Tibet-Krise
Dalai Lama droht erneut mit Rücktritt
25.03.2008
Nach den zwei Toten bei den tibeter Protesten, ruft der Dalai Lama zum Ende der Gewalt auf, sonst werde er zurücktreten.
Trotz der massiven Verstärkung der chinesischen Sicherheitskräfte gehen die Proteste von Tibetern unvermindert weiter. Bei Unruhen in der von Tibetern bewohnten westchinesischen Provinz Sichuan kamen nach Berichten von Dienstag mindestens zwei Menschen ums Leben. Bei einem der Opfer handelt es sich um einen Polizisten, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag meldete. Tibetischen Aktivisten zufolge wurde weiters ein buddhistischer Mönch getötet.
Polizei: Demonstranten seien "gesetzlose Verbrecher"
Die
Polizei habe Warnschüsse abgeben müssen, um eine Menge Steine werfender und
Messer schwingender "gesetzloser Verbrecher" auseinanderzutreiben,
meldete Xinhua. Das im Exil tätige Tibetische Zentrum für Menschenrechte und
Demokratie meldete den Tod eines 18 Jahre alten Mönchs. Ein anderer
Demonstrant sei lebensgefährlich verletzt worden. Die Truppen hätten
mehrmals wahllos auf rund 200 protestierende Tibeter - unter ihnen viele
buddhistische Nonnen und Mönche - gefeuert.
Nepal will eigene Proteste unterdrücken
Nepal hat
unterdessen angekündigt, keine anti-chinesischen Proteste mehr zuzulassen. "Wir
werden keinerlei Proteste gegen China in Nepal erlauben", sagte ein
Sprecher des Innenministeriums am Dienstag. In Nepal demonstrieren seit
Tagen tibetische Aktivisten vor chinesischen Amtsgebäuden; auch am Dienstag
versammelten sich rund 150 Demonstranten vor dem Konsulat und dem Sitz der
amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Sicherheitskräfte lösten
die Kundgebung auf. Etwa 100 Menschen seien festgenommen worden.
Dalai Lama droht mit Rücktritt
Der Dalai Lama drohte für den
Fall neuer blutiger Unruhen erneut mit seinem Rücktritt. "Wenn die
gewaltsamen Demonstrationen anhalten, werde ich zurücktreten",
sagte das Exil-Oberhaupt der Tibeter in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi,
wo er an Meditations-Seminaren teilnahm. Auf die Krise in Tibet habe er
keinen Einfluss, sagte der Dalai Lama der indischen Nachrichtenagentur PTI.
Daher könne auch er nur "abwarten", wie sich die Situation
entwickelt.
Xinhua berichtete weiter, im Bezirk Aba hätten sich 381 Menschen, die an Protesten beteiligt gewesen seien, den Behörden gestellt. 13 Menschen seien am Montag in Lhasa wegen der Teilnahme an einem Protest am 10. März bei Jokhang festgenommen worden, schrieb "Tibet Daily". Sie hätten "reaktionäre Slogans" gesungen und eine "reaktionäre Flagge" mitgeführt.
Internationale Kritik
Nach internationaler Kritik an der
Abriegelung Tibets lässt China rund ein Dutzend ausgewählte Journalisten an
einer organisierten Reise in die Unruheregion teilnehmen. Der chinesische
Außenamtssprecher Qin Gang sagte am Dienstag, die ausländischen Reporter
sollten sich über die jüngsten Ereignisse informieren und "Opfer
krimineller Gewaltakte" interviewen können.
Störaktion bei Fackellauf
Nach den Protesten bei der
Olympia-Zeremonie am Vortag verurteilte Peking jegliche Aktionen gegen den
Fackellauf als "schändlich". Er forderte die betroffenen
Länder auf, für einen geregelten Ablauf des traditionellen Laufs zu sorgen.
Drei Franzosen von der Organisation "Reporter ohne Grenzen" hatten
lautstark gegen die Niederschlagung des Aufstandes der Tibeter protestiert.
Sarko überlegt Boykott
Frankreichs Staatspräsident Nicolas
Sarkozy schloss indes einen Boykott bei den Olympischen Spielen nicht aus. "Alle
Optionen sind offen", sagte Sarkozy im südwestfranzösischen Tarbes.
Zuvor hatte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner das Vorgehen Chinas
gegen die Demonstranten in Tibet scharf verurteilt. "Diese Repression
ist unerträglich", sagte er im Radiosender Europe 1.
Die Proteste in Tibet dürften nun auch das Europäische Parlament beschäftigen. Am Mittwoch werden die EU-Abgeordneten voraussichtlich bei einer Sonderplenarsitzung über die Krise und den von EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering geforderten Boykott der Olympischen Spiele in China diskutieren.
Größte Herausforderung Chinas
Die Unruhen in der
Himalaya-Region sind eine der größten Herausforderungen für die chinesische
Führung seit Jahrzehnten. In Sichuan leben viele Tibeter. Dort kam es nach
Beginn der Proteste in der tibetischen Hauptstadt Lhasa am 10. März
wiederholt zu heftigen Ausschreitungen wegen der anhaltenden Besatzung
Tibets durch China.
Bei den Protesten gegen die chinesische Herrschaft in Tibet sind nach Angaben der tibetischen Exilregierung bisher 140 Menschen getötet worden. Die Regierung in Peking spricht von 19 Toten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist wegen der chinesischen Einschränkung der Berichterstattung aus der Region nicht möglich.