Rückschlag für Obama
Demokraten verlieren Senatssitz
20.01.2010
Der Republikaner Brown gewinnt bei einer Nachwahl in Massachusetts.
Dramatischer Rückschlag für US-Präsident Barack Obama: Seine Demokraten haben am Dienstag die wichtige Senatsnachwahl im Bundesstaat Massachusetts verloren. Damit verfügt Obama ein Jahr nach seiner Amtsübernahme in der kleineren Kongresskammer nicht mehr über die nötige 60-Stimmen-Mehrheit zur Durchsetzung wichtiger Gesetzesvorhaben. Auch seine Gesundheitsreform ist gefährdet.
Die Wahl hatte sich in den vergangenen Wochen zu einem Votum über die Reform und insgesamt über Obamas erstes Jahr im Weißen Haus entwickelt. Er war am 20. Jänner 2009 vereidigt worden.
"Schonungslose" Untersuchung der Ursachen
Nach
Auszählung der meisten Stimmen lag der Republikaner Scott Brown (50)
uneinholbar mit 52 zu 47 Prozent vor der vor kurzem noch hoch favorisierte
demokratischen Kandidatin Martha Coakley (56). Sie räumte noch am Abend in
einer Rede ihre Niederlage ein, kündigte eine "schonungslose"
Untersuchung die Ursachen für ihr Scheitern an und gratulierte dem Sieger.
Obama war noch am Sonntag nach Massachusetts gereist, um die derzeitige
Generalstaatsanwältin zu unterstützen und damit ein drohendes Debakel
abzuwenden.
Liberale Hochburg
Der Staat ist traditionell eine liberale
Hochburg. Bei der Wahl ging es um die Besetzung des Senatssitzes, der durch
den Tod des äußerst populären Edward "Ted" Kennedy
im vergangenen Sommer freigeworden war. Er hatte den Sitz seit 1962 inne und
eine grundlegende Gesundheitsreform mit einer Krankenversicherung für alle
zu seinem Hauptziel gemacht. Vor ihm saß sein Bruder John F. Kennedy auf dem
Platz.
Bisher 58 Mandate
Die magische Zahl von 60 Stimmen ist nötig, um
Filibuster (Dauerreden) der Minderheit zur Blockade oder Verzögerung von
Gesetzesvorhaben im 100-köpfigen Senat zu verhindern. Bisher verfügten die
Demokraten über 58 Mandate, erreichten die sogenannte Super-Mehrheit aber
mit Hilfe von zwei Unabhängigen, die eine Fraktionsgemeinschaft mit ihnen
bilden und in der Regel mit ihnen stimmen.
Republikaner-Blockade
So konnte kurz vor Weihnachten eine
Republikaner-Blockade der Senatsabstimmung über Obamas Gesundheitsreform
durchbrochen werden. Der dann verabschiedete Entwurf unterscheidet sich aber
deutlich von einer Vorlage, die das Abgeordnetenhaus gebilligt hat. Seit
Anfang des Jahres wurde daher im Vermittlungsausschuss an einem Kompromiss
gearbeitet, über den dann beide Kongresskammern erneut abstimmen müssten.
Neu abstimmen?
Die Demokraten überlegen nun, wie sie die
Gesundheitsreform in ihren Kernpunkten noch retten können, ohne ein neues
Votum im Senat zu riskieren. Eine Möglichkeit wäre, dass das
Abgeordnetenhaus neu abstimmt, diesmal über die Senatsvorlage. Gibt die
Kammer grünes Licht, könnte Obama das Gesetz unterzeichnen. In den USA
müssen stets beide Häuser des Kongresses zustimmen, bevor ein Gesetz in
Kraft treten kann.
Gegen die Gesundheitsreform
Noch vor wenigen Wochen hatte
Coakleys Wahl als sicher gegolten. Doch innerhalb kurzer Zeit konnte der
vordem US-weit kaum bekannte Brown entscheidend an Boden gewinnen. Der
äußerst telegene bisherige Staatssenator in Massachusetts hatte in seinem
Wahlkampf ganz entscheidend auf den verbreiteten Widerstand gegen die
Gesundheitsreform gesetzt, die er selbst strikt ablehnt. Auch Obamas
Klimaschutz-Plan mit einer deutlichen Reduzierung der Treibhausgase und die
angestrebte Sondersteuer für mit Steuergeldern gerettete Banken will er bei
den anstehenden Beratungen in diesem Jahr nicht unterstützen.
Engagierter Wahlkampf
Coakley ihrerseits hatte sich nach
Einschätzung von Beobachtern zu stark auf ihre Favoritenrolle und
Verbindungen zum politischen Establishment verlassen. Dagegen absolvierte
Brown einen engagierten Wahlkampf, fuhr mit seinem Kleinlaster durch das
Land und präsentierte sich als Kandidat des kleinen Mannes.
Verheerende Sogwirkung
Die Entwicklung in Massachusetts spiegelt
aber auch den schweren Popularitätsverlust Obamas wider. Bei der Vereidigung
vor einem Jahr standen laut Umfragen bis zu 70 Prozent der Amerikaner hinter
Obama - heute würden ihn nicht einmal mehr die Hälfte der Bürger
wiederwählen. Nun müssen Obama und die Demokraten fürchten, dass die
Schlappe in Massachusetts eine verheerende Sogwirkung für die Kongresswahlen
im November haben wird. Dann stehen das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein
Drittel der Senatssitze zur Wahl. Schon vor der Nachwahl in Massachusetts
hatten sich die Demokraten auf schmerzliche Verluste eingerichtet.