Die Tibeter demonstrieren gegen die Vorherrschaft Chinas. Die Proteste werden aber gewaltsam niedergeschlagen. Es gibt mindestens 30 Tote.
In der tibetischen Hauptstadt Lhasa ist es am Sonntag erneut zu Zusammenstößen zwischen Tibetern und Sicherheitskräften gekommen. Bewohner berichteten der Deutschen Presse Agentur (dpa) in Peking telefonisch von Zwischenfällen im westlichen Teil der Stadt. Es gebe aber keine näheren Informationen.
Über neue Proteste von Mönchen berichtete das exiltibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie in Indien auch aus einem Kloster in Tongren (Rebkong) in der Provinz Qinghai. 300 Mönche des Rong Gonchen-Klosters hätten nach einer Gebetsstunde am Sonntag zur Kreisregierung ziehen wollen, seien aber innerhalb weniger Minuten von Sicherheitskräften daran gehindert worden. Sie seien danach in einem Hof festgehalten worden.
Bisher mindestens 30 Tote
Die Demonstrationen der Tibeter gegen
die chinesische Herrschaft haben sich bisher 30 Menschenleben gefordert. Die
Zusammenstöße in Lhasa waren die schwersten seit 20 Jahren. Die Proteste
breiten sich inzwischen über die tibetische Hauptstadt hinaus aus. Auch in
Nepal und im Nordwesten Chinas kam es zu Gewaltakten bei Demonstrationen von
Tibetern.
China reagiert mit Härte
China will ungeachtet der
internationalen Proteste gegen die blutige Niederschlagung der Proteste in
Tibet weiter mit Härte vorgehen. In Lhasa befindet sich ein massives
Aufgebot an Polizei und Soldaten. Touristen wurden angewiesen, Lhasa zu
verlassen. Mehrere chinesische Reiseveranstalter teilten mit, Reisen von
Ausländern nach Tibet seien derzeit unmöglich.
Ausländischen Touristen, die sich in Tibet aufhielten, wurde zudem nahegelegt, in den kommenden Tagen das Himalaya-Gebiet zu verlassen. Die Luftfahrt-, Eisenbahn- und Straßenämter würden Reisenden "entgegenkommen", falls diese ihren Aufenthalt vorzeitig beenden wollten. China führte dem Bericht zufolge Sicherheitsbedenken als Begründung für den Schritt an.
NGO's des Landes verwiesen
Die chinesischen Behörden weisen
offenbar ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem Hochland
aus. Ein Mitarbeiter in Lhasa berichtete der "Frankfurter Rundschau" am
Sonntag: "Alle Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisationen sind angewiesen
worden, Lhasa bis spätestens Montag zu verlassen."
Touristen dürfen nicht nach Lhasa
In die tibetische
Hauptstadt Lhasa durften ausländische Touristen nach Angaben von Augenzeugen
bereits seit einigen Tagen nicht mehr. Sicherheitskräfte riegelten die Stadt
ab, nachdem es dort zu den schwersten Ausschreitungen seit fast zwei
Jahrzehnten gekommen war. Bis Sonntag wurden bei den Unruhen in Lhasa nach
Angaben der tibetischen Exilregierung 80 Menschen getötet. Die chinesischen
Behörden sprachen dagegen von zehn Toten. Das geistliche Oberhaupt der
Tibeter, der Dalai Lama, forderte Untersuchungen, ob in Tibet ein "kultureller
Völkermord" verübt werde.
Internationales Entsetzen
UNO-Menschenrechtskommissarin Louise
Arbour forderte Peking auf, den Demonstranten ihr Recht auf Versammlungs-
und Meinungsfreiheit zu gewähren und keine "exzessive Gewalt"
anzuwenden. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verfolgt die Situation
aufmerksam. Aufrufe zum Gewaltverzicht kamen auch aus Deutschland und der
Schweiz.
China dementiert Gewaltanwendung
Chinesischen Sicherheitskräfte
seien nach Angaben der Regionalregierung nicht mit Waffengewalt gegen die
Demonstranten vorgegangen. Vonseiten der Sicherheitskräfte habe es in Lhasa
"keine Schüsse gegeben", sagte der Präsident der autonomen Region Tibet,
Qiangba Puncog, am Montag vor Journalisten in Peking. Die chinesische
Volksarmee sei nicht an der Niederschlagung der Proteste beteiligt gewesen,
sondern sei erst nach den Unruhen eingesetzt worden, um die Stadt
aufzuräumen und die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Dalai Lama als Sündenbock
China macht den Dalai Lama für
die Unruhen verantwortlich. Das tibetische Exil-Oberhaupt wies die
Anschuldigungen zurück, äußerte seine tiefe Besorgnis und rief die Behörden
dazu auf, auf Gewalt gegen die Demonstranten zu verzichten.
Ultimatum bis Dienstag
Die Behörden in Tibet geben den
Demonstranten die Schuld am Tod "unschuldiger Menschen" und
betonen, sie hätten nicht zuerst das Feuer eröffnet. Trotzdem würden sie
hart mit "diesen Kriminellen" umgehen, weil sie eine Spaltung der
Nation wollen. Allen Demonstranten, die sich bis Dienstag stellten, wurden
mildernde Umstände in Aussicht gestellt.
Olympia findet statt
Die Olympischen Sommerspiele sind durch die
Unruhen nicht gefährdet, auch der Fackellauf, bei dem das olympische Feuer
auf den Mount Everest getragen werden soll, wird wie geplant stattfinden.
IOC-Präsident Rogge erklärte, ein Boykott der Spiele würde nichts ändern und
nur die Athleten bestrafen.
Anlass der Proteste ist der 49. Jahrestag eines Aufstandes in Lhasa gegen die chinesischen Besatzer. Tibet wird seit dem Einmarsch der chinesischen Armee 1950 von Peking regiert. Nach einem fehlgeschlagenen Aufstand der Bewohner flüchtete der Dalai Lama nach Indien, wo er seit 1959 in Dharamsala eine Exil-Regierung führt und für die Autonomie Tibets wirbt. China lehnt das strikt ab.