. "Die Wähler wollen nicht, dass die CSU alleine regiert", sagte CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer.
Freie Wähler sind die Gewinner
Größter Stimmengewinner sind
die bürgerlichen Freien Wähler (FW), die mit einem wohl zweistelligen
Ergebnis erstmals in das Münchner Maximilianeum einziehen, und die FDP. Die
Liberalen schafften den Prognosen zufolge nach 14 Jahren Abstinenz mühelos
den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke drohte den Einzug in den
Landtag am Abend zu verpassen. Im Parlament gibt es künftig vermutlich fünf
statt der bisher drei Fraktionen von CSU, SPD und Grünen.
Die zweistelligen Verluste stürzen die erst vor einem Jahr angetretene CSU-Spitze aus Parteichef Erwin Huber und Beckstein in eine schwere Krise. Beide trafen sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Nachmittag in München zu Beratungen über die Folgen des Wahldesasters. Danach wollten beide ihre schwere Wahlniederlage ohne Umschweife eingestehen, aber die Frage nach personellen Konsequenzen zumindest bis zum Montag offen lassen, war am Sonntag aus Parteikreisen zu erfahren.
Vier-Bündnis gegen CSU - FDP winkt ab
Das von
SPD-Spitzenkandidat Franz Maget angestrebte Vierer-Bündnis gegen die CSU
gilt als unrealistisch. FDP-Spitzenkandidat Zeil sagte: "Wir haben
schon vorher gesagt, wenn uns die CSU zu Gesprächen einlädt, werden wir uns
nicht entziehen." Er sehe für andere Koalitionen keine ausreichenden
Übereinstimmungen. Die Freien Wähler schlossen eine Koalition mit der CSU
ebenfalls nicht aus. Maget betonte: "Es gibt die Möglichkeit jenseits
der CSU zu einer Regierung."
Ein Jahr vor der Bundestagswahl belastet der massive Einbruch der CSU auch die Union um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer. Der Bundes-SPD mit ihrer neuen Spitze um den designierten Vorsitzenden Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier verschafft das im Vergleich zu 2003 und zu den Umfragen stagnierende Ergebnis der bayerischen Genossen keinen Rückenwind.
Dramatischer Einbruch
Die CSU verlor laut Hochrechnungen in ARD
und ZDF (18.00 Uhr) rund 18 Prozentpunkte im Vergleich zum Spitzenergebnis
von 2003 (60,7 Prozent). Mit 42,8 bis 43 Prozent verzeichneten die
Christsozialen ihr schwächstes Ergebnis seit 1954 (38,0 Prozent). Die CSU
holte demnach 86 oder 87 Sitze (2003: 124). Die bisherigen
Oppositionsparteien SPD und Grüne sowie die neu ins Parlament gewählten
Parteien lagen demnach gemeinsam über dem CSU-Ergebnis und eroberten
insgesamt mehr Sitze im Landtag (93 bis 94). Die in Bayern seit fünf
Jahrzehnten oppositionelle SPD kam auf 19 bis 19,1 Prozent (2003: 19,6). Die
Sozialdemokraten verzeichneten damit ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis in
Bayern.
Die Grünen verbesserten sich auf 9,2 bis 9,3 Prozent (2003: 7,7). Mit einem Zuwachs von etwa sechs Punkten auf 8,1 bis 8,4 Prozent (2003: 2,6) ist die FDP der eigentliche Wahlgewinner. Die bisher nur auf kommunaler Ebene relevanten Freien Wähler (FW) kamen laut Hochrechnungen auf 10,2 Prozent (2003: 4,4). Die zuletzt in Bremen, Hessen, Niedersachsen und Hamburg erfolgreiche Linkspartei lag unter der Fünf-Prozent-Hürde (4,7).
Unter Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte die CSU vor fünf Jahren mit gut 60 Prozent ein schwer wiederholbares Ergebnis eingefahren - das zweitbeste in der Geschichte des Freistaats überhaupt, verbunden mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Landtagsmandate. Stoiber war vor einem Jahr auf Druck seiner eigenen Partei zurückgetreten.
Schlechter als die Umfragen
Umfragen hatten den Christsozialen
zwar den Sturz unter 50 Prozent prophezeit, jedoch nicht den Verlust der
Alleinherrschaft. Die Abstimmung galt als entscheidend für die politische
Zukunft Becksteins und Hubers. Beckstein (64) hat angekündigt, bis zum Ende
der Legislaturperiode 2013 regieren zu wollen. Huber (62) strebte 2009 ein
Bundestagsmandat an, um seine bundespolitische Präsenz zu verstärken.
Der Start des neuen Führungsduos Huber/Beckstein war durch die Milliarden-Belastungen bei der BayernLB, das Aus für den Transrapid, die Querelen um das Rauchverbot und den Dauerstreit um die Schulpolitik belastet worden. Beide hatten dennoch "50 Prozent plus X" als Wahlziel ausgegeben. Seit 1970 hatte die CSU immer über 50 Prozent gelegen - das machte ihren Mythos als eine der erfolgreichsten Parteien Europas aus.
Dreht sich das Personen-Karussell?
In den vergangenen Tagen
wurde bereits über personelle Konsequenzen für den Fall eines CSU-Debakels
spekuliert. Dabei wurde Bundesagrarminister und CSU-Vize Horst Seehofer als
möglicher Huber-Nachfolger genannt. Auch die Position von Generalsekretärin
Christine Haderthauer wurde infrage gestellt.
Besonders interessant ist die Bayern-Wahl mit Blick auf die Bundesversammlung, die Ende Mai 2009 den Bundespräsidenten wählt. Der Rückgang der CSU-Stimmenzahl dort wird nun wohl weitgehend durch den Erfolg der FDP und der eher konservativen Freien Wähler kompensiert. Eine knappe Mehrheit für Amtsinhaber Horst Köhler in der Bundesversammlung ist angesichts unveränderter Lager in Bayern immer noch in Reichweite. Weitere Landtagswahlen finden bis Mai nicht statt. Im Bundesrat, der Länderkammer, schrumpft die klare Mehrheit für Schwarz-Rot, falls die CSU mit der FDP in Bayern koaliert.
Stimmungstest
Bundespolitisch galt die Bayern-Wahl als
Stimmungstest für die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Blick auf
2009. Die massiven CSU-Verluste schwächen nun auch die Union insgesamt. 2005
hatte die CSU mit ihrem Bundestagswahl-Ergebnis von 49,2 Prozent der Union
einen knappen Vorsprung vor der SPD beschert - ohne die Christsozialen wäre
Merkel nicht Kanzlerin geworden. Ein neuerliches Schwächeln der CSU im
kommenden Jahr würde die angestrebte schwarz-gelbe Koalition in Frage
stellen. Die neue SPD-Führung um Müntefering und Steinmeier strebt 2009 ein
rot-grünes Bündnis oder eine "Ampel-Koalition" unter
Einschluss der FDP an.
Parteien tagen in Berlin
In Berlin tagen am Montag die
Spitzengremien von CDU, SPD und FDP um 10.00 Uhr. Der Grünen-Vorstand trifft
sich bereits um 09.45 Uhr. Die Führung der Linken tritt um 11.00 Uhr
zusammen. Über das Ergebnis der Beratungen informieren die Parteien in
Pressekonferenzen ab 13.00 Uhr.
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