"Zwangsdeportation"

Demjanjuk-Prozess soll gestoppt werden

01.12.2009

Der Anwalt des mutmaßlichen NS-Verbrechers spricht von "illegalen Methoden".

Zur Vollversion des Artikels
© AP
Zur Vollversion des Artikels

Mit der Verlesung der Anklage ist der Mordprozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk am Dienstag vor dem Schwurgericht München fortgesetzt worden. Dem gebürtigen Ukrainer wird vorgeworfen, als bewaffneter Wachmann im Vernichtungslager Sobibor 1943 "bereitwillig an der Ermordung von mindestens 27.900" jüdischen Männern, Frauen und Kindern mitgewirkt zu haben. Er habe sie brutal in die Gaskammern getrieben, "weil er selbst deren Tötung aus rasseideologischen Gründen wollte". Die Verteidigung forderte eine Einstellung des Verfahrens.

Zwangsdeportation
Verteidiger Ulrich Busch spicht von einer "Zwangsdeportation seines Mandanten aus den USA". Dadurch habe sich die deutsche Justiz auf illegale Weise des Angeklagten bemächtigt. Demjanjuk war im Mai nach monatelangem juristischen Tauziehen aus den USA abgeschoben worden.

Die medizinischen Gutachter hatten am Montag dagegen eine tödliche Erkrankung von Demjanjuk verneint und ihn unter gewissen Einschränkungen für verhandlungsfähig erklärt. Nach Aussagen eines Mediziners handelt es sich bei seiner Knochenmarkserkrankung noch nicht um eine Krebserkrankung, sondern allenfalls um eine Vorstufe dazu. Allerdings haben die Ärzte festgelegt, dass wegen der angeschlagenen Gesundheit des Angeklagten pro Tag nicht länger als zweimal 90 Minuten verhandelt werden darf. Demjanjuk leidet laut ärztlichem Gutachten auch an Gicht, Herzschwäche und Bluthochdruck.

Hauptbeweismittel gegen Demjanjuk ist ein SS-Dienstausweis mit der Nummer 1393. "Abkommandiert am 27.3.43 Sobibor" ist darauf notiert. Die Verteidigung bezweifelt die Echtheit des Dokuments. Da Demjanjuk bisher zu den Vorwürfen schweigt, wird ein langwieriger Indizienprozess erwartet.

Todeszelle
Verteidiger Busch hält eine Einstellung des Verfahrens auch deshalb für nötig, weil nach seiner Darstellung die Vorwürfe der jetzigen Anklage auch schon im Demjanjuk-Prozess von 1988 in Israel eine Rolle gespielt hätten. Damit sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen die Strafanklage verbraucht, niemand dürfe im gleichen Fall zweimal angeklagt werden. 1988 war Demjanjuk in Israel als "Iwan der Schreckliche" im Vernichtungslager Treblinka zum Tode verurteilt worden. Fünf Jahre saß er in der Todeszelle, bis 1993 das Urteil aufgehoben wurde - es stellte sich heraus, dass er verwechselt worden war. Nach insgesamt siebenjähriger Haft kehrte er in die USA zurück.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel