Soldaten durchkämmen die Stadt Daraa und nehmen Männer fest.
Nach einem neuen Aufruf zu Demonstrationen hat die syrische Armee in der Protesthochburg Daraa (Deraa) Hunderte Männer festgenommen. Seit Sonntag in der Früh durchkämmten die Sicherheitskräfte die Stadt, um Männer über 15 Jahren festzunehmen, sagte der Menschenrechtsvertreter Abdullah Abazid der Nachrichtenagentur AFP. Die international unter Druck stehende syrische Regierung hatte am Samstag politische und wirtschaftliche Reformen angekündigt.
Festnahmen
"Seit dem frühen Morgen gehen Soldaten, unterstützt von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen von einem Viertel zum nächsten, dringen in die Häuser ein und nehmen jedes Mal ein oder zwei Menschen fest", sagte der Aktivist Abazid. Hunderte Menschen seien seit Freitag festgenommen worden. Scharfschützen würden zudem auf alles feuern, was sich bewege. Seit Freitag hätten deshalb sechs Leichen nicht von der Straße geborgen werden können.
Kein Wasser, kein Strom
Die humanitäre Lage in der seit vergangenem Montag von der Armee besetzten Stadt sei sehr schwierig, sagte Abazid. Es gebe kein Wasser, keinen Strom und keine Nahrung. Am Samstag seien erneut sechs Menschen getötet worden. Darunter sei auch der Sohn des Imams einer Moschee, die der Protestbewegung als Sammlungsort diente. Er sei erschossen worden, da er sich weigerte, der Armee den Aufenthaltsort seines Vaters zu nennen, sagte Abazid.
In Daraa hatte Mitte März die Protestbewegung gegen Präsident Bashar al-Assad ihren Anfang genommen. Nach Angaben der Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter wurden seit Beginn der Protestwelle am 18. März landesweit 545 Zivilisten und 86 Sicherheitsleute getötet. Allein am Freitag sollen 70 Demonstranten, die für mehr Demokratie und gegen Assad protestiert hatten, getötet worden sein.
Panzer in der Stadt
Bewohner von Daraa berichteten dem Nachrichtensender Al-Jazeera am Samstag von massivem Granatbeschuss und heftigem Gewehrfeuer. Auf den Straßen lägen Leichen, andere Tote würden in Kühllastwagen aufbewahrt. Besonders heftig sei um die Omari-Moschee gekämpft worden. Berichten zufolge stürmten Regierungstruppen das Gotteshaus. Mindestens vier Menschen seien ums Leben gekommen. Ein Augenzeuge sprach von 20 Panzern, die in der Stadt patrouillierten. Viele Verwundete der Schießereien müssten zu Hause behandelt werden, weil der Weg in die Krankenhäuser inzwischen zu gefährlich sei.
Die Protestbewegung will der Staatsführung trotz des harten Vorgehens aber weiterhin die Stirn bieten. Die Facebook-Gruppe "Syrische Revolution 2011" rief am Samstag zu einer "Woche zur Aufhebung der Belagerung" auf. Als erstes sollten sich die Bürger am Sonntag in Daraa zu einer Demonstration versammeln. Für Montag waren Proteste in Damaskus geplant. An den folgenden Tagen soll es in Banias, Homs und anderen Städten weitere Demonstrationen und "nächtliche Sitzstreiks" geben. Zehntausende Syrer hatten bereits am Freitag die Drohungen der Regierung in den Wind geschlagen und erneut in mehreren Städten für demokratische Reformen demonstriert. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.
Mit neuen Reformversprechen versuchte hat die syrische Führung, die Protestbewegung gleichzeitig zum Einlenken zu bewegen: Die Regierung kündigte am Samstag an, drei Experten-Komitees sollten umfassende politische und wirtschaftliche Reformen ausarbeiten. Wie die Nachrichtenagentur Sana berichtete, solle es auch im sozialen Bereich sowie bei der Sicherheit Reformen geben. Die Pläne der Komitees sollten anschließend der Regierung zur Diskussion vorgelegt werden.