Der russische Geschäftsmann Dimitrij Kovtun traf Litwinenko nach eigenen Angaben nur zwei Mal. Seine Wohnung wurde durchsucht.
Er war einer der letzten, die den russischen Exspion Alexander Litwinenko gesund gesehen haben: Dimitrij Kowtun, russischer Geschäftsmann mit Wohnsitz in Hamburg, war am 1. November in London dabei, als dem 43-jährigen Putin-Kritiker vermutlich die radioaktive Substanz Polonium 210 verabreicht wurde. Für die britischen Ermittler war er deshalb ein wichtiger Zeuge. Inzwischen soll er selbst an Symptomen einer Strahlenerkrankung leiden und im Krankenhaus liegen.
Der 41-jährige Kowtun traf Litwinenko nach eigenen Angaben nur zwei Mal: Am 16. Oktober habe ihm sein langjähriger Bekannter, der Unternehmer und Ex-KGB-Agent Andrej Lugowoi, Litwinenko bei einem Essen in London vorgestellt, sagte er bei der Vernehmung durch britische und russische Ermittler, die Mitte der Woche stattgefunden haben soll. Es sei um Business gegangen - er bemühe sich darum, westlichen Unternehmen den Weg auf den russischen Markt zu ebnen, und Litwinenko habe ihn mit zwei britischen Geschäftsleuten bekannt machen wollen.
Das zweite Treffen fand dann am 1. November im Hotel Millennium statt. Er sei mit Lugowoi und anderen Freunden wegen des Fußballspiels Arsenal London - CSKA Moskau in die britische Hauptstadt gereist, gab Kowtun an. Bei dieser Gelegenheit habe man gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsmann auch kurz Litwinenko getroffen, um die Zusammenarbeit zu vertiefen.
Lugowoi, den Kowtun aus der gemeinsamen Zeit bei der Militärakademie kennt, äußerte sich detaillierter: Das Gespräch habe 20 bis 30 Minuten gedauert, und sie hätten ein zweites Treffen für den nächsten Tag vereinbart. Dies habe Litwinenko am Morgen des 2. November abgesagt mit der Begründung, es gehe ihm nicht gut. Der 43-Jährige war nach der Begegnung mit Lugowoi und Kowtun erkrankt, am 23. November starb er in London an einer Polonium-Vergiftung. Auf dem Totenbett beschuldigte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin, seine Ermordung in Auftrag gegeben zu haben, was der Kreml vehement zurückwies.
Kowtun, der 1986 seine Ausbildung an einer Militärakademie abschloss, war nach eigenen Angaben als Soldat in der DDR und der Tschechoslowakei stationiert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 sei er in Deutschland geblieben, insgesamt habe er zwölf Jahre hier verbracht, sagte er Radio Echo Moskau. Bis vor kurzem sei er mit einer Deutschen verheiratet gewesen, er genieße in Deutschland ein Aufenthaltsrecht. Der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit liege aber inzwischen in Russland: Er berate westliche Unternehmen, die dort Fuß fassen wollten.
Am 1. November um 06.40 Uhr flog er mit einer Maschine der Gesellschaft Germanwings unter der Flugnummer 4U7342 von Hamburg nach London. Ob er danach noch einmal in die Hansestadt zurückkam, in der auch seine deutsche Exfrau lebt, war unklar. Der 41-Jährige hat eine Wohnung im Erdgeschoss eines Hauses in der Erzbergerstraße in Ottensen; im selben Gebäude wohnt auch die 31-jährige Exfrau, die aus einer anderen Verbindung zwei kleine Kinder hat. In ihrer Wohnung und im Haus ihrer Mutter im Kreis Pinneberg fand die Polizei radioaktive Spuren; Kowtuns Wohnung selbst war "sauber". Die Sicherheitskräfte richteten eine Sondereinheit namens "Dritter Mann" ein, weil Kowtun einer der drei Männer war, die Litwinenko im Millennium getroffen hatten. Die Namensgleichheit mit dem berühmten Spionagethriller "Der dritte Mann" von Orson Welles ist nach Angaben der Hamburger Polizei rein zufällig.
Wo sich Kowtun derzeit aufhält und wie es ihm geht, war ungewiss. Reporter des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" trafen ihn am 2. Dezember in der Nähe von Moskau. Russischen Medienberichten zufolge befindet er sich inzwischen in einer Strahlenklinik in der russischen Hauptstadt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes erklärte am Donnerstag, Kowtun zeige Symptome einer Strahlenkrankheit; deshalb sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden nicht nur wegen Mordes an Litwinenko, sondern auch wegen Mordversuchs an Kowtun. Ebenfalls am Donnerstag berichtete die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax, Kowtun sei inzwischen ins Koma gefallen - was Lugowois Anwalt wenig später dementierte. Am Freitag wiederum hieß es bei Interfax, Kowtun habe sein Bewusstsein wiedererlangt, aber es gehe ihm schlecht.
Auch Lugowoi soll Symptome einer Polonium-Vergiftung entwickelt haben; es gehe ihm aber deutlich besser als Kowtun, schrieb Interfax. Der Geschäftsmann, der im Bereich Sicherheit tätig ist, hatte bereits kurz nach dem Tod Litwinenkos erklärt, Kowtun und er hätten damit nichts zu tun. Man versuche offenbar, ihnen etwas anzuhängen.